Gerne übernehme ich, auf Étrangers Anregung, dessen Gespräch mit Hans Karl Peterlini in originalsprachlicher Fassung. Hier geht es zum übersetzten Text, so wie er in der Lokalbeilage des Corriere della Sera erschienen ist.
Hans Karl Peterlini, scrittore di confine
Che cosa distingue un giornalista da uno scrittore? Apparentemente la risposta è facile. Il primo scrive articoli che durano il tempo di una veloce lettura, prevale un contenuto informativo, e il giorno dopo sono già quasi dimenticati. Gli articoli di un giornale sono “foglie destinate a perdersi sull’acqua”, diceva sornione Umberto Eco. Uno scrittore invece scrive dei libri, cioè oggetti culturali generalmente più “solidi”, fatti per durare, e nei quali si allude ad una stratificazione di senso che il linguaggio artistico della prosa dovrebbe rendere manifesto. Ovviamente la distinzione appena tracciata è molto labile. Il confine tra i due profili poroso. Esistono giornalisti che hanno scritto bellissimi libri e scrittori che sono abilissimi giornalisti. Si possono leggere articoli stratificati e densi come una pagina di un romanzo e libri che presentano una tale facilità di esecuzione e sono così ricchi d’informazioni da risultare fluidi come un articolo di giornale. Hans Karl Peterlini è sicuramente un autore per il quale è possibile affermare che il confine tra giornalismo e letteratura sia particolarmente sottile. Anzi, considerato il suo prevalente ambito d’interessi (la storia locale), bisogna aggiungere che egli rappresenta uno scrittore di confine tout court. Per questo motivo sarebbe anche auspicabile che i suoi libri venissero tradotti in italiano e resi così accessibili ad un pubblico più vasto.
Hans Karl Peterlini, sei noto come giornalista (hai guidato per anni la redazione del settimanale “FF”) e come autore di libri sulla recente storia del Sudtirolo. La sensazione è che queste due attività non si siano sviluppate completamente in parallelo, ma che dalla prima sia progressivamente sbocciata la seconda. Si tratta di un’impressione sbagliata?
Nein, der Eindruck stimmt, wenngleich das Bedürfnis nach Vertiefung von Anfang an da war. Mein erstes Buch habe ich 1992 geschrieben, das war “Bomben aus zweiter Hand”. Ich stand damals mehrere Jahre ziemlich ausgesetzt an der Front der Ermittlungen und Recherchen zu den Attentaten der 80er Jahre, eine Enthüllung jagte die andere, vor allem als die Affäre Gladio platzte. Der Überblick ging verloren. Ich habe mein Buch immer nur “Dokumentation” genannt, ich hatte einfach das Bedürfnis besser zu verstehen, klarer zu sehen, die Dinge in einen größeren Rahmen zu stellen. Und dieses Bedürfnis wurde umso größer, je stärker der Haupttrend im Journalismus – mit einigen löblichen Ausnahmen – in Richtung schneller, hektischer, oberflächlicher Information ging. Die Kollegen begannen zu witzeln, dass meine Artikel immer länger würden – das Buch ist da eine geeignete Form. Allerdings hat auch mein Verleger Gottfried Solderer jüngst schon gescherzt, wenn ich von 200 Seiten spreche, müsse er vorsichtshalber mit 400 kalkulieren. Ich möchte einfach die Themen ernst nehmen, die ich behandle.
Anche alla luce della tua esperienza di caporedattore di una testata che ha sempre cercato di esercitare il diritto/dovere della critica, come caratterizzeresti il panorama editoriale sudtirolese?
