Jules Vernes’ Nautilus (Quelle: cloudster.com)
Forderungen werden im politischen Alltag gerne als “unrealistisch” abgetan. Erhält ein Vorschlag das Prädikat “unrealistisch”, ist meist auch jede weitere Diskussion darüber gebrandmarkt und zumindest für eine Seite überflüssig. Totschlag! Spiel. Satz. Und Sieg.
Paradoxerweise ist es gleichzeitig die politische Höchststrafe, wenn einem “Visionslosigkeit” vorgeworfen wird. Eine Vision ist aber per se unrealistisch. Die Diskussion zu den Themen Autonomie, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit strapaziert dieses Paradoxon in Südtirol bis zum Exzess. Deutungshoheit über die Realität versus Zukunftsvision. Politik sollte daher immer zweigestalt sein. Sie muss auf Basis der momentanen Gegebenheiten Realpolitik betreiben und gleichzeitig Konzepte für die Zukunft erdenken. Für Letzteres – und das lernen BWL-Studenten im ersten Semester wenn “Brainstorming” auf dem Lehrplan steht – ist ein Parameter absolut unumgänglich: die Ergebnisoffenheit. Diese Ergebnisoffenheit in der Zukunftsdiskussion fehlt in Südtirol. Sämtliche Vorschläge politischer Parteien zeichnen sich dadurch aus, dass sie Dinge a priori ausschließen, Tabus kreieren oder mithilfe des Prädikats “unrealistisch” Diskussionsverweigerung betreiben. Wenn ich jedoch etwas Neues schaffen möchte, muss ich nicht nur Bestehendes hinterfragen, sondern in der Folge auch Ungedachtes denken; sei es bei der Energieversorgung, beim Finanzsystem, beim Umweltschutz oder sonst einem Zukunftsthema. Fest steht allemal: Die Denkmäler haben wir den Visionären und nicht den Realisten gesetzt.
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