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  • Der CAI rückt Raubgut nicht heraus.

    Für die vorletzte ff-Ausgabe (Nr. 6/2025) hat Andrej Werth in Bezug auf den italienischen Alpinclub CAI einen Fall nachgezeichnet, den ich als veritablen Skandal bezeichnen würde.

    Im Jahr 1923 war der Bozner Alpenverein von den Faschisten aufgelöst worden, kurz darauf wurden »eine umfangreiche Alpinbibliothek sowie verschiedene Korrespondenzen, Schriftstücke und Dokumente aus dem ehemaligen Vereinssitz« (ff) an den CAI übergeben. Seitdem streift die Nutznießer dieses historischen Unrechts der Gedanke offenbar nicht im entferntesten, den enteigneten Bestand an seine rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Ganz im Gegenteil: Obschon der nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachfolger des aufgelösten Alpenvereins gegründete AVS nachweislich seit spätestens 1991 die Rückgabe fordert, weigert sich der CAI angeblich beharrlich, das Raubgut herauszurücken.

    Sogar von einer Erpressung berichtet Werth in seinem Bericht: Im Jahr 2007 soll der CAI mitgeteilt haben, dass er die Bibliothek zurückgeben würde, wenn der AVS nicht mehr ausschließlich deutschsprachige Schilder aufstelle. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Das Eigentum eines von den Faschisten zum Zwecke der sprachlich-kulturellen Assimilierung verbotenen Vereins wird als Faustpfand missbraucht, um die Enteigneten dazu zu zwingen, gegen ihren Willen Ortsbezeichnungen zu gebrauchen, die von den Faschisten zu ebendiesem Zweck erfunden und aufoktroyiert wurden. Sowas kann man sich noch nicht einmal ausdenken.

    Jetzt, wo der AVS sich dem faschistischen Erbe ohnedies gebeugt hat, soll der Präsident des Bozner CAI, Maurizio Veronese, dem Alpenverein im Jahr 2024 höhnisch mitgeteilt haben, dass die geraubten Bestände mit jenen des italienischen Alpinclubs ein »einheitliches und untrennbares Kulturgut« darstellen würden.

    Hier fehlt nicht nur jegliches Schuldbewusstsein, die Früchte der Zusammenarbeit mit dem faschistischen Regime — zu denen bis heute auch enteignete Hütten gehören — werden vielmehr sogar noch selbstbewusst zur Schau getragen und als Grundlage für weitere Forderungen benutzt.

    Das sagt viel über den CAI, aber auch über unsere Autonomie aus, die nach wie vor in Teilen auf dem Fundament steht, das vor 1945 errichtet wurde.

    Zur Tatsache, dass Maurizio Veronese weder mit der ff reden noch ihre schriftliche Fragen beantworten wollte, erübrigt sich wohl jeder Kommentar.

    (Und dieser kolonialistische Verein wurde erst kürzlich mit offenen Armen in den Dachverband für Natur- und Umweltschutz aufgenommen.)

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07 08 | 09 | 10



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  • Espresso cancellato.
    ESC: Lega goes woke

    Falls es vor mir noch niemand gesagt hat — ich glaube, die Satire ist tot. Ein aktuelles Beispiel: Der estnische Rapper Tomas Tammemets (aka Tommy Cash) erdreistet sich in seinem ESC-Song Espresso Macchiato, einen englischen Text mit klischeehaften italienischen Brocken (Spaghetti, Mafia… Stresso) zu vermischen. Weckt vage Erinnerungen an die EAV.

    Solch eine »Unverfrorenheit« ruft unverzüglich die italienische Regierungsmehrheit auf den Plan: Rechtsradikale Politiker, selbst nie um eine rassistische, misogyne oder queerfeindliche Wortmeldung verlegen, fordern — humorlos und wehleidig wie sie sind — allen Ernstes, der Song möge vom nächsten ESC ausgeschlossen werden.

    Wenn es um die eigene, ach so überlegene Nazione geht, sind Wokeness und Cancel Culture auch für Machos wie Vize-Senatspräsident Gian Marco Centinaio von der Lega plötzlich kein Tabu mehr.

    Berufskomödianten sollten sich spätestens jetzt nach einem neuen Job umsehen.

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  • Bozen: Der LVH mit FdI und Lega.

    Der Landesverband der Handwerker (LVH) gilt traditionell als politische Vorfeldorganisation der SVP. Wenn er einmal ausnahmsweise einen Kandidaten einer anderen Partei unterstützt, ist das dementsprechend ein besonders auffälliges Signal. Genau das tut er jetzt in Hinblick auf die anstehenden Gemeinderatswahlen in der Landeshauptstadt, indem er sich Claudio Corrarati regelrecht um den Hals wirft.

    »Wir werden ihn unterstützen, weil er der ideale Kandidat für Bozen ist und wichtige Themen vorantreiben kann«, erklärt lvh-Präsident Martin Haller.

