Vor wenigen Tagen ereigneten sich im Ortlermassiv unmittelbar hintereinander und beinahe an gleicher Stelle zwei tragische Bergunglücke, bei denen insgesamt sechs Menschen ihr Leben verloren. Die Zeitung A. Adige berichtete in ihrer Internetausgabe ausführlich über das Schicksal der zwei Dreierseilschaften aus Parma/Novara sowie aus Sterzing/Ridnaun.
Zwischen den zahlreichen Beileidsbekundungen im Kommentarbereich des Artikels sticht ein Kommentar besonders hervor. Und zwar jener des Bozner Schützenhauptmanns Arthur Bacher, der schreibt: »Dieser Berg heist [sic] “die Königspitze” und nicht la cima del re oppure gran zebru [sic]. Danke«
Wenige Minuten später kommentiert auch der Obmann des Heimatbundes und Landtagskandidat der Süd-Tiroler Freiheit, Roland Lang, den Eintrag und gibt Bacher auch noch Recht: »Gut gemacht Arthur. Sehr richtig!«
Kein Wort des Mitgefühls, kein Wort des Bedauerns. Stattdessen eine unappetitliche Pietätlosigkeit, die noch dazu auch inhaltlich völlig daneben ist, wenn wir das sprachliche Misch-Masch richtig interpretieren.
Die Königspitze befindet sich an einer Sprachgrenze und trennt das mehrheitlich deutschsprachige Suldental (Südtirol) vom italienischen Val Zebrù (Lombardei). Es ist völlig normal, dass derartige Berge von der jeweiligen Seite her unterschiedlich benannt werden und hat nichts mit »faschistischer Landnahme« à la Tolomei zu tun; so wie zum Beispiel der uns als Mt. Everest bekannte Berg im Himalaya auf nepalesischer Seite »Sagarmatha« und auf tibetischer Seite »Qomolangma« genannt wird. Beides sind legitime endonyme Bezeichnungen. Die einzig exonyme »Erfindung« ist Mt. Everest.
Ob sich Königspitze und Gran Zebrù auf denselben sagenumwobenen mittelalterlichen Feudalritter Johannes Zebrusius beziehen, oder ob die Königspitze ihren Namen ihrem mächtigen Erscheinungsbild sowie ihrer Position an der Grenze zum ehemaligen Königreich Lombardei verdankt und sich Zebrù doch aus dem lombardischen bzw. vom vorrömischen »Gimberu« (dt. Zirbelkiefer) oder gar dem keltischen »se« (dt. Geist) und »bru« (dt. Burg) ableitet ist zweitrangig und völlig irrelevant.
Ob ihres Fanatismus und ihrer Undifferenziertheit haben Bacher und Lang nämlich jegliches Augenmaß darüber verloren, was es heißt, ein Kind der Berge zu sein. Über Tugenden wie Respekt, Moral und Aufrichtigkeit — die sie nicht selten als urtypisch tirolerisch einfordern — scheinen sie selbst nicht zu verfügen.
Dass die beiden mit ihren abstrusen Kommentaren der Forderung nach einer stimmigen Lösung in der Toponomastikfrage — in diesem Zusammenhang so nebensächlich, dass es nebensächlicher nicht mehr geht! — sogar noch einen Bärendienst erweisen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Der (mehrheitlich italienischsprachigen) Leserschaft bestätigen sie nämlich das Stereotyp des fanatischen und nicht differenzierenden »Alpenguerillero«, dem es nur darum geht, alles Italienische gnadenlos zu bekämpfen. Sie zeigen sich sogar so pietätlos, Momente der Trauer für ihre Kampagne zu missbrauchen.
Uns bleibt nur noch all jenen unser Mitgefühl auszudrücken, die an diesem Tag liebgewonnene Menschen verloren haben.
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