Die Tageszeitung A.Adige berichtet in ihrer heutigen Ausgabe von Indiskretionen, laut denen die italienische Sprachgruppe im Vergleich zur letzten Volkszählung von vor 10 Jahren um 0,5 Prozentpunkte zugelegt hätte. Auf Grundlage dieser nicht gesicherten Datenlage ergehen sich die einen in Jubel und die anderen in Trauer.
Vorausgeschickt, dass man eine endgültige Bewertung erst vornehmen kann, sobald die für Dienstag angekündikten Zahlen offiziell veröffentlicht werden, gilt es — wie so oft — zu differenzieren:
- Eine Zunahme von einem halben Prozentpunkt in einem Zeitraum von 10 Jahren ist, für sich betrachtet, keine nennenswerte Veränderung, sondern eine Stabilisierung. Als solche ist sie dazu angetan, den Mitbürgern italienischer Zunge mehr Vertrauen in die Eigenverwaltung zu schenken, die ja seit Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatuts immer auch zahlenmäßige Zurückdrängung bedeutet hatte. Das kann auch ihre Einbindung in weitergehende Modelle erleichtern.
- Gleichzeitig handelt es sich um eine Trendwende, die einer genauen mittel- und langfristigen Überwachung bedarf. Aus Sicht einer Minderheit in einem Nationalstaat ist der zahlenmäßige Rückgang, wie klein er auch ausfällt, stets eine negative Entwicklung. Dass auch Veränderungen, zwischen den Volkszählungen stattfinden, begleitend analysiert und ggf. angemessen auf neue Erkenntnisse reagiert wird, ist unserer oft hemdsärmlig agierenden Politik nicht ohne weiteres zuzutrauen.
- Von eminenter Wichtigkeit ist und bleibt die Integration von Zuwanderern. Schafft man es nicht, sie als mehrsprachige Südtiroler zu integrieren, zeichnet sich eine explosive Situation ab — und der Zentralstaat scheint es darauf ankommen lassen zu wollen. Ein sehr großer Teil der neuen Südtiroler hat diesmal nicht an der Erhebung der Sprachgruppen teilgenommen, da nur
EU-italienische Staatsbürger berücksichtigt wurden. Auch die noch nicht berücksichtigten Menschen leben jedoch schon hier und werden spätestens dann auch statistisch erfasst, wenn sie die Staatsbürgerschaft erlangen. - Gleichzeitig ist es fundamental, an der Mehrsprachigkeit aller Südtiroler zu arbeiten, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land zu verbessern. Hier könnte man — auch angesichts der vorhandenen Defizite — eine adaptierte Form der katalanischen Immersion (einschließlich der erforderlichen Begleitmaßnahmen) andenken.
Nicht zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass die Sprachgruppenzugehörigkeit eine sehr grobe, der Erfüllung der Proporzbestimmungen geschuldete Erfassung ist. Es wäre jedoch an der Zeit, nach Vorbild anderer mehrsprachiger Realitäten auch andere Kennzahlen verstärkt in die politische Planung miteinzubeziehen, etwa die tatsächlichen Sprachkenntnisse, die Schülerzahlen nach Schulmodell und andere Daten aus dem Sprachbarometer, die die reale Situation viel sorgfältiger wiedergeben. Dazu müssten solche Studien jedoch wesentlich öfter durchgeführt werden.
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