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Florian Kronbichler, Kandidat der SEL (Sinistra, Ecologia, Libertà) und der Südtiroler Grünen stellte sich zwei Tage nach seiner Wahl in die römische Abgeordnetenkammer den Fragen von nachgefragt 2.0-Mastermind Klaus Egger.
Was recht vielversprechend begann, endete mit einigen haarsträubenden Aussagen, die das liberale, öko-sozialdemokratische, grüne und weltoffene Herz beinahe zum Stehen gebracht hätten.
Kronbichlers Vorhaben, die grüne Kernidee Umweltschutz trotz bzw. gerade wegen der Krise vehement vertreten zu wollen, klingt hoffnungsvoll und wohltuend, nachdem so viele eherne Prinzipien bereits auf Montis Altar der Krisenbewältigung geopfert wurden. Umweltschutz ist kein “Luxusproblem”. Investitionen in den Umweltschutz sind essentiell – und langfristig gesehen auch ökonomischer. Eine Spar- bzw. Anti-Krisenmaßnahme sozusagen.
Ebenfalls zustimmen kann man Kronbichlers Feststellung, wonach die Märkte uns schlecht regiert hätten und man ihnen weniger Gehör schenken sollte. Vielmehr bedürfe es des Respekts gegenüber der Politik, die das Heft wieder in die Hand nehmen müsse, und des Respekts gegenüber dem Wahlergebnis. Auch DIESEM Wahlergebnis.
Unglücklicherweise offenbart Flor in weiterer Folge des Gesprächs jedoch einige verstörende Ansichten. Ich verstehe jetzt auch, was er gemeint hat, als er kürzlich in einem TAZ-Gespräch mit Pius Leitner sagte: “Ich bin nur so bescheiden, sagen zu können, dass ich fast alle Programme unterschreiben könnte — mit Ausnahme des Freistaats von Pius Leitner.” Kronbichler verabscheut also die Idee des so genannten “Freistaates”, scheint aber in anderen Belangen mit den Freiheitlichen ganz auf einer Linie zu liegen und deren Programm unterschreiben zu können. Eggers Frage nach Maßnahmen zur Integration neuer Südtirolerinnen und gegen Ausländerfeindlichkeit beantwortet er nämlich mit “Ordnungspolitik!”. Er erliegt also dem latent rassistischen Reflex, Integration als primär sicherheitspolitische denn sozialpolitische Frage zu sehen. Dieser Reflex impliziert die Norm des kriminellen Zuwanderers und die Ausnahme des rechtschaffenen. Grundmisstrauen statt Annäherung also. Wahrlich kein Klima, in dem ein respektvolles Zusammenleben auf Augenhöhe gefördert wird. Kronbichler legt dann noch eins nach und propagiert Maßnahmen, damit Südtirol für Zuwanderer unattraktiv wird, anstatt Wege zur Bekämpfung der Ursachen von Flüchtlingsströmen und wirtschaftlicher Katastrophen aufzuzeigen. Einem grünen Kandidaten fällt also zur zentralen Zukunftsfrage Integration nur Abschottung ein!?
Ähnlich abwegig ist Kronbichlers Antwort auf die Frage warum ein Befürworter von Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie gegen eine Abstimmung über den zukünftigen institutionellen Status Südtirols ist. Nicht genug, dass Flor eine mögliche demokratische Willensbekundung mit dem perversen Spiel zweier Diktatoren gleichsetzt (Option) und auch jetzt schon genau weiß, dass ein unabhängiges Südtirol notwendigerweise ins Verderben führt (warum eigentlich?), so befindet er auch, dass man nur über “realistische Dinge” Abstimmungen abhalten sollte. Erstens ist Realismus keine politische Kategorie und zweitens würde mich dann interessieren, wer bestimmt, was realistisch ist und was nicht. Wenn ein (gesetzlich festgelegter) Bestandteil der Bevölkerung es wünscht, in einer Urabstimmung über eine Sachfrage befinden zu wollen, dann möge man das bitte tun dürfen. Wie meinte der Abgeordnete Oriol Junqueras von der sezessionistischen Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens) einmal in Richtung Alicia Sánchez-Camacho vom unionistischen Partit Popular de Catalunya über den Unterschied zwischen ihren beiden Positionen: “So wie ich alles tun werde, damit Sie und alle, die mit Nein stimmen wollen, mit Nein stimmen können, hätte ich gerne, dass sie alles tun würden, damit ich und alle, die mit Ja stimmen wollen, mit Ja stimmen dürfen!” Wie sich jemand die Zukunft seines Landes vorstellt ist Wunsch und Meinung zugleich. Kronbichler schätzt jedoch seine Wunschvorstellung und seine Meinung (nämlich den Status quo beizubehalten) als höherwertig ein und möchte keinen demokratischen Wettstreit der Ideen zulassen. Warum aber das “Unbehagen” derer, die aufgrund dieses Unbehagens einen demokratischen Prozess verhindern möchten, gewichtiger ist, als das “Unbehagen” jener, die ein solches wegen der verwehrten Möglichkeit einer demokratischen Willensbekundung verspüren, verstehe ich nicht.
Zu guter letzt gibt Flor noch die Schuld am Erfolg Berlusconis dessen “elitären” Gegnern, die ihn immer wieder kritisieren und lächerlich machen. Dann ist wohl auch Kronbichler “schuld” am Erfolg der Freiheitlichen, wenn er deren Modell des “Freistaates” als Koller, der vergeht oder einen Rausch, den man ausschlafen kann, bezeichnet?
Cëla enghe: 01
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