Ein paar Fragen zur Pensionsdebatte mit der Bitte um Antworten:
Warum geht bei medial gepushten Themen die Sachlichkeit so schnell baden?
Es ist erschreckend, dass Menschen in den Internetforen der drei größten Printmedien im Lande ungestraft Mordaufrufe posten können und sich dabei auch noch moralisch überlegen fühlen. Wir hatten diesen Umstand bereits bei der »Stopp der Gewalt«-Kampagne bemängelt und tun dies nun wieder.
Weshalb kocht der Volkszorn bei 90 Millionen Euro derartig hoch, während bei Milliardenbeträgen kein Mensch auf die Idee kommt, auf die Straße zu gehen, Avaaz-Petitionen zu starten und Facebook-Seiten zu gründen?
Ohne die unmoralisch hohen Zahlungen bagatellisieren zu wollen, fehlt in der jetzigen Diskussion doch die Verhältnismäßigkeit. Die SEL-Affäre und andere Skandale sowie die einseitig vorgenommenen Einsparungen des Staates besonders während der Amtszeit Mario Montis kosten die Steuerzahler ein Vielfaches der derzeit angeprangerten Summe. Auch wurden in diesen Fällen Gesetze bzw. Verträge gebrochen, was bei den Luxuspensionen nach derzeitigem Informationsstand nicht der Fall ist. Zudem lodert der »Volkszorn« auf Basis journalistisch sehr schwach aufbereiteter Information, die so dürftig und widersprüchlich ist, dass sie eigentlich (noch) keine zwingenden Schlüsse zulässt.
Warum stehen jetzt (nur) jene am Pranger, die der Rentenkürzung zugestimmt haben und nicht jene, die weiterhin (noch größer) abkassieren, ganz zu schweigen von denjenigen, die die Regelungen »verbrochen« haben?
Die ominöse online publizierte Liste ist der moderne Pranger. Doch stehen nun auch die richtigen dort? In Österreich ist es Politikern aus gutem Grund gesetzlich verboten, ihnen rechtlich zustehende Zahlungen abzulehnen – nämlich um indirekten Stimmen- und Ämterkauf nach dem Motto »Wer macht’s billiger?« zu verhindern. Wie es scheint, ist das in Italien ähnlich. Was sie danach mit dem Geld machen, ist eine andere Geschichte. Eine rückwirkende Änderung der Regelungen widerspricht jedenfalls dem Grundsatz der Rechtssicherheit in einem Rechtsstaat und wäre somit eine bedenkliche Praxis. Eine »Rückgabe des Geldes« müsste also immer auf freiwilliger Basis erfolgen. Fest steht aber auch, dass sowohl die neue und noch mehr die alte Regelung unverschämt hohe Zahlungen vorsehen. An den Pranger gehören also diejenigen, die diese Regelungen verabschiedet haben bzw. die, die eine weitgehendere Kürzung nicht mittragen wollten, denn eine sehr schlechte Vorgängerlösung macht eine schlechte Nachfolgeregelung nicht besser. Die bloßen Empfänger sind nicht notwendigerweise die Bösen. Hinzu kommt, dass die Regelungen maßgeblich von jener Partei erdacht und getragen wurden, die die Südtirolerinnen und Südtiroler immer und immer wiedergewählt haben. Die Entrüstung ist daher etwas heuchlerisch. Oder um Volker Pispers zu zitieren: »Das sind aber auch Deppen, die wir da immer wählen.«
Warum ist immer von »Pensionsvorschuss« die Rede?
