Der Begriff Erneuerung wurde im Wahlkampf arg strapaziert. Damit er jetzt nicht in Vergessenheit gerät, einige Vorschläge, wie Südtirol reformiert werden könnte:
- Zuallerst natürlich sollte in Südtirol vorurteilsfrei über die politische Zukunft diskutiert und abgestimmt werden können. Im Vordergrund sollte dabei die Frage stehen, ob das derzeit gewählte politische Modell einer autonomen Provinz im Nationalstaat Italien zukunftsfest ist; dabei sollten alle Alternativen analysiert werden, um letztendlich ein innovatives politisches Modell anzustreben, welches eine hohe partizipative und demokratische Teilhabe, Stabilität und Perspektive garantiert.
- Neben der Absicherung der politischen Zukunft bedarf es einer schonungslosen Analyse des wirtschaftlichen Status Quo. Im Vordergrund müssen dabei das nachhaltige Wirtschaften und die Generationengerechtigkeit stehen. Wir sind an einem Wendepunkt angekommen, bereits heute haben in Italien die Jungen aufgrund schlechter Ausbildung, wirtschaftlicher Misere und Zweiteilung des Arbeitsmarktes (sicher/prekär) wenig Perspektive. Dass sich diese Situation auch in Südtirol weiter verbreitet, muss entgegengewirkt werden. Die skandinavischen Länder könnten hier als Vorbild dienen.
- Unser Bildungssystem muss hinterfragt werden, Ziel muss es sein, die Kernkompetenzen Lesen/Schreiben/Rechnen zu stärken. Ein besonderes Augenmerk muss dabei auch auf die frühzeitige Förderung naturwissenschaftlicher Kompetenzen gerichtet werden. Ein effektiverer Zweitsprachunterricht Deutsch/Italienisch ist vonnöten.
- Ein politisches Modell muss verfolgt werden, welches die weitestgehende Selbstverwaltung und -gestaltung der Einnahmen und Ausgaben ermöglicht. Solange wir nicht selbst für die Besteuerung und Einhebung verantwortlich sind, wird sich in der Bevölkerung nie eine Sensibiliserung bezüglich der Ausgaben einstellen. Das Geld im Landeshaushalt kommt nicht »aus Rom«, sondern ist unser aller Geld, welches verantwortungsvoll ausgegeben werden muss.
- Das Gießkannenprinzip muss ein Ende haben, es gibt wenige Sektoren in Südtirol, die nicht durch Beiträge und Subventionen oder Steuerbegünstigungen am Gängelband der Politik gehalten werden. Dadurch leidet die Konkurrenzfähigkeit und es werden ineffiziente Strukturen gefördert. Die direkten und indirekten Förderungen müssen abgebaut und nur mehr ausgewählte, strategische Bereiche gefördert werden, vor allem auch innovative Kleinstunternehmen, die bisher durch hohen Steuerdruck und rigide Vorschriften in ihrer Entfaltungsmöglichkeit eingeschränkt sind.
- Die Besteuerung muss auf einer einfachen und gerechten Grundlage für alle erfolgen. Es darf keine Sonderbehandlung für einzelne Sektoren geben, z.B. muss ein Bauer derselben Besteuerung unterliegen wie jeder andere Unternehmer auch; wer wenig verdient zahlt wenig Steuern, wer viel verdient soll seinen Beitrag zur Finanzierung unserer Gesellschaft leisten. Gemeinwirtschaftliche Leistungen, wie Landschaftspflege, müssen abgegolten werden.
- Investitionen müssen einem strengen Kosten/Nutzen-Prinzip folgen. Wir können es uns nicht mehr leisten, sündteure Projekte allein aufgrund von Bezirksüberlegungen durchzuführen, währenddessen wichtigere Projekte auf Eis gelegt sind. Jedes Projekt muss einer systematischen Prüfung unterzogen werden, nur jene Projekte, die eine hohe Kosten/Nutzen-Bilanz aufweisen, sollen verwirklicht werden. Eine Reihung strategischer Investitionen sollte erfolgen. Das Straßenbauprogramm, welches in den letzten Jahrzehnten tausende Millionen Euro gekostet hat, muss überprüft werden, alternative Infrastrukturen, wie Bahnprojekte, müssen gleichberechtigt behandelt werden. Wir fahren z.B. mit unseren Zügen auf dem Streckennetz des vorletzten Jahrhunderts. Ähnliches gilt für touristische Projekte.
- Die Zweiteilung des Arbeitsmarktes in sicher/unsicher, geschützt/prekär muss überwunden werden, damit nicht in Zukunft auch noch eine Teilung in Jung/Alt erfolgt. Privilegien bzw. Benachteiligungen wie es zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor gibt (z.B. Mutterschutzregelungen) müssen abgebaut werden, indem der private Sektor aufgewertet und der öffentliche Sektor dem privaten angeglichen wird.
- Generationengerechtigkeit bzw. nachhaltiges Wirtschaften müssen Priorität erlangen. Unsere den zukunftigen Generationen gegenüber angehäuften Staatsschulden, müssen auf ein erträgliches Maß abgebaut werden.
- Eine stärkere Regionalisierung muss Einzug halten, dies kann durch eine weitestgehende Selbstverwaltung und Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn auch über Staatsgrenzen hinweg erfolgen. Es müssen strategische Partnerschaften mit anderen Regionen viel stäker gefördert werden.
- Das europäische Projekt ist nicht zu Ende, Südtirol sollte mit anderen Vorzeigeregionen zusammenarbeiten, um einen weitere Entwicklung der EU zu fördern. Im globalen Umfeld ist Südtirol zu klein, die Nationalstaaten zu schwach (siehe NSA-Spionageskandal), deshalb muss die EU im Sinne der Gründerväter endlich wieder weiterentwickelt werden, indem die Nationalstaaten überwunden und starke Regionen in einem supranationalen Rahmen der EU global handlungsfähiger werden. Südtirol sollte sich mit anderen Regionen an die Speerspitze der Eneuerer der EU stellen.
- Südtirol muss weltoffener und bunter werden. Nutzen wir die Chancen der Immigration, ohne dabei unsere Traditionen und Herkunft zu vergessen.
Die unsäglichen Diskussionen vieler selbsternannter Eliten über das provinzielle Südtirol muss ein Ende finden, Provinz ist überall, auch in Großstädten, Heimat hingegen ist ein Menschenrecht (frei nach Robert Menasse).
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