In Südtirol wird regelmäßig behauptet, wenn bei einem Selbstbestimmungsreferendum der Unionismus, also der Verbleib bei Italien gewinnen würde, würde uns Italien wohl die Autonomie streichen, da wir uns ja dann freiwillig zu Italienern erklärt hätten. Gleichzeitig weigert sich die regierende Südtiroler Volkspartei, sich konkret für die Selbstbestimmung einzusetzen, weil sie behauptet, man könne nicht parallel für mehr Autonomie und für die Unabhängigkeit Südtirols von Italien eintreten. Einmal davon abgesehen, dass auch die Volkspartei in diesem Fall Selbstbestimmung und Unabhängigkeit verwechselt (man kann die Selbstbestimmung ja auch als Mittel zur Legitimierung der Autonomie durch den Souverän verstehen), wird die Ansicht, dass der Unabhängigkeitskampf der Autonomie schade, in Schottland Lügen gestraft. hat stets darauf hingewiesen, dass dieser Widerspruch nicht existiert.
Die Kampagne von BetterTogether, dem Promotorenkomitee der Unionisten, baut weitgehend auf (teils abstruse) Angstargumente, wenn es darum geht, die Schotten zu einem Verbleib im Vereinigten Königreich zu animieren. Dieses negative campaigning haben selbst wichtige Mitglieder des Komitees bemängelt. Doch weil man, um die StimmbürgerInnen für sich zu gewinnen, auch etwas bieten muss, haben sämliche Parteien, die an BetterTogether beteiligt sind, für den Fall eines Verbleibs in der Union auch einen deutlichen Ausbau der schottischen Autonomie in Aussicht gestellt. Die BBC analysierte nun die unterschiedlichen Angebote:
- Die Labourpartei, deren Mitglieder sich auf YesScotland und BetterTogether verteilen, verspricht Schottland eine Ausweitung der Finanzautonomie und neue Zuständigkeiten im Bereich der sozialen Wohlfahrt. Sowohl im sozialen Wohnbau, als auch in Altersvorsorge und Arbeitslosenunterstützung sollen Schottlands Kompetenzen ausgebaut werden.
- Die Konservativen stellen Edinburgh sogar die vollständige Übertragung der Einkommensbesteuerung in Aussicht. Die Bereiche der sozialen Wohlfahrt, die sich mit bereits bestehenden Zuständigkeiten des schottischen Parlaments überschneiden (Wohnbau, Fürsorge…) sollen ebenfalls an Schottland übergehen.
- Die Liberaldemokraten sprechen sich für eine weitgehende Steuerhoheit für Schottland aus. Ausdrücklich sollen nur Wohlfahrt und Pensionen, Verteidigung und Außenpolitik in London bleiben. Der Union Act von 1707, der die Vereinigung von Schottland und England besiegelte, soll durch einen Föderierungsakt ersetzt werden.
All diese Vorschläge reichen nicht annähernd an das heran, was Schottland an Zuständigkeiten erlangen würde, wenn seine EinwohnerInnen am 18. September für einen unabhängigen Staat votieren. Doch die Angebote unionistischer Parteien legen nahe, dass das Engagement für Unabhängigkeit einer positiven Entwicklung der Autonomie nicht zuwiderläuft. Es schafft vielmehr Freiräume für neue Zugeständnisse.
Sezessionismus als Antiautonomismus zu bezeichnen, wie in Südtirol manchmal der Fall, hat mit der Realität nicht viel zu tun.
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