Ich wohne in Innsbruck, und wenn ich in Südtirol auf der Durchreise bin, weil ich in mein Heimatland Italien fahre, mache ich mir oft so meine Gedanken bezüglich der “italienischen” Übersetzungen von Südtiroler Ortsnamen. Auf mich als Italienerin, die zudem als Übersetzerin arbeitet, machen diese so genannten italienischen Toponyme einen äußerst grotesken Eindruck, und ehrlich gesagt, fühle ich mich durch sie oft peinlich berührt. So auch im Fall von “Rio Pusteria”, von dem in Ihrer Zeitung [der TAZ] unlängst die Rede war. Jene, die dieses “Rio Pusteria” verteidigen, begründen dies unter anderem damit, dass die rein deutschen Namen Gitschberg und Jochtal “für Italiener nicht aussprechbar” seien. Bei einer derartigen Argumentation wird mein Schamgefühl durch eine weitere Emotion bereichert. Diese nennt sich ‘Beleidigung’, weil die Italiener pauschal für sprachlich untalentiert erklärt werden. Ein konstruierter Begriff wie “Rio Pusteria” beleidigt also Deutsche UND Italiener: Die Deutschen, weil sie ihn als Symbol des Sprachimperialismus empfinden; die Italiener, weil man ihnen die Authentizität einer Region und rein deutsche Namen nicht zumuten möchte. Ich möchte insbesondere die Südtiroler Touristiker bitten, auch an jene Italiener zu denken, die diese Heuchelei mit den Pseudotoponymen schon längst durchschaut haben und sich davon ausdrücklich distanzieren möchten.
— Giovanna Rinaldi, Innsbruck
Der Text ist heute als Leserbrief in der Tageszeitung erschienen und wurde hier mit Zustimmung der Verfasserin wiedergegeben.
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