Obschon Pierluigi Bersani nicht Ministerpräsident wurde, versicherte die SVP, dass der PD das gemeinsame Wahlabkommen einhalten würde, auch unter Enrico Letta. Die Sammelpartei, die Unabhängigkeitsbefürwortern gerne mangelnden Realitätssinn vorwirft, wurde jetzt aber einmal mehr auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt — denn wie schon das Mailänder Abkommen zwischen Staat und Land, der Bondi-Brief und das Fitto-Abkommen, scheint auch die Einigung aus dem Wahlkampf nicht das Papier wert zu sein, auf dem sie niedergeschrieben wurde.
Die Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) berichtet nämlich in ihrer aktuellen Ausgabe, dass die Regierung Letta eine wesentliche Bestimmung der Raum- und Handelsordnung, mittels derer der Detailhandel in Gewerbegebieten eingeschränkt und den Vorgaben der Gemeinden untergeordnet wird, vor dem Verfassungsgericht angefochten hat. Der Wegfall dieser Norm hätte zur Folge, dass kein direkter raumordnerischer, verkehrsplanerischer oder gewerbeordnerischer Einfluss mehr auf die Handelstätigkeit genommen werden könnte. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Richter den Passus kippen, ist äußerst hoch.
Schon deshalb erwartet die SWZ, dass bereits die Anfechtung den Wildwuchs in Südtiroler Gewerbegebieten anfachen und findige Unternehmer zum Vorpreschen animieren könnte. Wegen zu befürchtender Schadensersatzforderungen würden Gemeinden wahrscheinlich ohnehin keine Gegenmaßnahmen mehr ergreifen. Selbst wenn die Regierung noch dazu animiert werden könnte, die Anfechtung vor einem etwaigen Urteilsspruch zurückzuziehen, wäre es dann schon zu spät.
Das Vorgehen der Zentralregierung unterscheidet sich kaum von dem, woran uns Lettas Vorgänger Mario Monti gewöhnt hatte. Dem Abkommen zwischen SVP und PD widerspricht es aber gleich in zwei wesentlichen Punkten: Punkt 4 sähe unter anderem die »Wiederherstellung der primären Zuständigkeiten in den Bereichen Umwelt [und] Urbanistik« vor, während Punkt 6 die Anerkennung der Südtiroler Handelsordnung von 2012 (und ihre Absicherung in Form einer Durchführungsbestimmung) verspricht.
Stattdessen wird einmal mehr mit Füßen getreten, was unsere demokratisch gewählten Vertreter im Südtiroler Landtag beschlossen haben.
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