Anstatt sich für den Auftritt von Matteo Salvini am Brenner zu schämen und demnach zu schweigen — wenn er ihm schon nicht offen widersprechen mag —, hat der Südtiroler Umweltlandesratdarsteller Giuliano Vettorato (Lega) jetzt beschlossen, sich auch noch ausdrücklich auf die Seite seines Parteichefs zu stellen. Dabei bezeichnet der LH-Stellvertreter die Nordtiroler Maßnahmen zur Einschränkung des Transitverkehrs als »Scheinumweltschutz«, weil sie an Tagen mit Lkw-Blockabfertigung die NO2-Belastung in Brixen um 32% und in Bozen um 26% ansteigen ließen. Falls dies stimmt, gäbe es genau zwei Möglichkeiten: sich mit Nordtirol abstimmen und die Maßnahmen (Nachtfahrverbot, sektorale Verbote, Blockabfertigung, Abfahrverbot, Lufthunderter, Mauterhöhung, Lkw-Überwachung, Geschwindigkeitskontrollen, RoLa) auf Südtirol auszudehnen, um die hiesige Bevölkerung und das Klima zu schützen — oder aber gegen Nordtirol zu wettern und die Wiederherstellung der völligen Transitfreiheit zu fordern, um die Emissionen noch weiter steigen zu lassen. Der angebliche Umweltlandesrat entscheidet sich mit Verweis auf den BBT, der (ab 2032!) für eine mickrige Entlastung sorgen könnte, für letzteres und macht damit deutlich, wie krass ungeeignet er für den Posten ist. Natürlich: der Weg des geringsten Widerstands ist seiner allemal, denn um selbst Maßnahmen zu erlassen, müsste man entweder als Land Südtirol die entsprechenden Zuständigkeiten haben (was nicht der Fall ist) oder endlich Rom dazu bewegen, etwas zu tun. Das jedoch ist mit der rechtsrechten Regierung und einem Minister Salvini noch schwieriger als ohnehin in Italien. Da fällt es doch wesentlich leichter, gegen Nordtirol zu wettern — das die Maßnahmen übrigens nur deshalb einseitig erlassen hat, weil sich die Anrainer nie wirklich an einer gemeinsamen Lösung interessiert gezeigt haben, die nicht einfach »freie Fahrt« und »weiter wie bisher« gelautet hätte. Bleibt nur zu hoffen, dass Südtirol nach der anstehenden Landtagswahl eine echte Umweltlandesrätin bekommt, wiewohl das Gegenteil zu befürchten ist.
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Unfähige Separatistinnen.
In seiner wöchentlichen (antiseparatistischen) Kolumne Jenseits des Brenners schreibt Zeit-Autor Ulrich Ladurner in ff-Ausgabe 37/23 vom 14. September erneut über Schottland:
Diese Separatisten sind unfähig
Die [SNP] will die Unabhängigkeit, schafft es aber nicht, die Menschen an der eigenen Peripherie mit der grundlegendsten Dienstleistung zu Versorgen: einer Verbindung zum “Mutterland”.
– Ulrich Ladurner
Während er noch wenige Wochen zuvor eklatante Fake News über Schottland verbreitet hatte, hat Ladurner in diesem Fall absolut Recht. Wie er schreibt, seien im Jahr 2022 sage und schreibe 1.830 Fahrten zu schottischen Inseln ganz ausgefallen. (Zur Einordnung: Bei insgesamt 162.790 Verbindungen — oder 446 pro Tag — sind das 1,12%). Auf der Insel South Uist, wo die Fährverbindung immer wieder »wegen technischer Mängel und Managementfehlern« unterbrochen gewesen sei, hätten im Juni 500 der 1.900 Einwohnerinnen gegen die Regierung protestiert, wie Ladurner berichtet.
Stimmt: In etablierten Staaten (und überall dort, wo keine Separatistinnen am Werk sind)…
- gibt es — Südtirol docet — niemals irgendwelche Skandale;
- funktionieren öffentliche Dienste (und insbesondere der ÖV) immer zur vollsten Zufriedenheit;
- gehen Bürgerinnen niemals gegen eine Regierung auf die Straße.
Staaten, wo dies dennoch der Fall wäre, würde man selbstverständlich wegen Unfähigkeit sofort die Eigenständigkeit aberkennen. Und Ladurner wäre freilich der Erste, der ihren Fortbestand in Frage stellen würde. Das nehmen wir jedenfalls an — denn alles andere wäre leider inkonsequent.
