Immer wieder hört man in Südtirol, dass die Zweitsprachkompetenz im Allgemeinen und speziell jene von Schülerinnen im Abnehmen begriffen sei. Aufgrund dieser »Einsicht« sollen dann die Landesregierung oder öffentliche Einrichtungen Maßnahmen ergreifen, die den unsäglichen Trend aufhalten. Es hat sich sogar der — wohl politisch motivierte — Topos etabliert, dass die anhaltende Debatte zur Unabhängigkeit unseres Landes die Motivation der deutschsprachigen Jugendlichen hemme, Italienisch zu lernen.
An letzteren Zusammenhang glaube ich nicht, jedenfalls nicht in einem statistisch relevanten Ausmaß. Da ich aber wenigstens wissen wollte, ob die als katastrophal dargestellte Entwicklung überhaupt stimmt, habe ich mich vor einigen Tagen an das Landesstatistikinstitut (Astat) gewandt und um belastbare Daten gebeten.
Die Antwort: Zu diesem Thema liegen nur zwei Arten der Erhebung vor, nämlich die Erfolgsquoten bei der Zweisprachigkeitsprüfung und das Sprachbarometer.
Dass die Ergebnisse der Zweisprachigkeitsprüfung — die sich im Laufe der letzten Jahre tatsächlich verschlechtert haben — für die Beurteilung der Zweitsprachentwicklung im Allgemeinen nicht relevant sein können, liegt auf der Hand: Schließlich können Veränderungen auch auf Faktoren zurückzuführen sein, die nicht direkt mit der Sprachkompetenz in Verbindung stehen. Um nur drei Beispiele zu nennen, könnten zum Beispiel ein höherer Anteil Kandidaten mit Migrationshintergrund, strengere Prüfungskommissionen oder eine im Durchschnitt weniger intensive Vorbereitung der Kandidaten auf die Prüfung zu höheren Durchfallquoten führen. Dass im verfügbaren Vergleichszeitraum (2007-2011) das Jahr 2008 gleichzeitig die niedrigste Kandidatenanzahl und in fast allen Laufbahnen die höchste Erfolgsquote aufweist, könnte diese Annahme stützen.
Das Sprachbarometer dagegen ist eine Momentaufnahme und ist als solche zur Ermittlung eines Trends ungeeignet, solange nicht wenigstens eine zweite Vergleichserhebung durchgeführt wird. Leider stammen die derzeit verfügbaren Daten aus 2004 und sind somit veraltet.
Zusammenfassend: In einem mehrsprachigen Land wie Südtirol existieren beim öffentlichen Statistikamt gar keine Daten zur Entwicklung der Zwei- und Mehrsprachigkeit im Mehrjahresvergleich. Das ist einerseits ein unerklärliches und schwer zu rechtfertigendes Manko — andererseits lässt sich damit die Aussage, die Zweisprachigkeit in Südtirol sei rückläufig, weder bestätigen, noch widerlegen. Dies wäre jedoch unbedingt erforderlich, um eine seriöse Sprachpolitik auf den Weg zu bringen, die nicht auf Topoi und Vorurteilen fußt.
Cëla enghe: 01
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