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  • Mit Segregation gegen die Segregation.

    Eine geplante und letztendlich abgelehnte sogenannte »Sonderklasse« für Schülerinnen mit geringen Deutschkenntnissen an der Bozner Goetheschule hatte kürzlich für große mediale und politische Aufregung gesorgt, unter anderem war von Segregation die Rede. Ein Vorwurf, der sich nur noch verstärkte, als Christoph Franceschini auf Salto schrieb, dass es an derselben Schule einen (elitären) Zug mit Reformpädagogik gebe, der »ausschließlich« von Kindern besucht werde, »die in der deutschen Sprache beheimatet sind.«

    Interessant ist, dass nicht wenige, die auf diese — angebliche oder tatsächliche — Segregation äußerst empört reagierten, fast reflexhaft die Forderung nach mehrsprachigen Klassenzügen wiederholten.

    Das ist einerseits sonderbar, weil unklar ist, warum Kinder, die offenbar in deutscher Vollimmersion nicht gut genug Deutsch lernen würden, um dem Unterricht zu folgen, dieses Ziel ausgerechnet in einer halbimmersiven Situation (also mit ungefähr halb so viel Deutsch) erreichen sollten; andererseits aber auch, weil mehrsprachige Klassen als Zusatzangebot nichts anderes als ein elitäres Segregationsmodell wären.

    Dies zeigen die Erfahrungen in Kanada, dem Herkunftsland der Immersion. Darauf deuten erste Erfahrungen mit dem »internationalen« Klassenzug am Realgymnasium Bozen hin, wo die Segregation allerdings von eben jenen begrüßt wird, die sie an der Goetheschule ablehnen. Und das hat nicht zuletzt auch die Sprachwissenschafterin Andrea Abel im Salto–Podcast von Wolfgang Mayr gesagt:

    Ich denke, dass mittlerweile diese Diskussionen um zweisprachige Schulzüge usw. fast schon ein Anachronismus sind. Ich bin der Meinung, dass wir uns viel stärker darauf konzentrieren sollten, wie wir der echten Mehrsprachigkeit in den Klassen gerecht werden. Dass es Zusatzangebote geben kann, für zweisprachige Kinder Deutsch-Italienisch oder für andere Gruppen, die gerne an eine Privatschule gehen möchten, in [der] auch Deutsch, Englisch und Italienisch angeboten wird — eine Art europäische Schule — oder was auch immer, ist gut und recht und funktioniert sicher auch gut. Aber aus meiner Sicht sind das tatsächlich Eliteangebote, und was wir damit erreichen ist eine zusätzliche Segregation. […] Es gibt Kinder aus dem Bozner Bildungsbürgertum, die wandern an die Pestalozzi-Schule oder an irgendwelche Schulen [ab], wo es Angebote gibt mit bestimmten pädagogischen Schwerpunkten [gibt] — Stichwort Reformpädagogik, Montessori-Angebote oder an anderen Schulen Angebote mit einem Musikschwerpunkt usw. Das sind lauter Angebote, die insbesondere von einer Bildungselite wahrgenommen werden. Teilweise, weil sie tatsächlich überzeugt sind, dass ihre Kinder besonders musikalisch begabt sind und diesen Schwerpunkt verfolgen sollen; ein zweiter Grund ist allerdings auch der, dass eine bestimmte Bildungselite bewusst Schulen oder Schulzüge vermeiden möchte, in denen die Mehrsprachigkeit [durch Schüler:innen mit Migrationsgeschichte] zunimmt.

    Andrea Abel, Sprachwissenschafterin (Eurac/Uni Bozen), im hörenswerten SaltoPodcast von Wolfgang Mayr mit dem Titel »Welche Schule braucht das Land?« – Transkription und Hervorhebungen von mir

    Das ist übrigens dieselbe Frau Andrea Abel, die gemeinsam mit Landesschudirektorin Sigrun Falkensteiner und Landesrat Philipp Achammer (SVP) — konsequenterweise — gegen die sogenannte »Sonderklasse« argumentiert hat. Inkonsequent sind die, die gegen die »Sonderklasse«, aber für die mehrsprachige Schule sind.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 | 05 06 07 || 01



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  • Georg Mair erklärt die Titularnation zur Minderheit.

