Eins sei gleich vorweggenommen: Das Dokumentationszentrum, das unter dem faschistischen Siegesdenkmal in Bozen errichtet wurde, hat meine größten Hoffnungen genausowenig erfüllt, wie meine — vor allem in den letzten Stunden gewachsenen — größten Befürchtungen. Ich kann also ruhigen Gewissens bei meiner ersten Einschätzung bleiben, dass es sich bei den ergriffenen Maßnahmen um Schritte in die richtige Richtung handelt: Es wurde ein gemeinsamer Weg beschritten, und es ist wichtig, dass dies geschehen ist. Doch das Ziel ist noch fern.
Von der Bozner Altstadt kommend habe ich mich also heute zum Siegesplatz begeben, um mir eine eigene Meinung über die »Historisierung« des Siegesdenkmals zu bilden. Vieles und sehr Widersprüchliches wurde ja während der letzten Tage geschrieben. Schon die nach wie vor gültige Namensgebung — ein Siegesdenkmal an einem Siegesplatz — verrät allerdings, dass noch einiges im Argen liegt. Von der Talferbrücke aus ist das Display mit dem Hinweis auf die Ausstellung im Keller kaum zu erkennen, dafür nach wie vor die Monumentalität des Denkmals. Und das ist auch, was man spürt, sobald man sich unter Piacentinis Triumphbogen befindet: Der eine Ring an der einen Säule schafft es in keinster Weise, die architektonische Dimension des Bauwerks auch nur ein klein wenig anzufechten. Wenn man steht, wo man bis vor kurzem aufgrund der Einzäunung gar nicht hingelangen konnte, nämlich im Denkmal, wird die ganze Wucht der Dimensionen, der Proportionen und der Materialien wirksam, die sich der faschistische Architekt ja bis ins Detail überlegt hatte. Dies wird bis zum Schluss meines Besuchs die negativste Erfahrung sein, die ich machen musste: Im Grunde wurde die intrinsische Kraft eines faschistischen Denkmals erneut entfesselt, der man nichts entgegenzusetzen imstande (oder willens) war. Das ist wohl das wahre Problem dieses von lauter guten Absichten geleiteten Eingriffs: Von einem Mahnmal kann nicht die Rede sein.
Unglücklich ist auch die Tatsache, dass man vom Denkmal nicht direkt in das Dokumentationszentrum gelangt, obschon es zwei große Treppen gibt, die vom Sockel hinab zum Eingang führen. Die sind gesperrt — stattdessen muss man den eingezäunten Bereich wieder verlassen und »umgehen«, damit man schließlich umständlich über den Park zum hinteren Eingang gelangt. Wer also nicht wirklich in das Dokumentationszentrum will, wird nicht dazu eingeladen, es zu besuchen. An dessen Eingang steht denn auch die Stele, die von der neuen Einrichtung künden soll — doch wie der Ring nimmt auch sie sich hier geradezu mickrig aus und ist von der Straße kaum sichtbar.
Mich am Eingang von den freundlichen Damen auf Deutsch grüßen zu lassen, ist mir weder bei meiner Ankunft, noch beim Verlassen des Dokumentationszentrums gelungen. Das ist an einem Ort, wo unter anderem die Italienisierung Südtirols (mit)aufgearbeitet werden — und der ein neues Miteinander entfesseln — soll, eine irritierende Erfahrung.
Betritt man den Keller, gelangt man geradeaus in die sogenannte Krypta, auf deren unpassende Bezeichnung schon der Grüne Sigmund Kripp hingewiesen hatte, noch bevor es andere taten. Damit wird in einer kritischen Ausstellung unkritisch eine sakrale Bezeichnung weiterbenutzt, die die faschistischen Erbauer nicht zufällig gewählt hatten, um ihren politischen Ansprüchen zusätzlich Nachdruck und Aura zu verleihen. In dem zentralen Raum werden vom totalitären Regime missbrauchte klassische Zitate wirkungsvoll mit Aussagen von Hannah Arendt oder Bertolt Brecht überlagert. Hier gelingt im Kleinen, was mit dem Denkmal als Ganzes misslungen ist, nämlich die tatsächliche Umwandlung der ursprünglichen Bedeutung.
Rund um diesen Raum ist die eigentliche Dokumentationsstätte angesiedelt: In insgesamt 18 Etappen wird dem Besucher die Geschichte des Siegesdenkmals vermittelt. Anders als befürchtet wird sehr wohl auch auf die Abtrennung des südlichen Tirols von Österreich, auf die Entnationalisierungspolitik, auf die Katakombenschulen oder auf die Übersetzung von Orts- und Personennamen während des Faschismus hingewiesen. Damit ergibt sich ein recht vollständiges Gesamtbild, das dem Bildungsauftrag gerecht wird. Auffallend sparsam jedoch wird in den Texten mit Bewertungen und Verurteilungen umgegangen, was es trotz allem ermöglicht hat, dass selbst die neofaschistische CasaPound die Objektivität der Darstellungen gelobt hat. Etwas mehr Mut hätte man sich von der Historikerkommission eigentlich erwarten dürfen.
Störend sind hingegen vor allem Details, wie die Tatsache, dass die Titel nur in englischer Sprache groß hervorgehoben sind, wo es sich doch um einen Parcours handelt, der den Einheimischen einen neuen Zugang zur eigenen Geschichte verschaffen soll. Demzufolge scheint auch die Sprachreihung Englisch – Italienisch – Deutsch unangemessen, wobei dadurch der deutsche Titel in einigen Räumen so weit nach unten rutschte, dass er von den Exponaten verdeckt wird. Unbedingt hätte auch die ladinische Sprache berücksichtigt werden müssen, was leider ausgeblieben ist. Und dass im Englischen fast ausschließlich die Ortsnamen von Tolomei zum Handkuss kommen, ist an diesem Ort eine Geschmacklosigkeit.
Trotzdem: Bei aller Kritik und Irritation en detail muss das Gesamturteil über die Dokumentationsausstellung, die übrigens auch handwerklich gut umgesetzt wurde, absolut positiv ausfallen. Sie stellt für Südtirol (und speziell für die Landeshauptstadt) einen echten Paradigmenwechsel dar: Wenn sie nicht als Endstation, sondern als Anstoß für einen Prozess verstanden wird — und das soll nach Auskunft der maßgeblich daran beteiligten so sein — kann man ihre Eröffnung nur begrüßen.
Während der Keller also insgesamt einen unerwartet guten Eindruck hinterlässt, stellt das Denkmal als solches eine (ebenfalls unerwartet) große Herausforderung dar, für die in Zukunft wohl noch eine Lösung gefunden werden muss. Sowohl die sogenannte Krypta mit den effektvollen Überlagerungen, als auch der geplante Eingriff am Mussolinidenkmal des Finanzgebäudes könnten wohl gute Ideengeber sein.
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