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Benvenuti nella colonia.
Qualche anno fa il gestore ferroviario pubblico italiano (RFI) aveva iniziato a disapplicare, sistematicamente, l’obbligo di utilizzare lo stesso carattere per il tedesco e l’italiano nella cartellonistica delle stazioni in Sudtirolo. In seguito all’intervento del Governo sudtirolese, invece di rettificare, come promesso, hanno ulteriormente peggiorato la situazione, fregandosene totalmente.
Ora però RFI è riuscita a fare ancor meglio, e nel corso della ristrutturazione della stazione ferroviaria di Brixen ha ripristinato la situazione a com’era durante l’era fascista, eliminando completamente il toponimo tedesco:
Fotografie Wolfgang Niederhofer
Io al caso ormai non ci credo più, anche perché le apparenti «sviste» vanno tutte sempre «casualmente» nella medesima direzione (a scapito del tedesco) e perché ci si spinge sempre oltre, passo dopo passo, passando oltretutto da una situazione che già rispettava il diritto al bilinguismo a una che non lo rispetta più. Non c’è quindi nemmeno la scusante dell’ignoranza. Inoltre, perché tali cartelli giungano a destinazione, l’ipotetica «svista» dovrebbe passare inosservata per varie fasi, per varie istanze e davanti a troppi occhi, ed è semplicemente impossibile che da chi progetta e ordina i cartelli sino a chi effettua materialmente il montaggio o chi presidia la stazione nessuno si accorga dell’errore — che, appunto, errore non è.
Ma finché accettiamo queste continue sopraffazioni e le ormai inascoltabili scuse che regolarmente seguono, aspettando per anni rettifiche che non arrivano (quasi) mai1e quando arrivano arrivano tardi e hanno già contribuito a spostare il «dicibile» e l’immaginabile, le cose purtroppo non cambieranno. Lo stato nazionale è così che per indole tratta le sue colonie.
- 1e quando arrivano arrivano tardi e hanno già contribuito a spostare il «dicibile» e l’immaginabile
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Spanien ist mehrsprachig, auch bei der Digitalisierung.
Seit wenigen Wochen wird im spanischen Kongress nicht mehr nur die Staatssprache Kastilisch gesprochen, sondern auch Baskisch, Galicisch, Katalanisch und Okzitanisch. Das hat eine wichtige Signalwirkung. Im Senat, der nach dem Vorbild des deutschen Bundesrats die Länderkammer bildet, gilt die Mehrsprachigkeit schon länger.
In Spanien sind aber auch institutionelle staatsweite Webauftritte häufig mehrsprachig. Darüber hinaus respektieren zahlreiche öffentliche und private Unternehmen in ihrer Kommunikation die sprachliche Vielfalt des Landes, wie ich beispielhaft anhand der spanischen Post bzw. Ikea, Kiko und einer BP-Tankstelle aufgezeigt hatte.
Doch auch wenn öffentliche Dienstleistungen digitalisiert werden, finden die Amtssprachen Baskisch, Galicisch und Katalanisch Berücksichtigung, während in Italien meist italienische Einsprachigkeit vorherrscht.
Ähnlich dem ÖSDI (bzw. SPID) in Italien verschafft zum Beispiel in Spanien ein System namens Cl@ve Zugang zu immer mehr öffentlichen Services. Die entsprechende Webseite der Zentralregierung ist in fünf Sprachen verfügbar: Kastilisch, Baskisch, Galicisch, Katalanisch/Valencianisch1Valencianisch ist eine Variante der katalanischen Sprache. und Englisch. Registrierung, Zugang und Nutzung erfolgen in den jeweiligen Sprachen.
Cl@ve-Webseite, Hervorhebung (Rahmen, Pfeil) von mir
In Italien hat es lange gedauert, bis die Info-Homepage über das ÖSDI auch in einer Minderheitensprache verfügbar wurde: Deutsch. Alle anderen anerkannten Amtssprachen, einschließlich Ladinisch, Slowenisch oder Französisch, fehlen dort bis heute. Den eigentlichen Dienst hat Italien jedoch sowieso an neun Identitätsanbieter — darunter die italienische Post und die Handelskammern — vergeben, die weder eine Registrierung2Mit Ausnahme der Post, aber nur wenn man sich physisch an ein Südtiroler Postamt wendet und Glück hat, des Deutschen mächtiges Personal vorzufinden. noch die spätere Nutzung auf Deutsch oder in irgendeiner anderen Minderheitensprache anbieten. Eine entsprechende Verpflichtung wurde nicht vorgesehen, und meistens fehlt auch die internationale Kommunikationssprache Englisch, wodurch der Dienst einsprachig Italienisch bleibt.
