Der Gebrauch von Mundart wird nicht selten ziemlich gegensätzlich interpretiert. Für die einen, die den Dialekt bewusst zelebrieren, ist es Ausdruck von Heimatverbundenheit und vielleicht auch ein Mittel zur Abgrenzung. Für die anderen, die sie skeptisch bis ablehnend betrachten, ist Mundart die Ausgeburt von Ungebildetheit und Rückständigkeit.
Letzteres ist neben der Nivellierung der dialektalen Ausprägungen durch die Massenmedien und die gesteigerte Mobilität der Menschen wohl ein Mitgrund, warum Mundarten generell rückläufig sind und zunehmend durch Hochdeutsch oder zumindest überregionale Umgangssprachen ersetzt werden.
Hierzu ein paar rein subjektive und ein paar wissenschaftliche Bemerkungen:
- Eine Hierarchie zwischen Dialekt und Standardsprache herzustellen, ist sprachwissenschaftlich unsinnig, denn die Entscheidung, was schlussendlich Hochdeutsch wurde und was nicht, war völlig arbiträr.
- Nicht nur unser südbairischer Dialekt ist in vielerlei Hinsicht (Vokabular, Intonation etc.) wesentlich nuancenreicher als die Standardsprache, da er in einer engeren Beziehung zur Lebenswirklichkeit der Menschen entstanden ist.
- Die durchgehende Diglossie einer Gesellschaft ist kein Hemmschuh für intellektuelle und sprachliche Entwicklung. Im Gegenteil. Dialektsprecher sind – deutschen Sprachwissenschaftlern zufolge – wahrscheinlich sogar im Vorteil.
- Eltern, die ihre Kinder ganz bewusst ausschließlich in der Hochsprache erziehen, um sie besser auf die Schule/das Leben vorzubereiten, erreichen eher das Gegenteil. Diglossie hilft, sprachlich flexibel zu bleiben, Nuancen zu erkennen und verschiedene Sprachebenen zu unterscheiden.
- Zumindest in Südtirol ist der Dialekt die Sprache der Nähe und Hochdeutsch die Sprache der Distanz. Sprache hat somit auch integrativen bzw. ausschließenden Charakter.
- Sprache und somit auch der Dialekt ist ein Kulturgut, das sich zwar entwickeln soll und muss, das gleichzeitig aber auch bewahrenswert ist. Eine Abkehr von der sprachlichen Vielfalt im Deutschen würde den gesamten Sprachraum ärmer machen – und das nicht nur, weil viele Ausdrücke verloren gingen.
- Bezeichnenderweise heißt das Schulfach, das jeder von uns mehr oder weniger genossen hat, ja “Deutsch” und nicht “Hochdeutsch”. Es wäre daher angebracht, dass unsere Sprache in all ihren Facetten Einzug in den Unterricht findet.
Es war woltan an Ellat, wenn Doige und Herrische des nit in ihrn Grint eichn brachten und nit schmaln tatn. Greile schode war des, wenn sie des nit dergneisatn. Es gib gonze Wiezl vu Wörschter – wia Gowatta, Blutta, Mita, Riet, Rifa, Gschnelfer, Schelfiler oder Furm – wellane vellig niamand mehr woaß. Oder kunn mir wer sogn wos rogl, stickl und tirmig hoaßt? (Stubaierisch auf stubaipod.com)
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