Südtirol trägt an einem Fluch, der zugleich seinen Reiz ausmacht: es ist ein sehr, sehr kleines Land. Ein Mikrokosmos, wunderbar zu erforschen und zu erzählen, hier lässt sich Geschichte, lässt sich Soziologie, lässt sich Politik, lässt sich Konfliktarbeit wie in einem Reagenzglas betrachten, man kann ins Kleine gehen, kann vertiefen. Aber es gibt es ein Aber. Für alles, was man hier macht, sind die Grenzen sehr eng gezogen. Der Markt ist klein, das Themenangebot ist klein, die politische Bühne, über die der Journalismus schreibt, ist ein Billardtisch, die Kugeln, die darauf herumrollen und sich stoßen, sind immer dieselben, die Werbekunden sind dieselben Leute, über die man schreiben sollte. Auf der einen Seite bringt dies das Risiko einer ständigen Selbstüberschätzung dessen, was hier passiert, eine Aufblähung. Und andererseits herrscht Erstickungsgefahr. Deshalb finde ich jede Anbindung Südtiroler Medien an größere Realitäten wichtig. Der Corriere ist für mich ein wichtiges Experiment, auch wenn es zugleich alle Schwierigkeiten des Marktes offensichtlich macht. Südtirol ist wie jeder Regionalmarkt, die Platzhirsche grasen alles ab, für den Rest bleiben ein paar Heubüschel.
In Sudtirolo, terra plurilingue, a qualcuno viene ogni tanto in mente di pubblicare un “foglio” redatto per l’appunto in più lingue. Questo anche per contrastare il meccanismo di ripiegamento all’interno dei diversi gruppi linguistici che poi, inesorabilmente, porta ad una comunicazione incapace di offrire alla popolazione locale uno specchio nel quale essa possa riconoscersi come appartenente ad uno “stesso” territorio. Che cosa impedisce, a tutt’oggi, la realizzazione di un grande progetto editoriale plurilingue?
Eine kleine Gruppe hat im vorigen Jahr versucht, das Projekt “etcetera” zu lancieren, ausgegangen ist die Idee von Aldo Mazza, Edi Rabini, Toni Colesselli, Reinhard Cristanell und anderen, ich wurde beigezogen und fand die Herausforderung spannend, auch wenn ich selbst nicht mehr “an die Front” zurück möchte. Wir haben eine Angel ausgeworfen, und gemeldet haben sich sehr viele intelligente Leute aus dem Südtiroler Kulturleben, viele junge Leute beider Sprachgruppen – eine viel versprechende Basis. Wer sich nicht gemeldet hat, war bisher leider die Wirtschaft. Anderen Initiativen ist es ähnlich ergangen, denken wir nur, dass Riccardo Dello Sbarba in der FF geschrieben hat und dann nicht mehr ersetzt wurde, ich habe einiges versucht, aber es gelang nicht, eine zukunftsträchtige Basis zu entwickeln. Die deutsche Seite im Alto Adige ist weggespart worden. Es hat wohl auch mit dem Effizienzdrall im modernen Medienwesen zu tun, es gibt immer weniger Bereitschaft von Verlegern, auf eine Idee zu setzen, sie wachsen zu lassen. Das hat früher den großen Journalismus ermöglicht, denn manche Saat braucht Zeit. Heute wird weggespart, was nach einigen Monaten nicht schon Auflagensteigerung oder, noch wichtiger, ein Plus an Inseraten bringt.
Veniamo adesso a considerazioni di carattere storico. Semplificando e riducendo all’osso la questione, possiamo dire che il grande racconto con il quale i sudtirolesi di lingua tedesca hanno interpretato l’evoluzione dell’autonomia è quello di una progressiva emancipazione dalla sfera d’influenza di uno Stato giudicato sempre come “occupante”. Per gli altoatesini, invece, questa stessa evoluzione ha finito per rendere in un certo senso più evidente la loro emarginazione, condensata poi nella formula giornalistica ma anche sociologica del “disagio”. Tu hai cercato di parlare di questa doppia chiave di lettura in un libro: “Wir Kinder der Südtiroler Autonomie”. Qual è il senso della tua analisi?