    Im letztwöchigen ff-Leitartikel hatte Georg Mair seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass Südtirol Italien sei. Diese Woche nun macht er sich bereitwillig zum Verbündeten und Handlanger der Neofaschisten, indem er zum Thema Autonomiereform nicht nur wieder einmal die mehrsprachige Schule fordert, sondern gar den unwissenschaftlichen Hoax verbreitet, dass die Italienerinnen die eigentliche Minderheit in Südtirol seien:

    Vor allem die Südtiroler Volkspartei hatte kein Interesse, die Reform der Autonomie auf den Ergebnissen des Konvents aufzubauen.

    Es hätten dabei ja auch Leute mitreden können, die nicht der SVP angehören, die Opposition gar. Es hätte dabei über Dinge geredet werden können wie eine mehrsprachige Schule, den Proporz, dass Südtirol nicht mehr nur aus Deutschen, Italienern und Ladinern besteht, dass die benachteiligte Minderheit in Südtirol nicht mehr die deutsche, sondern die italienische Sprachgruppe ist.

    – Georg Mair, ff Nr. 37/2024 (Auszug)

    Italienische Ultranationalisten wie Alessandro Urzì (FdI) oder Christian Bianchi (Uniti/Lega) arbeiten seit langem mit großer Beständigkeit daran, die unhaltbare Auffassung zu etablieren, dass die Italienerinnen in Südtirol nicht nur zahlenmäßig in der Minderheit, sondern arm, benachteiligt und schutzbedürftig seien. Welch bessere Strategie könnte es geben, die Rechte der nationalen Minderheiten weiter zu beschneiden, als die Titularnation — einschlägigen Definitionen und der Realität zum Trotz — als Minderheit zu deklarieren?

    Journalisten, die es als Glück bezeichnen, dass Südtirol von einem Land annektiert wurde, das seine Bevölkerung einer brutalen Assimilierungspolitik unterworfen hatte und sich heute zu einer illiberalen, gegen gesellschaftliche und sprachliche Minderheiten gerichtete Demokratie entwickelt, sehen offenbar die Zeit gekommen, den Minderheitenschutz völlig ad absurdum zu führen. Bald wird er uns vielleicht auch noch verklickern wollen, Italien habe uns vom österreichischen Joch befreit.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 05 || 01



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  • Der paritätische Kindergarten in Meran.

    Wie der Corriere in seiner gestrigen Südtirolbeilage berichtet, hat Meraner Stadtregierung einstimmig — also mit den Stimmen der SVP — beschlossen, einen »100% zweisprachigen« Kindergarten zu errichten, wo die Kinder in einer »paritätischen ‘Vollimmersion’« mit den Sprachen Deutsch und Italienisch gleichermaßen konfrontiert werden sollen. Der Vorschlag sei das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, in der Sabine Kiem (Team K), Beatrice Calligione (von der Bürgermeisterliste Civica per Merano) und Julia Dalsant (Grüne) mit Unterstützung der zuständigen Gemeindereferentin Emanuela Albieri (ebenfalls Civica per Merano) und zweier Beraterinnen gearbeitet haben sollen. Die Namen der Beraterinnen lauten Renata Zanin (von der FUB) und: Liliana Turri.

    Wie wir hier schon öfter thematisiert haben (01 02 03), giftet Turri, früher bei den Grünen, dann beim Team K, seit Jahren — unter anderem auf Salto — mit drastischer Wortwahl gegen Südtirol, das Autonomiestatut, seine Mechanismen und den Dialekt. Dabei schwingt sie regelmäßig auch die Nazikeule. Ein mehrsprachiges Schulsystem fordert sie immer wieder auch mit Argumenten, die ihre Verachtung für den Minderheitenschutz erahnen lassen.

