Eine nicht ganz unerwartete Öffnung: Auch die kürzlich abgetretene Grünen-Vorsitzende befürwortet ein Referendum über den institutionellen Status Südtirols, sofern dies von allen Sprachgruppen im Lande mehrheitlich gewünscht wird. Diese Haltung sei auch durch die Auseinandersetzung mit den Ideen von zustandegekommen. Wie die Fünfsternbewegung (5SB) und die katalanischen Sozialisten (PSC) spricht sich Brigitte Foppa für eine strikte Unterscheidung zwischen Prozess (Selbstbestimmung, d.h. Abstimmung) und Ziel (Unabhängigkeit) aus. Die Bürger sollten dann das Recht haben, sich frei und demokratisch zu äußern.
Zwei Kaffees und ein Grüntee (den aber entgegen den Klischees nicht die abgetretene Grünen-Vorsitzende bestellte) — das stand auf dem Tisch bei einem gemütlichen Treffen mit Brigitte Foppa, um zu eruieren, wie es denn nun steht um die grüne Unabhängigkeit für Südtirol.
: Frau Foppa, Sie und Sigmund Kripp gemeinsam für die Unabhängigkeit Südtirols von Italien?
B.F.: (lacht) Nein, mit Sigmund Kripp verbindet mich noch am ehesten eine ökologische Lebenseinstellung, ansonsten sind wir in den meisten Fragen völlig entgegengesetzter Meinung. Auch in Sachen Unabhängigkeit. Sigmund tritt für die Loslösung vom Staat Italien ein, ich würde das nicht befürworten. Aber ich sage schon seit längerem — nicht zuletzt auch durch die Auseinandersetzung mit euren Überlegungen und nach mehreren gemeinsamen Podiumsdiskussionen samt anschließenden Biergesprächen! — dass die Grünen als basisdemokratische Partei sich nicht gegen ein eventuelles Referendum aussprechen können. Nicht umsonst ist die absolute Horrorfrage bei Diskussionen für mich immer genau diese: »Warum sind Sie für direkte Demokratie, lehnen aber eine Abstimmung über die Zukunft Südtirols ab?«.
Und wie steht es um die Diskussion darüber innerhalb der Grünen?
Nun, ein wenig habt ihr ja mitbekommen, als ich euch zur Programmwerkstatt zur Zukunft Südtirols eingeladen hatte. Der Diskurs über ein mögliches Referendum wird innerhalb der Grünen schon seit langer Zeit einfach abgelehnt. Ängste und Sorgen darüber, was ein Referendum auslösen würde, wiegen stark. Andererseits habe ich in den Gesprächen mit den Leuten gelernt, dass es nichts nutzt, von vornherein abzublocken. Blockade erzeugt nur neue Blockade. Die Grünen argumentieren dann traditionell mit einer Reihe von rechtlichen »Geht-Nicht-Gründen«, aber damit wird man dem Bedürfnis der Südtiroler Gesellschaft, drüber zu reden, nicht gerecht. Man redet an den Menschen und ihren Träumen vorbei und wirkt wie Eltern, die dem Kind sagen: »Weil nicht«. Das schafft Ablehnung, nicht Verständnis oder offenes Weiterdenken.
Trotzdem weiterhin gegen die Unabhängigkeit?
Ich glaube, dass man strikt zwischen dem Prozess der Selbstbestimmung und dem Ziel der Unabhängigkeit unterscheiden sollte, wie es auch die Südtiroler Fünfsternbewegung (5SB) oder die katalanischen Sozialisten (PSC) machen. Einen öffentlichen Diskussionsprozess würde ich sowieso akzeptieren und wünschen, ein Referendum ebenfalls, sofern von allen Sprachgruppen mehrheitlich gewünscht — das ist natürlich zwingende Voraussetzung! Übrigens gibt es immer mehr ItalienerInnen im Land, die für die Selbstbestimmung sind.
Und wie würden Sie dann abstimmen?
Ich hänge an Italien und fühle mich in diesem Land daheim. Ich würde sicher nicht für die Ablösung stimmen.
Aber wäre es denn nicht leichter, Forderungen wie das Grundeinkommen oder die mehrsprachige Schule in einem unabhängigen Land umzusetzen?
Seht ihr, als Frau der pragmatischen Lösungen würde ich die Kräfte, die ihr in die Gründung eines neuen Staates oder was auch immer einsetzt, in die Abänderung der jetzigen gesetzlichen Lage stecken und schauen, dass wir das, was wir umsetzen wollen, (z.B. Grundeinkommen, mehrsprachige Schule, Aussetzung des Proporzes…) schon bald erreichen. Ich fürchte, dass das Nachhängen dieser Vision, so plausibel und bestechend sie sein mag, uns am Ende nicht die Wirklichkeit verbessern lässt. Und das fände ich eine verlorene Chance für unser Land.
Cëla enghe: 01
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