Das Problem wird gern mit linearer Kausalität betrachtet. Dann heißt es: Die Italiener haben versäumt, auf den Autonomiezug aufzuspringen, jetzt schauen sie hinterher, selber schuld. Und umgekehrt: Die Deutschen haben uns übervorteilt, sie haben uns mit der Autonomie zur Minderheit gemacht. Wir wissen aus den Sozialwissenschaften, dass solche Entwicklungen zirkulär sind, dass das Ei nicht nur das Produkt der Henne ist, sondern auch deren Ursprung. Versäumnisse, Übervorteilungen, Ausgrenzungen und Selbstausgrenzungen gehen Hand in Hand. Mit der Schuldfrage kommen wir nicht weiter. Die Frage muss lauten: Was können die Deutschen gewinnen, wenn sich die Italiener auch wohl fühlen in der Autonomie? Was können die Italiener gewinnen, wenn sie sich auf die Geschichte, die Kulturen, die Sprachen dieses Landes einlassen. Im Grunde tragen wir an einer doppelten Erblast: Die Deutschen mit dem Andreas-Hofer-Erbe, dieses Land gegen alles Fremde verteidigen zu müssen, die Italiener mit der Last der Eroberer, die an einem Sieg festhalten, um sich hier daheim fühlen zu können, während das Loslassen des Sieges ihnen das Land viel leichter öffnen würde. Im Grunde halten sich ein Verteidigungsmythos und ein Eroberungsmythos gegenseitig in Schach. Mythen sind große Erzählungen, mit denen nach Freud kollektive Traumata nur “schief geheilt” werden. Das Gegenmittel wäre die kleine Erzählung: wo kommen wir her, warum sind wir aus der Basilicata, aus Umbrien, aus Latium hierhergekommen, warum hatten wir dort keine Heimat, und warum zog meine Familie vom Berghof herunter, warum wanderte sie aus, warum sprengten unser Väter Masten in die Luft. Sich gegenseitig die eigene Vergangenheit erzählen ist der Ausweg aus der Schuldzuweisung. Das wäre mein Traum nach dem Journalismus: in Bozen eine Erzählgruppe zu bilden, mit Menschen aller Gruppen – Einwanderer eingeschlossen –, die sich ihre Herkunft und ihr Hiersein erzählen.
Alla fine dell’anno appena trascorso, hai dato alle stampe due libri incentrati su due personaggi che hanno caratterizzato il percorso dell’autonomia sudtirolese: Silvius Magnago e Hans Dietl. Leggendoli se ne ricava l’idea che sotto la superficie della storia ufficiale permanga come uno strato di possibilità latenti, che non sono giunte ad esprimersi compiutamente. Puoi cercare di illustrare questa relazione?
Magnago und Dietl sind beide Väter und Opfer des Autonomiekampfes, der unglaublich viel menschliche Kraft verschlissen hat, der Aufopferung von persönlichem Lebensglück für einen politischen Kampf verlangt und gekostet hat. In Magnago ist diese große Anstrengung zum Erfolg, zum Licht gelangt, in Dietl ist sie im Dunkeln geblieben. Die beiden hatten eine gemeinsame Herkunft, Jugend im Krieg, Hoffnung auf Befreiung Südtirols durch Hitler-Deutschland, schwere Enttäuschung, Kriegsverletzungen, ein Aufraffen nach dem Krieg im Kampf um die Autonomie. Magnago hat all dies gewissermaßen in “seinem” Paket sublimieren können, damit erlebte er einen großen Erfolg, aber letztlich auch wieder eine Einschränkung, wie immer, wenn eine Vision wirklich wird. Dietl musste seine Lebenskraft umwandeln, und es ist ihm etwas großes Unverwirklichtes gelungen, die Begründung einer Südtiroler Oppositionskultur und eines linken Patriotismus, den es in Südtirol nie gegeben hat, während er im Baskenland eine immense, wenn auch ebenfalls unterdrückte Kraft darstellt. Das Verwirklichte und das Unvollendete – dieses Nebeneinander erzählen zu können, war ein schönes Geschenk.
Hai dedicato due libri anche al tema degli attentati (“Bombenjahre”, il più recente). Qual è l’eredità di quella stagione di tensione? In che modo ha influenzato il successivo corso degli eventi?