    Gegenüber dem möglichen Untergang der ladinischen Sprache legt sie sogar einen erschreckenden, achselzuckenden Fatalismus an den Tag, der — im Sinne eines Victim Blamings — die linguizidalen Minorisierungstendenzen und -mechanismen (01 02) völlig außer acht lässt:

    Ladinisch sollte man in der Familie sprechen und pflegen sowie im territorialen Kontext. Wenn dies nicht gemacht wird, kann die Schule auch nicht viel ausrichten. Und darüber hinaus folgt das ein wenig der Tendenz der Minderheitensprachen, die immer weniger gesprochen werden, leider. Die Sprecher selbst sind dafür verantwortlich, im Unbewusstsein, dass sie ihre Sprache, ihre Kultur sterben lassen.

    – Liliana Turri

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Il ladino si dovrebbe parlare e curare in famiglia e nel contesto del territorio. Se questo non viene fatto la scuola più di tanto non può dare. E del resto segue un po’ la tendenza delle lingue minoritarie che si parlano sempre meno, purtroppo. I parlanti stessi sono responsabili di questo, inconsapevoli che fanno morire la loro lingua, la loro cultura.

    – Liliana Turri

    Sollte die deutsche Sprache durch die Immersionsprojekte Schaden nehmen, war es halt eben die Schuld der Minderheit.

    Einem Gastbeitrag, in dem die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung und der Proporz als Maßnahmen beschrieben werden, die vom Nationalsozialismus inspiriert seien, pflichtete sie in den Kommentaren bei:

    Zusammengefasst. Wer von ausserhalb [sic] der Provinzgrenzen kommt (aber auch einige, die innerhalb dieser Grenzen wohnen), sehen in der ethnisch-sprachlichen Trennung ein Zeichen fuer [sic] den Einfluss der NS-Ideologie.

    – Liliana Turri

    Und diejenigen, die es nicht sehen, ist es, weil sie es nicht sehen wollen. [sic]

    – Liliana Turri

    In einem eigenen Salto-Beitrag spricht sie sogar faktenbefreit von einem angeblichen »Todesmarsch« der Italienerinnen in Südtirol.

    Dass eine Person, die so argumentiert und für die Rechte der deutschsprachigen Minderheit nichts übrig hat, als Beraterin für ein mehrsprachiges Kindergartenprojekt in Südtirol fungiert, ist wirklich schwer verdaulich. Immersionsprojekte, von denen die Wissenschaft im Fall von Sprachminderheiten abrät1umso mehr in einem Kontext (wie Meran), wo die Minderheitensprache nicht dominant ist (z.B. 01 02 03), müssten in Südtirol, wenn sie denn umgesetzt werden, stets den Minderheitenschutz vor Augen haben. Die Einbindung von Frau Turri wirft diesbezüglich aber einen Schatten voraus und lässt erahnen, welche »Werte« dem Projekt zugrunde liegen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05

    • 1
      umso mehr in einem Kontext (wie Meran), wo die Minderheitensprache nicht dominant ist


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  • Aufgezwungene Identitäten.

    Der frühere schwedische Tennisstar Mats Wilander hat im Anschluss an das von Jannik Sinner gewonnene US Open gegenüber der französischen Sportzeitung L’Equipe den Wunsch geäußert (bzw. die Forderung erhoben), die Südtiroler Nummer 1 im Tennis möge italienischer und weniger österreichisch sein. Diese Aussage hat auch in italienischen Medien große Resonanz erreicht.

    Es reicht also nicht, dass Südtirolerinnen (übrigens anders als Nordirinnen) keine Wahl haben, für welches Land sie antreten und übrigens auch keine Möglichkeit haben, für eigene Teams an den Start zu gehen. Vielmehr werden sie darüber hinaus auch noch regelmäßig — mal subtiler, mal weniger — dazu gedrängt, eine Rolle einzunehmen, die dem »nationalen« Klischee entspricht. Dazu gehört in vielen Fällen auch, die oktroyierte Staatssprache zu sprechen und von der eigenen Muttersprache Abstand zu nehmen (01 02) oder die Nationalhymne zu singen und die italienische Flagge zu schwenken.

