Heute ist wieder katalanischer Nationalfeiertag, am 11. September 1714 musste sich Katalonien den Borbonen fügen und seine weitgehende Selbstverwaltung aufgeben. Die letztjährige Diada war der Auftakt zu einem entscheidenden Richtungswechsel: Rund eineinhalb Millionen Bürgerinnen waren in Barcelona auf die Straßen gegangen, um die Unabhängigkeit zu fordern. Die bis dahin für die Autonomie innerhalb Spaniens eintretende Regierungspartei CiU unter Präsident Artur Mas lenkte ein: Im November fanden vorgezogene Neuwahlen zum katalanischen Parlament statt, damit die Bürger die Parteien auf dem Weg zur Selbstbestimmung durch ein klares Mandat stützen konnten. Während sie CiU schwächten, stärkten sie die selbstbestimmungsfreundlichen Parteien insgesamt jedoch deutlich. Seitdem läuft ein Prozess, der binnen dieser Legislatur, möglicherweise aber schon 2014, in ein Referendum oder in eine amtliche Befragung münden soll.
Während also im letzten Jahr »ganz Katalonien« nach Barcelona gepilgert war, um die Unabhängigkeit zu fordern, soll es in diesem Jahr umgekehrt sein: Vor allem die Zivilgesellschaft der Hauptstadt wird dazu beitragen müssen, dass die geplante Via Catalana ein ebenso großer Erfolg wird. Über hunderte von Kilometern soll sich ab 17.14 Uhr (in Anspielung auf das Jahr 1714) eine ununterbrochene Menschenkette vom Süden bis in den Norden des Landes erstrecken. Möglicherweise werden Bürgerinnen der jeweiligen katalanischsprachigen Nachbarregionen dafür sorgen, dass die Initiative auch im País Valencià, dem zu Frankreich gehörende Nordkatalonien und auf den Balearen fortgesetzt wird. Bereits im Vorfeld hatten Auslandskatalanen die Via Catalana in mehreren Städten Europas (Wien, Berlin, Rom, Paris, London…) und weltweit geprobt.
Organisiert wird die Initiative von zivilgesellschaftlichen Akteuren mit höchstens externer Unterstützung von Parteien. Vorbild ist die Menschenkette, die nach dem Fall der Berliner Mauer die baltischen Staaten (Estland, Litauen, Lettland) durchquerte und schlussendlich zum Zerfall der Sowjetunion beitrug. Präsident Artur Mas bezog sich in seiner diesjährigen Ansprache zur Diada auf Martin Luther King. In Südtirol würde es heißen: Südtirol ist keine baltische Republik. Die Südtiroler sind nicht mit den Schwarzen in den USA zu vergleichen.
Gleichzeitig ist gestern in der New York Times ein Artikel von Artur Mas und im britischen Guardian ein Beitrag des katalanischen Regierungssprechers Francesc Homs erschienen, um der Welt zu erklären, was in Katalonien passiert. Sowohl die Via Catalana als auch die beiden Gastbeiträge in führenden ausländischen Medien sind konkrete Beispiele für gelungene Außendarstellung, für die Projektion der katalanischen Bestrebungen in die Welt. Rund tausend Journalisten aus aller Herren Länder haben sich zur Via Catalana akkreditieren lassen.
Some in Madrid have stated that there is no possible legal path for us to vote on our future. We disagree. Our own analysis suggests a number of perfectly workable options. The issue is clearly not legal but political. If Britain could delegate powers to Scotland to conduct its independence referendum, Madrid can respond to our people’s demands with similar flexibility and imagination.
– Francesc Homs, The Guardian
Während die Katalanen darum kämpfen, ihren demokratischen Wunsch gegen demokratiehemmende rechtliche Hürden durchzusetzen, begnügt man sich in Südtirol damit, sich vorauseilend der angeblichen Aussage eines Diplomaten unterzuordnen.
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