In Italien wird derzeit niemand im öffentlichen Diskurs auch nur annähernd sosehr mit der sogenannten Erneuerung in Verbindung gebracht, wie der neue PD-Vorsitzende Matteo Renzi. Um herauszufinden, wie sich der Staat während der kommenden Jahre wandeln könnte, ist es also durchaus sinnvoll, auf Renzis Vorschläge zu hören: So hat er kürzlich, als Teil seines Programmes, vorgeschlagen, den 5. Teil der italienischen Verfassung zu reformieren, der die lokalen Körperschaften (Gemeinden, Provinzen, Regionen) und ihr Verhältnis zum Staat regelt. Klare Ansage: Einige Zuständigkeiten, die in letzter Zeit an die Regionen übertragen worden seien, müssten — so Renzi — zurück an den Zentralstaat. Konkret nannte er etwa den Energiebereich.
SVP-Senator Karl Zeller verlautbarte, dies werde Südtirol nicht betreffen, da unserem Land die Zuständigkeit für die Energie gesondert übertragen wurde, und zwar bevor sie auch alle anderen Regionen erhalten haben. Wahrscheinlich hat er damit Recht, sicher ist in diesem Staat — wie wir gerade während der letzten Jahre schmerzlich erfahren mussten — jedoch nichts.
Ebenso wichtig wie die Verteidigung unserer Zuständigkeiten ist jedoch die künftige Entwicklung dieses Staates — und da scheint sich links wie rechts sehr vieles in Richtung Rezentralisierung zu bewegen. Spätestens seit Mario Monti wurde die Wirtschaftskrise genutzt, um zaghafte föderalistische Experimente zurückzunehmen, die Machtkonzentration in Rom zu stärken und über die Lokalkörperschaften rücksichtslos »drüberzufahren«.
Dass Südtirol aufgrund seiner Autonomie besser dasteht, ist zweifelsohne richtig. Trotzdem wird eine derartige gesamtstaatliche Entwicklung unsere Bestrebungen nach mehr Eigenständigkeit konterkarieren. Schon jetzt nämlich zeigen angrenzende Regionen, vor allem Venetien, dass sie nicht gewillt sind, zusätzliche Ungleichbehandlungen hinzunehmen. Wenn aber der Trend weiter eindeutig in Richtung zentralistischem Einheitsstaat geht — und dieser Kurs sogar von einem Erneuerer und Hoffnungsträger mitgetragen wird — sieht es für die Hoffnungen auf mehr Autonomie, ja sogar »Vollautonomie« ziemlich schlecht aus.
Weder kann Südtirol die Umwandlung Italiens in einen föderalistischen Staat bewirken, noch ist dies unsere Aufgabe. Wenn aber die Vorstellungen in Hinblick auf Eigenregierung und Subsidiarität so diametral unterschiedlich sind, wäre es an der Zeit, endlich ernsthaft über Alternativen zu sprechen und die BürgerInnen entscheiden zu lassen.
Verschiedentlich war in letzter Zeit — besonders im Internet — zu lesen, eine Rezentralisierung der Energie wäre gar keine schlechte Idee, da Südtirol doch mit der SEL-Affäre gezeigt habe, mit diesem Bereich überfordert zu sein. Hierzu einige Überlegungen:
- Der Staat hat über Jahrzehnte unsere natürlichen Ressourcen ohne wirkliche Entschädigung und Beteiligung Südtirols ausgebeutet. Die »Heimholung« der Energie war also ein längst überfälliger Schritt, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
- Kein Land der Welt, auch nicht der Weltmeister Dänemark, ist völlig frei von Korruption. Wird irgendwo ein Fall von Miss- und Freunderlwirtschaft öffentlich, ist es wichtig, ihn restlos aufzuarbeiten und die Betroffenen zur Verantwortung zu entziehen.
- Italien ist kein Land der absoluten Transparenz und Legalität, weshalb eine Rückgabe oder Rücknahme der Zuständigkeit ohnehin keine Garantie für weniger Korruption wäre. Statistisch gesehen wohl eher das Gegenteil.
- (Halb-)Freiwillig eine Zuständigkeit zurückzugeben, nur weil es einen Korruptionsfall gegeben hat, würde nicht nur von demokratischer und rechtsstaatlicher Unreife und Unfähigkeit zur Übernahme von Verantwortung zeugen — man würde damit auch das Kind mit dem Bade ausschütten, denn
- wenn wir von Autonomie und Eigenregierung sprechen, müssen wir uns einig sein, dass niemand so gut über die Bedürfnisse der Südtiroler bescheid weiß und in ihrem Sinne entscheiden kann, wie unsere eigenen Politiker (solange sie nicht korrupt sind, doch darüber zu wachen ist auch unsere Aufgabe).
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