    Das Bewusstsein und die Sensibilität, dass man Menschen nicht gegen ihren Wunsch eine Geschlechtsidentität zuweisen (geschweige denn sie zur Annahme eines dem Geschlechterklischee entsprechenden Verhaltens/Temperaments drängen) soll, setzen sich glücklicherweise allmählich durch. Falls das amtliche (noch) nicht mit dem gefühlten Geschlecht übereinstimmt, werden dafür teilweise sogar — was ich ausdrücklich begrüße! — sogenannte Aliasidentitäten geschaffen.

    Demgegenüber werden nationale Identitäten nach wie vor völlig ungeniert aufgedrängt. Diesbezüglich ist meiner Meinung nach dringend ein Umdenken vonnöten.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07



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  • Ist die Flucht aus Südtirol extrem?

    Der Handels- und Dienstleistungsverband hds zeigt sich also besorgt, weil Trentino-Südtirol »trauriger Spitzenreiter bei der “Fachkräfteflucht”« sei. Das zeige eine aktuelle Studie der italienischen Fondazione Nord Est:

    Im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl sind die 1570 jungen Menschen aus der Region, die 2023 abgewandert sind, viel mehr als jene etwa aus der Lombardei, wo bei einer Einwohnerzahl von über 10 Millionen insgesamt 5760 Personen abgewandert sind.

    – Pressemitteilung hds (Hervorhebung im Original)

    Die Studie zeigt aber gar nicht, dass Südtirol Spitzenreiter bei der Abwanderung wäre. Vielmehr geht es darin ausschließlich um den Wegzug ins Ausland. Menschen, die von der Lombardei nach Venetien oder von Südtirol ins Piemont ziehen, scheinen in der Statistik gar nicht auf. Hierzulande liegt es aber für Wegzugwillige buchstäblich nahe, nicht unbedingt in eine Region Italiens, sondern ins benachbarte — vor allem deutschsprachige — »Ausland« zu ziehen, wo zudem die Lebens- und Arbeitsbedingungen meist deutlich besser sind.

    Auch wenn es um die Wahl des Studienorts geht ist es ja so, dass ein sehr großer, wohl mit keiner italienischen Region vergleichbarer Anteil der Südtirolerinnen sich für andere Länder des deutschen Sprachraums entscheidet, auch weil sie sie (insbesondere aus sprachlicher Sicht) gar nicht als Ausland betrachten.

    Regelmäßig wird behauptet, dass die Grenzen in Europa nicht mehr existierten. Handeln Menschen dann danach, wird das nicht goutiert — oder zumindest nicht richtig rezipiert.

    Denn obwohl sie oft sogar in derselben Region (im historischen Tirol) bleiben oder lediglich in die nächstgelegene Metropole (München) ziehen, scheinen weggezogene Südtirolerinnen in der Statistik von Fondazione Nord Est als »Flüchtige« auf, während gleichzeitig Menschen aus italienischen Regionen, die dasselbe im Inneren des Staatsgebiets tun (und sich also auch in ihrem Sprachraum bewegen), erst gar nicht berücksichtigt werden.

    Die Studie ist »nationalistisch«, indem sie nur grenzüberschreitende Migration als Abwanderung betrachtet, was zwar legitim, aber speziell aus Südtiroler Sicht irreführend ist.

    Ja, die Attraktivität Südtirols für hier Aufgewachsene und auch für Menschen aus dem restlichen deutschen Sprachraum, mit dem wir im Wettbewerb stehen, muss tatsächlich dringend erhöht werden. Die vom hds zitierte Studie sagt darüber jedoch weniger aus, als die besorgte (und meiner Meinung nach irreführende) Stellungnahme vermuten ließe. Vielmehr zeigt sich, dass der Kontakt zwischen Südtirol und dem restlichen deutschen Sprachraum noch aufrecht ist.

    Cëla enghe: 01 02 | 03 04 05 06



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  • Zweifelhaftes Glück.

    Auf den letzten Leitartikel von Georg Mair in der ff hat Harald schon in seinem Beitrag über die sogenannte Sonderklasse der Goetheschule hingewiesen. Trotzdem möchte ich hier noch einmal kurz darauf zurückkommen.

