Eine »Reifeprüfung« für die Autonomie wurde sie bereits genannt, die Steuerhoheit. Gekommen ist sie aber nie, und dies, obschon sie eine zeitlang zum Greifen nah schien. Doch gerissen hat sich niemand darum, denn nichts verpflichtet so sehr zur Verantwortung. Wer vom Steuerzahler Geld verlangt, der muss dafür auch geradestehen.
Eine paradoxe Situation: Das Land behält rund 9/10 der hier eingehobenen Abgaben ein oder bekommt sie vom Staat zurücküberwiesen. Der Rest deckt mehr schlecht als recht unseren Mitgliedsbeitrag für Heer, Polizei und andere ineffiziente Dienste. Obschon also fast das gesamte Steueraufkommen in die Landeskassen fließt, kann Bozen in Steuerfragen nur im Detail mitreden. Die große Steuerpolitik wird in Rom gemacht, wenngleich dort höchstens Brosamen ankommen.
Die Voraussetzungen wären also ideal, um mit Rom einen Deal auszuhandeln: Soundsoviel zahlen wir fürs Dabeisein und – meinetwegen – für die Abtragung der Staatsschuld, den Rest regeln wir eigenständig.
Das hieße vermutlich Steuersenkungen, denn nichts rechtfertigt in einem reichen Land wie Südtirol die hohe italienische Abgabenlast. Wer gewohnt ist, das Landessäckel ganz weit aufzuhalten, dem ist diese Perspektive freilich unangenehm. Blieben die Sätze gleich hoch, würden die Bürger aber weniger Verschwendung und bessere Dienstleistungen einfordern.
Man könnte vielleicht eben mal das Sozialsystem absichern, die Kaufkraft der Bürger verbessern, innovative Firmen ansiedeln und verhindern, dass Südtiroler Topunternehmen der Reihe nach ins benachbarte Ausland abwandern.
Es hat mich immer schon gewundert, warum Südtirols Wirtschaftsverbände nie klar und unmissverständlich die Steuerhoheit – geschweige denn die Unabhängigkeit vom italienischen Wirtschaftsdesaster – gefordert haben. Jetzt haben sie es getan. Kleinlaut, aber doch. Dieter Steger, Direktor des Verbandes für Kaufleute und Dienstleister:
“Diese hohe Staatsverschuldung schränkt den Handlungsspielraum für unbedingt notwendige Reformen sehr stark ein. Während die anderen europäischen Staaten, deren Verschuldungsquote um die 60 Prozent liegt, die notwendigen Reformen vorantreiben, tritt Italien auf der Stelle und gerät dadurch wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen”, so Steger.
“Im Anbetracht dieser Entwicklung wird Südtirol mit seinen Autonomiebestimmungen zunehmend zum Luxus für Italien, den es sich nicht mehr leisten kann. An diesem Luxus wird der Staat in Zukunft vermehrt versuchen den Sparstift anzusetzen. Wenn wir daher unseren Wohlstand und die Vollbeschäftigung sichern und die hohe Lebensqualität in Südtirol erhalten wollen, muss der Weg zu einer Steuerautonomie für Südtirol konsequent angegangen werden”, meint Dieter Steger abschließend.
Erschienen bei Südtirol Online am 12.03.2008.
Mit dem neuen Autonomiestatut hat Katalonien die Schaffung seiner eigenen Steuerbehörde in die Wege geleitet. Eine staatliche Einnahmen-Agentur gibt es dort nicht mehr. Ein erster Schritt, denn völlig autonom kann auch Barcelona nicht über seine Steuern befinden.
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