Florian Kronbichler, der erst neulich zu mehr »Autonomiepatriotismus« aufgerufen hatte, stellt heute in seiner täglichen TAZ-Kolumne »das Letzte« genüsslich die Frage, ob man denn das Ende der Autonomie einst auf Monti oder auf den SEL-Skandal datieren werde.
Derartiges ist letzthin häufig zu vernehmen, etwa von Verfassungsexperten, die uns weismachen wollen, wir müssten uns die Autonomie »verdienen« (davon steht weder im Pariser Vertrag noch im Autonomiestatut etwas, Verdienst ist ohnehin nicht messbar), oder von Oppositionellen — den Freiheitlichen zumal — die ebenfalls glauben, die SVP setze mit dem SEL-Skandal die Autonomie auf’s Spiel.
Es sei dahingestellt, ob ein großer Skandal in 60 Jahren Alleinregierung einer einzigen Partei wenig oder viel ist — nach meinem Dafürhalten in jedem Fall einer zuviel. Seine Aufklärung offenbart immerhin, wie Teile der SVP mit dem öffentlichen Gut umgegangen sind, nämlich einerseits durchaus im allgemeinen Interesse, andererseits jedoch so, als gehörte es ihnen und als seien sie niemandem Rechenschaft schuldig.
Doch genau wie die Tausende Skandale und Korruptionsfälle, die in ihrer schädigenden Wirkung weit über den SEL-Skandal hinausgehen, nicht die Souveränität Italiens anfechten, der Skandal um die Bayrische Landesbank nicht die Existenz des Freistaats und die Hypo Alpe Adria nicht jene des Bundeslandes Kärnten in Frage stellen, sondern nur die Unbescholtenheit der jeweiligen Täterinnen, so rechtfertigt auch der SEL-Skandal weder die Auflösung noch die Einschränkung der Südtirol-Autonomie. Das eine hat mit dem anderen schlicht nichts zu tun.
Die Aufdeckung der Missstände im Energiesektor ist auch nicht, wie Kronbichler hämisch nahelegt, der Sieg des »blöden walschen Rechtsstaats« über die Autonomie, sondern die Bewährung eines wichtigen und notwendigen allgemeinen Grundsatzes: jenes der Gewaltenteilung.
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