    Mir ist natürlich klar, dass der Titel

    Zum Glück ist Südtirol Italien

    – Georg Mair, ff Nr. 36/2024

    in erster Linie auf die Inklusion in den Schulen gemünzt ist, wo Italien tatsächlich — wenngleich wohl mit Einschränkungen — ein Positivbeispiel darstellt. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein derartiger Titel nicht nur echte Autonomistinnen oder einen überzeugten Sezessionisten wie mich stören sollte.

    Die fortwährende Minorisierung muss nicht jeden umtreiben, wiewohl man es sich von einem Medium, das in einer Minderheitensprache erscheint, zumindest wünschen würde. Dass sich Italien aber seit Jahrzehnten auf dem Weg zur illiberalen Demokratie befindet, derzeit von neofaschistischen Kräften regiert wird und auch in Bezug auf die Pressefreiheit richtig schlecht dasteht, sollte einen Journalisten vielleicht doch interessieren und von einem so plakativen Titel abhalten.

    Doch anscheinend ist das Glücksgefühl bei manchen einfach durch gar nichts mehr zu trüben.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 || 01 02 03 04



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  • EVP: Diese Länder veröffentlichen nichts in Ihrer Sprache.

    Von der EU wird Südtirol nicht zu den Gebieten mit deutscher Amtssprache gezählt, weil Italien — anders als etwa Belgien oder Luxemburg — gegenüber der Union wohl nur eine, die Staatssprache »angemeldet« hat. Das bedeutet, dass Südtirolerinnen dort, wo Informationen nicht ohnehin für die gesamte EU gültig sind, sprachlich nicht eigens berücksichtigt werden. Die Minorisierung setzt sich somit auch auf europäischer Ebene fort.

    Interessant ist aber, dass die EVP-Fraktion, die an die Sprachvorgaben der Mitgliedsstaaten nicht gebunden wäre, auf ihrer Website auch keine Nachrichten auf Deutsch für Italien bzw. Südtirol anbietet, obschon dort Herbert Dorfmann (SVP) Mitglied und sogar Delegationsleiter im Fraktionsvorstand ist.

    Die deutsche Sprache wird nur für Österreich, Belgien, Deutschland und Luxemburg angeboten:

    Ausschnitt Website der EVP-Fraktion im EU-Parlament

    Klickt man auf Italien, gelangt man (nur auf Italienisch oder Englisch) auch auf das Profil des Südtiroler EU-Abgeordneten, wo man zum Beispiel erfährt, dass er

    • im Nordosten gewählt wurde, das auch »Trentino Alto Adige« umfasst;
    • vier Jahre lang Bürgermeister eines ominösen »Velturno« bei »Bolzano« gewesen sei;
    • neun Jahre für die Handelskammer von »Bolzano« gearbeitet habe.

    Ausschnitt Website der EVP-Fraktion im EU-Parlament

    Obwohl man sie nicht über die obige, vorgeschaltete Sprach- bzw. Länderwahl erreicht, gibt es die Bio von Dorfmann auch auf Deutsch (und in anderen Sprachen). Man muss aber auf die Idee kommen, von seinem Profil aus noch einmal die Sprache umzustellen:1Es ist aber auch möglich, über das Abgeordnetenverzeichnis direkt auf die deutsche Sprachversion des Profils zu gelangen.

    Ausschnitt Website der EVP-Fraktion im EU-Parlament

    Und siehe da: er hat seinen Abschluss bei der »Universität vom Heiligen Herzen in Piacenza« gemacht, war aber tatsächlich Bürgermeister von »Velturno« — und zwar nicht für FdI, sondern angeblich für eine Partei, die sich den Minderheitenschutz auf die Fahnen schreibt. Ettore Tolomei gefällt das, seinen Freunden Raffaele Fitto und Antonio Tajani vermutlich auch.

    Cëla enghe: 01 02 03 04

    • 1
      Es ist aber auch möglich, über das Abgeordnetenverzeichnis direkt auf die deutsche Sprachversion des Profils zu gelangen.


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  • Ungenutzte digitale Spielräume.