Der Unterschied zu einem Land wie Spanien ist eklatant, und das obschon auch dort noch lange nicht alles perfekt ist.
- 1Valencianisch ist eine Variante der katalanischen Sprache.
- 2Mit Ausnahme der Post, aber nur wenn man sich physisch an ein Südtiroler Postamt wendet und Glück hat, des Deutschen mächtiges Personal vorzufinden.
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Die großen Spatzen-Fans.
FinanzenVor wenigen Tagen wurde die Erfolgsnachricht verbreitet, dass der Staat dem Land 267 Millionen Euro zuerkannt habe. Das ist Geld aus den Heizölakzisen, die Südtirol aufgrund des Mailänder Abkommens schon seit 2009 zu 90% zugestanden hätten, aber vom Staat nach bekanntem Muster nie ausbezahlt worden waren. Jetzt verpflichtete sich die römische Regierung zwar zur sofortigen Überweisung von 40 Millionen, die restlichen 227 Millionen sollen aber erst im Laufe der nächsten Jahre folgen. Im Gegenzug verzichtete die Landesregierung schon ab 2023 einfach gänzlich auf die Beteiligung an den Heizölakzisen (in der Höhe gut 20 Millionen pro Jahr), wobei immerhin der Beitrag des Landes zur Sanierung1Welche Sanierung? des Staatshaushalts um 13 Millionen gekürzt wird. Somit bleibt ein jährlicher Verlust von gut 7 Millionen übrig.
Argumentiert wird auch diesmal wieder mit dem Spatz-in-der-Hand-Argument, das schon beim Finanzabkommen 2014 bemüht wurde, als Südtirol auf mehrere Milliarden Euro verzichtete. Außerdem damit, dass die Einnahmen aus Heizölakzisen im Laufe der nächsten Jahre ohnehin sinken würden. Im gestern veröffentlichten TAZ-Interview gibt dies auch Ex-Senator Karl Zeller (SVP) zu bedenken, wobei er anfügt, dass man ja keineswegs auf die Wasserstoffakzisen verzichtet habe, dem — wie er sagt — Treibstoff der Zukunft. Im Moment sieht es jedoch gerade nicht nach einer rosigen Entwicklung für Wasserstoff aus.
Wenn es ein loyales, auch nur einigermaßen faires Verhältnis zwischen Staat und Land gäbe, wie es eigentlich normal sein sollte, müsste man sich aber sowieso nicht ständig über den Spatzen in der Hand freuen, während der Staat die fette Taube einsteckt, die eigentlich uns zustünde. Aber offenbar haben wir uns alle schon zu sehr daran gewöhnt, dass uns Italien regelmäßig über den Tisch zieht. Und wenn wir dabei wenigstens ein paar Brosamen ergattern können, die am Tisch liegen, freuen wir uns auch noch. Was ist das für ein Staat, der seine eigenen Länder und Regionen am laufenden Band übervorteilt, einfach weil er am längeren Hebel sitzt?
Dem jetzt unterzeichneten Abkommen zufolge verzichtet Südtirol aber nicht »nur« auf die 90% der Heizölakzisen, sondern auch noch auf gut 30 Millionen pro Jahr als Kompensation für Mindereinnahmen aus der Einkommenssteuer. Zudem müssen (wie schon 2014) alle Rekurse und Einsprüche gegen den Staat zurückgezogen werden. Selbst wenn ein Gericht, das etwa von einer anderen Region angerufen wurde, den Staat dazu verurteilen sollte, den Regionen und Ländern Geld zurückzuzahlen, müsste Südtirol darauf verzichten.
Der ehemalige Trentiner Landeshauptmann Ugo Rossi geht mit der Vereinbarung, die er für einen großen Nachteil für die beiden Länder hält, hart ins Gericht.
Zudem frage ich mich, womit sichergestellt werden soll, dass uns zum Beispiel nicht auch die 227 Millionen, die erst im Laufe der nächsten Jahre überwiesen werden sollen, irgendwann als Taube verkauft werden, auf die wir wiederum lächelnd für einen dann noch kleineren Spatzen verzichten müssen (vgl.
01
).Doch solange alles mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen und abgehakt wird, brauchen wir uns auch gar nicht zu wundern.
- 1Welche Sanierung?
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Giuliano Vettorato