Erst am 2. Mai war hier die Missachtung von Zweisprachigkeitsbestimmungen durch das Bozner Landesgericht bemängelt worden, auch und gerade in sprachlich sensiblen Bereichen wie die Ausstellung von Sprachgruppenzugehörigkeitsnachweisen. Rund einen Monat später wurde dieser Dienst nun gänzlich eingestellt: Aufgrund von Überlastung hat Gerichtspräsident Heinrich Zanon veranlasst, keine Bescheinigungen mehr auszustellen. Die knappe Personaldecke reiche nicht aus, um rund 15.000 Anfragen im Jahr abzuarbeiten. Der Staat ist — wie im Falle der Gerichtsübersetzer — seit Jahren außerstande, die erforderlichen Planstellen zu besetzen.
Die hohe Anzahl an Anfragen zeigt jedoch auch, wie dringend die Aufrechterhaltung des Dienstes ist. Die vom Gericht auszustellenden Bescheinigungen sind erforderlich, um in Südtirol an öffentlichen Stellenausschreibungen teil- oder eine Sozialwohnung in Anspruch zu nehmen. Dass sie nun nicht mehr ausgestellt werden können, birgt gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten großes Spannungspotenzial.
Es ist jedoch an und für sich skandalös, dass in unserem angeblichen Vorzeigeland essentielle öffentliche Dienste nicht mehr garantiert werden können. Es liegt erst wenige Wochen zurück, dass der Staat aus Geldmangel die Erneuerung von Führerscheinen vorübergehend einstellen musste.
Jetzt werden Stimmen laut, die Ausstellung der Bescheinigungen den Gemeinden zu übertragen. Dabei war der Dienst seit Abschaffung der Präturen 1999 bis 2005 schon einmal Zuständigkeit der Kommunen und wurde dann — wenn ich mich recht entsinne — vor allem auf Druck der italienischen Rechtsparteien des Vereins Convivia, der den Lokalkörperschaften nicht traute, ans Gericht übertragen.
Jeder Schritt, der Bürger und Verwaltung annähert, ist freilich zu begrüßen. Wenn Land und Gemeinden dem Staat jedoch stets die Kastanien aus dem Feuer holen, wird eine Grundsatzdiskussion über die Gesamtsituation verzögert: Solange die Justiz nicht ans Land übertragen wird, werden die leidigen Probleme wohl fortbestehen.
Scrì na resposta