Wenn ich die bescheidene mediale Information richtig interpretiere, handelt es sich bei den Millionenzahlungen an Kasslatter Mur, Leitner, Munter, Klotz und Co. nicht um einen Vorschuss sondern um eine Rückzahlung. Die Auszahlungen basieren doch auf der Logik, dass die Politiker in der Vergangenheit Pensionsbeiträge geleistet haben, die den sehr viel höheren Pensionen der alten Regelung entsprechen. Da die »Umsteiger« nun bei Pensionsantritt meist weniger als die Hälfte kassieren werden, haben sie über Jahre hinweg zu viel eingezahlt. Dieses Geld bekommen sie nun zurück. Wäre es ein Vorschuss, müsste sich doch auch ihre Pension — wenn sie dann schließlich das Antrittsalter erreichen — um den entsprechenden Betrag verringern. Das tut sie jedoch meines Wissens nicht. Es stellt sich in diesem Zusammenhang einmal mehr die Frage, ob das Pensionssystem ein »Beitragssystem« ist, wonach ich das ausbezahlt bekomme, was ich mit meinen Zahlungen angespart habe (was aber passiert dann, wenn ich länger lebe als das Geld reicht?) oder ob wir ein umlagefinanziertes »Versicherungssystem« haben, in dem die derzeit Beschäftigten die Pensionen der Menschen im Ruhestand finanzieren. Ein Versicherungssystem lebt auch davon, dass bei manchen der Versicherungsfall nicht eintritt — d.h. dass sie vor Antritt der Pension sterben. Man zahlt also ein, bekommt jedoch nie etwas raus. Ein echter Pensionsvorschuss wäre daher ein Irrsinn. Die Zahlung an die Politiker ist meiner Ansicht nach aber kein solcher. Interessant zu wissen wäre, ob besagtes Geld auch ausbezahlt worden wäre, wenn einer der Empfänger kurz nach Verabschiedung der Regelung gestorben wäre.
Was ist öffentliches und was ist privates Geld?
In den vergangenen Tagen wurde die Forderung laut, dass die Politiker das Geld »zurückgeben« sollten. Einige haben bereits angekündigt, dieser Aufforderung nachkommen zu wollen. Sie möchten das Geld an den Regionalrat rücküberweisen. Vielfach ist in der medialen Diskussion von »unserem Geld« die Rede. Tatsächlich werden Politiker aus Steuertöpfen bezahlt. Mit der Bezahlung wird nach meinem Verständnis das öffentliche Geld jedoch zu privatem Geld. Und mit diesem privaten Geld haben die Politiker dann auch in die Pensionskassa eingezahlt. Das »zurückgeben« impliziert irgendwie, dass ich etwas unrechtmäßig erworben hätte. Das ist hier nicht der Fall. Die ganze Angelegenheit ist mehr moralischer denn rechtlicher Natur. Der Verzicht auf privates Geld kann nur freiwillig erfolgen. Alles andere wäre Enteignung. Die Politiker müssen auf Basis ihres Gewissens entscheiden, was sie mit dem Geld machen. Wenn sie es spenden, ist das gut. Ob aber eine Parteispende, wie das SVP-Obmann Theiner vorschlägt, der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln. Obwohl es sich um privates Geld handelt, würde das einer »öffentlichen Parteienfinanzierung« nahe kommen, die bestimmt nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist.
Wieso wird dieser Family-Fonds als eine so große Errungenschaft präsentiert?
Das Geld in diesem Family-Fonds ist im Prinzip doch nur ein Kredit, den die Politiker nach der neuen Regelung gewähren. Das Geld steht ihnen nach einer gewissen Zeit nach wie vor zu. Sie kassieren meines Wissens auch Zinsen dafür. Geschenkt ist da gar nichts. Im Übrigen halte ich das für eine sehr zweifelhafte Form der »öffentlichen Finanzierung«.
Haben die Medien und die Opposition in ihrer Kontrollfunktion versagt?
Interessant ist auch, dass die Luxuspensionen erst zum Thema wurden, als sie »entschärft« werden sollten. Und auch dabei hat es relativ lange gedauert, bis die Öffentlichkeit Wind bekam. Sowohl Medien als auch Opposition waren bis zum »Aufschrei« vergangene Woche verdächtig ruhig.
Zusatzfrage: Wieso hängt die Höhe der Zahlungen von der Lebenserwartung ab?
Wie gesagt, ich erhebe mit meinen Feststellungen nicht den Anspruch auf Unfehlbarkeit. Vielmehr möchte ich Antworten auf diese Fragen, denn davor sehe ich mich außer Stande, mir ein endgültiges Urteil zu bilden (was aber sehr viele im Lande offensichtlich trotzdem schon getan haben). Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum die Höhe der Auszahlungen von der Lebenserwartung abhängig ist und nicht ausschließlich von der Anzahl der Jahre, in denen eingezahlt wurde. Die Berücksichtigung der Lebenserwartung macht einen Teil der Zahlungen doch tatsächlich zu einem Vorschuss.
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