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  • Nächtliche nationalistische Inkontinenz.

    Manche autonomen Minderheitengebiete sind vom banalen Nationalismus der gehissten Nationalflaggen entweder de iure oder — durch flexible Handhabung — zumindest de facto weitgehend befreit. Andernorts wird es dem Zentralstaat (mit kreativen Lösungen oder klarer Haltung) erschwert, seine nationalistische Symbolik zu platzieren.

    Italien hat eine ausgesprochen extensive Beflaggungspflicht, die auch in Südtirol ohne wenn und aber durchgesetzt wird. Um nicht zu sagen: gerade hier.

    Zudem sind einzelne Minderheitengebiete entmilitarisiert. In anderen übt sich das Militär in Zurückhaltung oder wird etwa bewusst nicht zu öffentlichen Anlässen eingeladen.

    Nicht so in Südtirol.

    In unserer Landeshauptstadt lässt sich gerade das italienische Heer zu ungebremster nationalistischer Inkontinenz hinreißen:

    Fotos und Querbalken von mir

    Mit dieser nächtlichen Beleuchtung mehrerer Kasernen als Ausdruck von minimalem Respekt und maximaler Aufdringlichkeit, überschreiten die Militärs wohl auch jede gesetzliche Beflaggungspflicht. Offenbar darf selbst in der Dunkelheit niemandem mehr entgehen, wo der Hammer hängt.

    Die Landespolitik scheint dieses Schauspiel, das meiner Beobachtung zufolge schon seit einigen Jahren stattfindet, nicht zu stören. Doch das verwundert nicht, wenn ultranationalistische Parteien zur Regierungskoalition gehören, die die Landespressekonferenz trikolorisieren und sich freuen, wenn Südtirolerinnen die Staatsflagge regelrecht in die Nase gesprüht wird.

    Alles normal in der Vorzeigeautonomie.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07



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  • Stauder findet Weidel ›hochqualifiziert‹.

    Heute wurde ich darauf hingewiesen, dass UnserTirol24 mehrere Südtiroler Landtagsabgeordnete zu Alice Weidel von der AfD befragt hat. Der SVP-Fraktionsvorsitzende Harald Stauder stellt dabei unter Beweis, wie elastisch die Koalitionspartner von FdI, Lega und F mit ihren roten Linien inzwischen sind: Weidel sei ihrem Lebenslauf zufolge »eine hochqualifizierte Person«. Für eine allfällige Kanzlerschaft seien gewisse Eigenschaften notwendig, deren Vorhandensein er bei ihr »aus der Distanz nicht bewerten« könne. Da er die Politikerin nicht persönlich kenne, könne er sich »kein abschließendes Urteil bilden«. Das ist wirklich schade.

    Ich weiß ja nicht, ob es für den Landessekretär der wichtigsten Partei in Südtirol spricht, wenn er die Vorsitzende einer rechtsextremen Partei nicht anhand ihrer Aussagen — wie zuletzt jener, dass Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei — einordnen und als konkrete Gefahr für die Demokratie benennen kann. Vielleicht qualifizieren ihn aber in diesen Zeiten ja auch genau diese Beliebigkeit und diese Unverfrorenheit für den Job, den er macht. Sonst könnte er wohl auch in Südtirol nicht mit den Faschos zusammenarbeiten.

    Dass man eine Spitzenpolitikerin persönlich kennen müsse, um sich ein Urteil bilden zu können, ist wohl ähnlich glaubwürdig wie die Aussage, man könne den Faschismus nicht verurteilen, wenn man erst nach dem Zweiten Weltkrieg geboren sei. Da hat sich Stauder die Fadenscheinigkeit der Argumente wohl bereits vom Koalitionspartner abgeschaut.

    Bleibt nur zu hoffen, dass die Deutschen, die in Kürze einen neuen Bundestag wählen müssen, ohne zuvor jede Kandidatin persönlich kennengelernt zu haben, über ein besseres Urteilsvermögen verfügen als der SVP-Fraktionschef. Sonst wird es später womöglich wieder heißen, man habe ja nichts ahnen können.

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02



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  • Zur verhinderten Frauenquote in der Region.

    Der Regionalrat von Südtirol und Trentino, wo (vor allem wegen der südlichen Nachbarprovinz) die Rechten klar in der Mehrheit sind, hat sich diese Woche für eine Geschlechterklausel in der Regionalregierung ausgesprochen, die ein regelrechtes Armutszeugnis ist. Eine ursprünglich auch von der SVP mitunterzeichnete Vorlage der Grünen hätte vorgesehen, dass der Frauenanteil in der Exekutive mindestens jenen — ohnehin geringen — der Legislative hätte widerspiegeln müssen. Letztendlich einigte man sich auf einen Kompromiss, den man getrost als Hohn bezeichnen kann: es reicht, dass beide Geschlechter in der Regierung vertreten sind. Dem ist mit einer einzigen Frau Genüge getan.