Für mich gehören die Attentate zur Autonomiegeschichte, sie lassen sich nicht herausoperieren wie ein böses Geschwür. Damit will ich sie nicht rechtfertigen, sondern darstellen: Was hat junge Leute bewogen, in den Untergrund zu gehen, das waren die Hoffnungen, die sie hatten, was waren die Missverständnisse, denen sie erlegen sind? Und: Wie “gut” die Gewalt auch gemeint war, sie trug – wie jede Gewalt – den Keim der Eskalation durch staatliche Gegengewalt, durch Steigerung der Mittel auf Seiten der Gejagten und Gefolterten, durch Gegenterror und Geheimdienstmanöver leider von Anfang an in sich. Viele der Protagonisten jener Zeit waren unglaublich wertvolle Menschen, ich kann sie nicht verurteilen, ich kann nur mit ihnen traurig sein, dass sie keinen anderen Weg sahen.
Proviamo a riguadagnare uno sguardo dall’alto. Come vedi il Sudtirolo tra cinquant’anni? Quali cambiamenti ti auguri?
Am meisten wünsche ich mir eine Verdünnung der Außengrenzen. Südtirol hat sich abgeschottet, zuerst nach Italien, weil von dort alles Böse kam, dann von Nordtirol, von Österreich, weil es sich emanzipieren musste. Das hat uns abgesichert, aber auch klein gemacht und könnte uns provinziell machen. Hier leben zu können und zugleich an den großen Entwicklungen in Europa, in der Welt teilzunehmen, nicht mehr so fixiert sein müssen aufs Südtiroler-Sein – das ist vielleicht gar kein so verwegener Traum, die jüngeren Generationen haben den Kopf freier, scheint mir. Und dann spukt mir noch das alte Tirol im Kopf herum, ein größeres Gebiet, vom Kufstein bis zum Gardasee, dreisprachig, zwischen Deutschen und Italienern ausbalanciert, ein Raum, der atmen könnte, in dem wir europäische Tiroler sein könnten, ohne uns in Deutsche und Italiener, in Trentiner, Südtiroler, Nordtiroler aufspalten zu müssen. Ich glaube, da ist unter bösartigem Nationalismus auf beiden Seiten – denken wir an die Ermordung von Cesare Battisti durch die Österreicher – viel verschüttet worden, was eine neue, nicht mehr nationalistische Perspektive bieten könnte. Die größte Herausforderung dieses Gebietes ist der Umgang mit Fremdheit, zu lernen, dass wir so, wie wir sind, nicht vom Herrgott geschnitzt wurden wie die Grödner Korpusse, sondern selbst aus Wanderung, aus Begegnung, aus Vermischung und Verschmelzung hervorgegangen sind.
Quali sono i tuoi progetti futuri?
Ein Projekt wäre die Erforschung dieses alten Tirols. Und ich möchte weiter lernen, in einem Projekt für ein Forschungsdoktorat an der Universität in Brixen möchte ich den Südtiroler Verteidigungsmythos besser verstehen. Ich möchte Südtirol hinter mir lassen, indem ich mich durch diesen geballten historischen, psychologischen Stoff durcharbeite wie ein Nagetier oder wie ein Maulwurf, in der Hoffnung, irgendwann den Kopf im Freien zu haben. Wir haben hier die unglaubliche Chance zu lernen, wie sich historische Konflikte lösen lassen, wie Mythen umgeschrieben oder zumindest in kleinere Erzählungen gebrochen werden können, wie statt Schuldsuche ein gegenseitiges Zuhören und Erzählen angeregt werden könnte. In diesem Sinne möchte ich ein Erzähler bleiben. Journalismus war für mich immer ein Erzählen, in Zeitungen, in Büchern, vielleicht aber auch unter Menschen, in einem Zelt, auf der piazzetta vor dem Kondominium, in Kaffeehäusern … dieses Erzählen droht der Menschheit verloren zu gehen und sie braucht es mehr denn je.
Scrì na resposta