    Der diesjährige Tag der Autonomie (am 5. September) stand unter dem Hauptthema »Digitalisierung«, die durch ihre Vereinheitlichungs- und Zentralisierungstendenzen eine große Herausforderung für den Föderalismus und die Südtirolautonomie darstellt. Keine Frage: Neue Zuständigkeiten und die Ausweitung des Rechts auf Gebrauch der Muttersprache im digitalen Bereich sind dringend anzugehen, da hier heute bekanntermaßen nicht automatisch eine sinngemäße Interpretation der Autonomie, sondern eine restriktive Auslegung vorherrscht, die den Minderheitenschutz ad absurdum führt.

    Gleichzeitig muss sich insbesondere die SVP auch vorwerfen lassen, das Thema sträflich vernachlässigt, Spielräume nicht ausgenutzt und sogar Möglichkeiten freiwillig aus der Hand gegeben zu haben. Wir weisen seit Jahren darauf hin.

    Einige Beispiele:

    • Während die Digitalisierung von vielen — insbesondere autonomen — Regionen in Europa und weltweit genutzt wurde, um ihre Sichtbarkeit im virtuellen Raum etwa durch eigene Internetsuffixe sichtbarer zu machen und somit auch die Bindung an die jeweiligen Nationalstaaten abzuschwächen, wurde diese Entwicklung in Südtirol bis heute völlig verschlafen.
    • Im Gegenteil wurde hierzulande noch nicht einmal die Gelegenheit genutzt, durch andere Internetsuffixe als .it bei offiziellen Seiten des Landes auch symbolisch die Autonomie gegenüber Italien darzustellen. Hierfür würde sich zum Beispiel auch die europäische Endung .eu eignen, die immerhin von einigen »wagemutigen« Gemeinden genutzt wird.
    • Mit etwas Kreativität ließe sich diesbezüglich vermutlich auch der Hyperzentralismus ansatzweise umgehen. Wenn es wirklich stimmt, dass (das ach so autonome) Südtirol — anders als Regionen im zentralistischen Frankreich (01 02) — vom Zentralstaat gezwungen wird, die Adresse provinz.bz.it zu nutzen, dürfte es wohl kein größeres technisches Problem darstellen, als eine Art »Alias« beispielsweise auch die Adresse landsuedtirol.eu auf dieselben Internetseiten verweisen zu lassen.1ähnlich wie heute schon provinz.bz.it, provincia.bz.it und provinzia.bz.it auf die Landesseiten führen Dann wäre der zentralistischen Vorgabe Genüge getan, ohne deshalb (gänzlich) auf die Eigenständigkeit zu verzichten.
    • Bei der Digitalisierung von Bereichen, die im Zuständigkeitsbereich des Landes und der Gemeinden liegen, wurde oftmals sogar freiwillig auf Autonomie verzichtet — so zum Beispiel beim Einheitsschalter für das Bauwesen, über den ich vor einiger Zeit näher berichtet hatte. Hier hat man sich — anders als etwa das Trentino, das eine eigene, wesentlich bedienungsfreundlichere Plattform entwickelt hat! — unnötig an ein staatsweites, von den Handelskammern betriebenes Portal gekoppelt. Mit der Folge, dass die vorgeschriebene Zwei- und Dreisprachigkeit (auch im Vergleich zur früheren analogen Abwicklung) massiv unter die Räder gekommen ist. So sehr sogar, dass es absurderweise im Trentiner Portal problemlos möglich ist, die Südtiroler Adressen auf Deutsch einzugeben, während es beim »Südtiroler« (bzw. staatsweiten) Portal meist nicht gelingt.

    Überhaupt macht das Trentino manchmal vor, dass (und auch wie) sich vorhandene autonome Spielräume, wiewohl sie vielfach mickrig sind und eines dringenden Ausbaus bedürften, effizienter und selbstbewusster Nutzen ließen. Und das, obwohl dort keine Zwei- und Dreisprachigkeitsvorschriften gelten, somit eine Bindung an staatsweite Lösungen weniger Probleme bereiten würde als hierzulande.

    Parallel zum Kampf um neue Befugnisse, wie er sich aus den Überlegungen am Tag der Autonomie ergibt, könnte und sollte also auch schon heute mehr getan werden, ohne auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07

    • 1
      ähnlich wie heute schon provinz.bz.it, provincia.bz.it und provinzia.bz.it auf die Landesseiten führen


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