    Auf Südtiroler Seite haben sich vor allem LH-Stv. Marco Galateo (FdI) und LR Christian Bianchi (Uniti/Lega) gegen die Einführung einer Quote ausgesprochen, was ihre unendliche Präpotenz beweist. Beide sitzen hierzulande dank einer Quote — dem Proporz — in der Landesregierung, die sie nicht nur dankend angenommen, sondern sogar überstrapaziert und zu ihren Gunsten ausgereizt haben, um durch Aufrundung einen zweiten italienischen Landesrat zu erzwingen.

    Sogar die Vergrößerung der Landesregierung auf elf Mitglieder wurde nötig — und eine eilige Ad-hoc-Abänderung des Autonomiestatuts ins Spiel gebracht.

    Eine einfache Beteiligung hat FdI und Lega ausdrücklich nicht gereicht, und das obwohl (oder gerade weil) die Italienerinnen in Südtirol keine minorisierte Gruppe darstellen.

    Minorisierung

    Hingegen sind Frauen wohl ein Paradebeispiel für Minorisierung: obschon in der Bevölkerung zahlenmäßig in der Mehrheit, sorgen insbesondere strukturelle Hürden und ihre historische gesellschaftliche Marginalisierung (Patriarchat) für eine chronische Benachteiligung und Mindervertretung in vielen Bereichen, unter anderem Politik und Wirtschaft.

    Doch dafür haben Rechtsradikale natürlich keinerlei Verständnis. Während sie die nationale Mehrheit zur Minderheit stilisieren, die sie unter keinen Umständen ist, können sie ihre Frauenverachtung nicht verbergen. Marco Galateos perfide Aussage, Frauen seien doch keine schutzwürdigen Pandabären, ist kein Ausrutscher (vgl. 01), sondern Ausdruck tiefsitzender Misogynie.

    Mehrheitsquoten statt Minderheitenschutz

    Während sie sich Frauen gegenüber quotenfeindlich gibt, treibt die italienische Rechte aber ungeniert eine weitere Pervertierung des Sprachgruppenproporzes zu ihren Gunsten — sozusagen eine Übererfüllung der Quote bzw. eine Besserstellungsklausel — voran, indem sie ausschließlich für die nationale Mehrheit eine positive Diskriminierung im Statut verankern will.

    Das ist denn auch der gemeinsame Nenner zwischen Frauen- und Minderheitenquote. Sowohl Männer als auch nationale Mehrheiten sind, um bei Galateos hanebüchenem Vergleich zu bleiben, sicher keine Pandabären, doch mit ihrer Bevorzugung (also der Diskriminierung von Frauen und Minderheiten) haben die Rechten sicher kein Problem.

    Trotz roter Linien und Reißleinen sitzt die SVP mit diesen Gestalten weiterhin in einer gemeinsamen Regierung, legitimiert sie dadurch und verleiht ihnen Macht.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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  • Spusu kann es mehrsprachig.

    Erst 2020 war der österreichische Mobilfunkanbieter Spusu — aus Südtiroler Sicht — vielversprechend in den italienischen Markt eingestiegen, da der Dienst in Teilen zweisprachig (Italienisch und Deutsch) verfügbar war. Zudem stand das Versprechen eines weiteren Ausbaus der Mehrsprachigkeit im Raum.

    Trotzdem hat sich auch Spusu inzwischen dem gängigen Muster italienischer Einsprachigkeit im einsprachig italienischen Nationalstaat angepasst und sämtliche Inhalte und Services in deutscher Sprache eingestellt.

    Dass Spusu es auch mehrsprachig kann, zeigt der Anbieter hingegen in der mehrsprachigen Schweiz. Dort sind die Österreicher ebenfalls tätig und schaffen es ohne Mühe, den Dienst vollwertig in drei Sprachen anzubieten.

    Bildschirmausschnitt spusu.ch – Deutsch

    Bildschirmausschnitt spusu.ch – Französisch

    Bildschirmausschnitt spusu.ch – Italienisch

    In der nahen Eidgenossenschaft ist das allerdings auch nichts Außergewöhnliches, sondern die ganz gewöhnliche Praxis. Verwunderlich wäre dort deutsche Einsprachigkeit und nicht die Berücksichtigung von Französisch und Italienisch, manchmal auch Rätoromanisch und Englisch. Weshalb in der Schweiz auch nicht zu befürchten ist, dass bei Spusu in Zukunft Sprachoptionen wegfallen werden.

    Eher als um Sprecher- und Nutzerzahlen geht es nämlich um den Denkrahmen, den in unserem Fall der Nationalstaat vorgibt. Dass andere Sprachen als die dominante drangsaliert und marginalisiert werden, gehört hier zur akzeptierten Normalität.

    Dass zudem in Südtirol weder die Landespolitik, noch beispielsweise Verbraucherschützerinnen Handlungsbedarf sehen und wenigstens sensibilisierend auf Privatunternehmen einwirken, ist jedenfalls nicht hilfreich.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 | 05 06



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