Der Spiegel widmete seine Titelgeschichte von Ausgabe 25/13 der zunehmend schlechter werdenden Rechtschreibung der Schüler. Ein Grund für diese Entwicklung sind laut Spiegel die Unterrichtsmethoden, welche nicht in der Lage sind, insbesondere schwächeren Schülern, eine korrekte Rechtschreibung zu vermitteln. Dahinter steckt viel Ideologie, ob den Kindern sozusagen die Rechtschreibung aufdoktriniert oder ob sie sich selbst die korrekte Schreibweise beibringen sollen, im Grunde ein altes 68er-Thema. Bei der Methode “Lesen durch Schreiben” dürfen die Kinder anfangs so schreiben, wie es ihrer Vorstellung nach richtig ist, im Laufe der Zeit sollte sich dann die Rechtschreibung von selbst ergeben. Dieser Wunsch geht allerdings nur bei besonders begabten Schülern in Erfüllung. Für alle anderen Schüler mit durchschnittlicher Begabung und bei solchen mit einer Rechtschreibschwäche ist die Methodik geradezu katastrophal:
“Deutschlands Schüler werden so zunächst systematisch zu Rechtschreibanarchisten erzogen – um sie dann mühsam wieder aus der fremd verschuldeten Unfähigkeit zu befreien. […] Lange haben Eltern das hingenommen. Doch allmählich wächst der Widerstand, Kritiker finden sich zusammen. Alarmiert von Studien, die einen erschreckenden Verfall der Orthografie bei deutschen Schülern offenbaren, warnen Linguisten und Didaktiker, Pädagogen und Hirnforscher: Vor allem Risikokinder, die in einer spracharmen Umgebung oder mit Deutsch als zweiter Sprache aufwachsen, lernen so möglicherweise nie richtig schreiben. Gleiches gilt für Mädchen und Jungs, die zu einer Legasthenie neigen.”
Der Artikel spricht mir aus der Seele, seit Jahren beobachten meine Frau und ich schlechte Rechtschreibleistungen bei unseren Kindern. Zur Zeit habe ich drei schulpflichtige Kinder, jeweils in einer Südtiroler Volks-, Mittel- und Oberschule. Alles begann mit der Einschulung unseres ältesten Sohnes vor elf Jahren. Erstmalig wurde an unserer Schule “Lesen durch Schreiben” erprobt. Anfangs waren wir recht begeistert, unser Sohn schien schnell schreiben zu lernen, die offensichtlichen Fehler sollten wir aber nicht ausbessern, denn die Schüler sollten sich ihre Rechtschreibkompetenz selbst erarbeiten. Skeptisch wurden wir in den darauffolgenden Jahren, als sich das schriftliche Deutsch unseres Sohnes angesichts der Schulstufe einfach nicht bessern wollte. In Gesprächen mit den Lehrern wurde dies als nicht weiter bedenklich eingestuft, auch wenn wir zunehmend Zweifel bekamen, ob diese Methode wirklich die gewünschten Ergebnisse bringen würde. Schlussendlich wurde unser Sohn getestet, es wurde eine durchschnittliche Rechtschreibleistung festgestellt. Er besucht nun die vierte Oberschule und leider ist das Niveau der Rechtschreibung nicht tolerierbar. Auch bei meinen anderen zwei schulpflichtigen Kindern sind die Rechtschreibleistungen im Vergleich zu unserer Generation deutlich schlechter. Seit Jahren machen meine Frau und ich auf diesen Missstand aufmerksam, ohne allerdings Gehör zu finden. Die Lehrer der Oberschule bemängeln das Niveau der Schüler, welche aus der Mittelschule kommen, die Lehrer der Mittelschule wiederum das Niveau der Schüler beim Übertritt von der Volks- zur Mittelschule.
Wir hatten und haben das Gefühl, dass die Schule auf diesem Gebiet nicht ihrem gesellschaftlichen Auftrag nachkommt. Da wir aber beide keine Pädagogen sind, konnten wir nur an die Lehrer appellieren, doch wieder mehr Wert auf die Rechtschreibung zu legen — bisher allerdings erfolglos. Das Fass zum Überlaufen brachte dieses Jahr eine Volksschullehrerin, die auf die Bitte meiner Frau nach besserer Rechtschreibkontrolle uns damit vertrösten wollte, dass sie sagte, in Zukunft sei das nicht mehr so wichtig, da bald die Computer alle Rechtschreibfehler korrigieren werden! Das war für uns der absolute Tiefpunkt, wir fragen uns, was bei diesem Berufsstand an Selbstreflexion und Berufsstolz übriggeblieben ist. Schleierhaft ist für uns auch die Rolle des Pädagogischen Institutes, welches zwar bestens besetzt ist, aber anscheinend von den Mängeln in der Schule nichts mitbekommt. Stattdessen werden an den Schulen munter weiter zahlreiche Projekte betrieben, vor lauter Kartoffelwochen, Bananenkoffer, Theater und Musicals bleibt den Schülern kaum Zeit, die Grundlagen von Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen. Im Übrigen wird kaum Knabenspezifisches gemacht, unsere Söhne haben die Volksschule mit all dem Gesang und “kindischen” Basteleien in schlechtester Erinnerung.
Ein weiterer Problemfall ist der Italienischunterricht, auch hier ist ein Fehler im System zu attestieren, allein des Durchblättern der Lehrhefte zeigt, dass diese den Vergleich mit den englischen Lehrbüchern nicht standhalten, nach mehr als 10 Jahren Italienischunterricht ist unser Sohn kaum imstande ein paar Sätze auf Italienisch zu sprechen, wohingegen Englisch, obwohl erst seit der 4. Volksschule Unterrichtsfach, deutlich besser gelingt. Unserer Meinung nach gibt es hier ein didaktisches Problem, das aus politischen Gründen nicht thematisiert wird. Viele aktive Lehrer haben unseren Eindruck bestätigt.
Was tun? Es genügt nicht mehr, diese Defizite in Expertenkreisen zu diskutieren, hier braucht es eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, wohin die Schule steuern soll. Nicht die elende Diskussion über die Fünf- oder Sechstagewoche sondern die schonungslose Offenlegung der Unterrichtsdefizite sollte im Mittelpunkt stehen. Nachdem meine Generation der Vierzigjährigen in der Schulzeit sicherlich zu wenige Schulprojekte erlebt hat, muss angesichts dieser Auswüchse und Negativleistungen eine Gegenreaktion erfolgen, eine Besinnung auf traditionelle Kompetenzen, allen voran Lesen, Schreiben, Rechnen. Ansonsten droht uns, wie mir bereits mehrfach Arbeitgeber berichteten, eine wahre Flut von kaum vermittelbaren Schulabsolventen.
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