St. Peter in Villnöß, ein Dorf wie viele in Südtirol, verfügt über einen kleinen Supermarkt, eine Bäckerei und einen kleinen Elektroladen, wo man zumindest eine Glühbirne bekommt. Im Nachbardorf St. Magdalena, am Fuße der Villnößer Geisler, bietet ein Betrieb in seinem Supermarkt sogar einen recht gut sortierten Getränkemarkt an. Selbst das 600 EinwohnerInnen zählende Teis, das auch zur Gemeinde Villnöß gehört, verfügt über einen Dorfladen wo man das Notwendigste bekommt. Eine Situation wie in vielen anderen Landgemeinden Südtirols.
Wird es in Südtirol in wenigen Jahren ähnlich aussehen, wie in bestimmten europäischen Ländern, wo Orte mit etlichen Tausend EinwohnerInnen über keinerlei Infrastruktur verfügen und die Funktion von reinen Schlaforten ausüben? Zum Einkaufen fährt man dort längst ins Kaufhaus auf der grünen Wiese.
Wenn es nach dem Liberalisierungsgesetz des neoliberal orientierten Ministerpräsidenten Monti geht, dann steht auch Südtirol eine Revolution bevor. Mit teils überalteten Rezepten aus der Blütezeit des Neoliberalismus — laut Prof. Tappeiner wird im Begleitwerk des Gesetzesvorschlages keine wissenschaftliche Studie zitiert — soll unter anderem der Bereich Einzelhandel auf den Kopf gestellt werden. In Gewerbegebieten darf demnach in Zukunft ziemlich hemmungslos Einzelhandel betrieben werden. Die Sonntagsruhe wird genauso abgeschafft, wie Warentabellen.
Die italienische Regierung erhofft sich durch die Liberalisierungen einen signifikanten Wirtschaftsaufschwung und für die BürgerInnen niedrigere Preise. Die neoliberalen Verheißungen treten zwar selten ein, dafür besteht für Südtirol die konkrete Gefahr von verödeten Ortskernen, automobil erschlossenen Einkaufszentren in architektonisch schäbigen Gewerbegebieten und wirtschaftliche Konzentrationsprozesse mit einhergehender Oligopolisierung des Angebotes. Die Preise sinken häufig nur in der ersten Phase von Liberalisierungen, nachdem sich einige Oligopole durchsetzen steigen die Preise wieder.
Arbeitsplätze in Landgemeinden werden vernichtet, die Lebensqualität und soziale Struktur von Landgemeinden verschlechtert sich. Keine sehr nachhaltigen Szenarien. Aber für Nachhaltigkeit haben die neoliberalen Heilsbringer meist wenig übrig.
Die Diskussion über die Vor- und Nachteile von Liberalisierungen ist die eine Sache — im Falle von Südtirol verschleiert diese Diskussion allerdings recht elegant, dass wir, wie in so vielen Bereichen, die Regeln von Rom diktiert bekommen. Italien richtet seine Wirtschaftsordnung neu aus und Südtirol kann im Rahmen der staatlichen Vorgaben bestenfalls korrigierend einwirken. Dies just in dem Moment, wo die stärkste Partei des Landes die Vollautonomie zum neuen Ziel erkoren hat.
Fakt ist, dass Südtirol in den allermeisten Bereichen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Zukunft nicht selbst steuern kann. Daran ändert auch die Klausur der Landesregierung wenig. Es bleibt ungewiss, ob es noch gelingen wird, den hemmungslosen laissez faire im Einzelhandel zu unterbinden. Schon jetzt sollen sich Dutzende Großbetriebe um Einzelhandelslizenzen in Gewerbegebieten bemühen.
Nach dem Durnwalder’schen Wildwuchs in der Raumordnungspolitik würde das zentralstaatliche Liberalisierungsdiktat die Zersiedelung von Südtirols Kulturlandschaften weiter beschleunigen und in vielen Bereichen eine nachhaltige und ökologisch vertretbare Entwicklung verunmöglichen.
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