Man stelle sich vor, um mit der Bahn von Bozen nach Trient zu gelangen gäbe es, abgesehen von einigen wenigen Zügen des Fernverkehrs, lediglich eine stündliche Umsteigeverbindung mit Umstieg in Salurn oder Mezzocorona. Weiters nehmen wir hypothetisch an, dass eine Verdichtung zum Halbstundentakt daran scheitern würde, dass der Südtiroler Zug in Salurn und der Trentiner Zug in Mezzocorona endet. Nicht gerade attraktive Bedingungen, um per Bahn die Nachbarregion zu erreichen. Wir nehmen weiters fiktiv an, dass auf Druck der Bevölkerung zwischen dem Land Südtirol und der Region Trentino als Anfang zwei Direktverbindungen vereinbart würden. Ein direktes Zugpaar morgens und eines abends. Aufgrund mangelnden Interesses vonseiten des Trentino sollte dann aber zum Fahrplanwechsel lediglich ein direktes Zugpaar angeboten werden.
Ein etwas sonderbares Szenarium. Wir würden uns zu Recht wundern, warum nicht alle Züge über die Landesgrenzen hinweg durchgebunden werden und der Zug zur halben Stunde um die wenigen fehlenden km verlängert und ebenfalls durchgebunden würde.
Das oben geschilderte Szenarium ist real, betrifft allerdings nicht das Trentino, sondern die Bahnverbindungen über den Brenner nach Innsbruck. Tatsächlich gibt es zwischen Bozen und dem Trentino werktags halbstündlich direkte Bahnverbindungen.
Um nach Innsbruck zu gelangen, gibt es, abgesehen von den 5 EC-Zügen des Fernverkehrs und den noch bis zum Fahrplanwechsel verkehrenden Korridorzügen, lediglich einmal stündlich eine Umsteigeverbindung am Brenner. Halbstundentakt gibt es keinen, da die Züge von Innsbruck lediglich bis nach Steinach verkehren.
Im Frühjahr wurden vom Verkehrsressort des Landes Südtirol zwei direkte Zugpaare von Bozen nach Innsbruck angekündigt. Im Dezember soll nun aber lediglich eine Direktverbindung Bozen-Innsbruck umgesetzt werden. Anscheinend aufgrund mangelnder Bereitschaft vonseiten des Landes Tirol, dieses Zugpaar zu finanzieren. Die Prioritäten des Landes Tirol liegen auf der Inntaltrasse, wo ein reduziertes Fernverkehrsangebot durch Regionalzug-Bestellungen ausgeglichen werden muss.
Höchst interessant und brisant dürfte in diesem Zusammenhang die Tatsache sein, dass sämtliche Regionalzüge (ausgenommen davon sind die wenigen Regionalexpresszüge, die der Staat zahlt) die von Bozen nach Trient, Ala oder Verona verkehren, von der Landesgrenze bei Salurn bis nach Trient vom Land Südtirol finanziert werden. Laut einem Schreiben der Trentiner Landesverwaltung, das vorliegt, werden in Italien die Km-Kosten nach Knoten abgerechnet. Südtirol bezahlt bis zum Knoten Trient und das Trentino bezahlt Km-Kosten für die Region Venetien. Was für das Trentino noch ein Nullsummenspiel sein mag, für Venetien einen Gewinn darstellt, ist für Südtirol ein satter Kostenpunkt. De facto bezahlen Südtirols SteuerzahlerInnen jährlich ca. 5 Millionen Euro für Züge, die auf Trentiner Gebiet verkehren.
Man könnte nun damit argumentieren, dass wir uns die Anbindung an unsere Nachbarregionen etwas kosten lassen. Dies auch deshalb, da es in Europa langsam Usus wird, dass die ehemaligen Staatsbahnen immer mehr Fernverkehrs-Leistungen auf nicht lukrativen Strecken streichen, die dann von den Regionen und Ländern in Form von Regionalzug- oder Regionalexpresszug-Bestellungen ausgeglichen werden müssen.
Es erstaunt aber die Tatsache, dass auf der einen Seite der Bahnverkehr im Trentino von Südtirol mit jährlich 5 Millionen Euro subventioniert wird, während direkte Regionalzugverbindungen über den Brenner, außer den Korridorzügen, derzeit nicht existieren. Bei einem ähnlich hohen Engagement des Landes Südtirol im Nordtiroler Bahnverkehr, gäbe es reichlich direkte Bahnverbindungen von Südtirol nach Innsbruck und teils sogar nach Kufstein oder gar Rosenheim. Aber dies stellt anscheinend keine politische Priorität dar. Lediglich bei Sonntagsreden erlebt die Zusammenarbeit zwischen Bozen und Innsbruck eine Renaissance.
Ganz am Rande soll hier noch erwähnt werden, dass ab Dezember 2013 der Morgenzug ab Bozen um 5.30 Uhr nicht mehr bis zum Brenner verkehrt. Das eh schon miserable Bahnangebot über den Brenner am wichtigen Tagesrand wird damit noch schlechter. So erreicht man ab Fahrplanwechsel nicht mehr den wichtigen 8.09-Uhr-Railjet von Innsbruck nach Wien.
München erreicht man morgens ab Bozen, bei zweimaligem Umsteigen, in halbwegs akzeptabler Art und Weise, frühestens um 12.25 Uhr. Für den Wirtschaftsstandort Südtirol völlig unzureichend.
Doch damit nicht genug. In Zukunft soll der Bahnverkehr im Trentino noch zusätzlich von Südtirol finanziell profitieren. Von den neuen Flirtzügen, die vom Land Südtirol bestellt wurden, sollen ab Fahrplanwechsel im Dezember 2013 zwei für die Verbindung Bozen-Ala eingesetzt werden. Dies bringt für das Unterland den Vorteil, dass diese Züge aufgrund des besseren Beschleunigungsverhaltens auch Margreid und Salurn regelmäßig bedienen können. Zwei Drittel der Km-Leistung erbringen diese Züge aber im Trentino, und die Amortisierung des Rollmaterials ist ein signifikanter Kostenfaktor. Dies wird auch dann nicht ausgeglichen, wenn das Trentino, so wie es vage vereinbart wurde, ab Juni 2014 zwei Flirtzüge bis nach Bozen schickt. Das Km-Verhältnis auf der Strecke Bozen-Ala beträgt nun mal 1/3 in Südtirol zu 2/3 im Trentino.
Südtirols Landesverwaltung muss sich der unangenehmen Frage stellen, warum der Bahnverkehr im Trentino so großzügig subventioniert wird, während sich auf der Strecke Bozen-Innsbruck in Zukunft in Form von Direktverbindungen nur sehr wenig entwickeln wird. Dies unabhängig davon, ob Südtirol überhaupt dafür zuständig ist, Bahnleistungen für seine Nachbarregionen zu finanzieren.
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