    LVH-Pressemitteilung

    Den erst heute offiziell bestätigten Bürgermeisterkandidaten einer rechten italienischen Koalition, die weit in den Radikalismus und in den Extremismus hineinreicht, unterstützt man beim LVH geradezu enthusiastisch, während Stephan Konder (SVP) fast schon plakativ links liegen gelassen wird. Für den Handwerksverband scheint nur zu zählen, dass Corrarati selbst ein Unternehmer ist — wiewohl er nicht dem LVH angehört. Diese Eigenschaft allein macht ihn offenbar zum perfekten Kandidaten und lässt jegliche Bedenken verfliegen.

    »Wir habe[n] die Chance, einen wirtschaftsnahen Kandidaten für Bozen zu unterstützen, und wir werden sie ergreifen«, betont Hannes Mussak, lvh-Vizepräsident und Obmann des lvh-Bezirks Bozen Stadt.

    – LVH-Pressemitteilung

    Themen wie Zusammenleben, Minderheitenschutz, Ausländerfeindlichkeit, Klimakrise — um nur einige zu nennen — sind für Handwerkerinnen wohl unerheblich.

    Geradezu absurd ist die uneingeschränkte Empfehlung von Corrarati aber auch, da der Kandidat des Bündnisses, das den scheidenden Bürgermeister stellt, noch gar nicht feststeht. Er oder sie könnte also noch so gute Ideen haben, der LVH hat sich aber jetzt schon für die andere Seite entschieden — zu der auch die neofaschistischen Fratelli d’Italia zählen.

    Cëla enghe: 01 || 01



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  • Benussi, Caramaschi und das ANPI.
    Karsthöhlenrevisionismus

    Am Abend des 10. Februar nahm Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo (FdI) gemeinsam mit CPI-Vetreterinnen an einer martialischen Gedenkveranstaltung am Bozner Erinnerungsort für die Karsthöhlenopfer teil. Leiderleider will ihm nicht sofort aufgefallen sein, in wessen Gesellschaft er sich begeben hatte, als er selbst fackelschwenkend mit dem früheren CPI-Gemeinderat Maurizio Puglisi Ghizzi die Quireiner Wassermauer entlangmarschierte. Dann aber sei es, leiderleider, auch schon zu spät gewesen, um die Veranstaltung zu verlassen. Wer kennt das nicht?

    (Wobei: Wie lange hätte es ihn bei einer LGBT-Veranstaltung gehalten, wenn er unerwartet dort gelandet wäre?)

    Schon am Vormittag desselben Tages hatte aber am selben Schauplatz die institutionelle Feier des Erinnerungstags stattgefunden — im Beisein des Bozner Bürgermeisters, weiterer politischer Vertreterinnen (einschließlich Marco Galateo und mehrerer SVPler), Militärs und Vereine. Obschon das Ziel dieses geschichtsvergessenen Tages nicht so sehr das Gedenken an die Opfer der Karsthöhlen als vielmehr die Verschiebung des Diskurses hin zu einer Gleichwertigkeit von Faschistinnen und Partisaninnen ist, nimmt auch der italienische Partisaninnenverband ANPI regelmäßig daran teil. Die Reinwaschung faschistischer Verbrechen — die am Erinnerungstag keine Rolle spielen, obwohl sie ursächlich für die Vergeltung und auch die Exzesse der Karsthöhlen verantwortlich waren — wird somit billigend in Kauf genommen. Damit spielt man den Faschistinnen und ihrem Geschichtsrevisionismus in die Hände.

    BM Renzo Caramaschi hält Giovanni Benussi das Mikrophon (Bildquelle: Rai Südtirol)

    Was ich definitiv nicht verstehen kann, ist aber, dass das ANPI zwar — richtigerweise — den rechtsextremistischen, abendlichen Marsch von Marco Galateo kritisiert, bei der offiziellen Feierlichkeit aber still daneben steht, wenn der ehemalige Bozner Kurzzeitbürgermeister Giovanni Benussi eine offizielle Rede hält. So wie Puglisi Ghizzi sich am Abend als Vorsitzender des Comitato 10 febbraio verkleidete, war Benussi am Vormittag in seiner Rolle als Präsident der Vertriebenenvereinigung für Julien und Dalmatien vor Ort.

    Wahlplakat von 2015 – Querbalken von mir

    Beide waren aber Bürgermeisterkandidaten der Faschisten des dritten Jahrtausends, Benussi 2015 und Puglisi Ghizzi ein Jahr später. Schlimm genug, aber entlarvend, dass so ein Typ zu den offiziellen Feierlichkeiten eingeladen wird. Dass ihm der Bürgermeister (Mittelinks!) das Mikrophon hält, wundert mich auch längst nicht mehr. Wenigstens von einem Partisaninnenverband hätte man sich aber vielleicht doch noch erwarten dürfen, dass er seine Teilnahme am revisionistischen Spektakel davon abhängig macht, dass die offizielle Rede nicht von einem stolzen Faschisten gehalten wird, der den Südtirolerinnen einst sogar empfahl, Rosen vor dem Mussolini-Relief niederzulegen, weil der Faschismus für Südtirol so viel Positives gemacht habe.

    Beim nächsten Mal könnte auch gleich Puglisi Ghizzi eingeladen werden, dann kann sich der Vizelandeshauptmann die düstere Abendveranstaltung sparen.

    In einer früheren Fassung dieses Beitrags war fälschlicherweise behauptet worden, Giovanni Benussi habe für CasaPound auch im Gemeinderat gesessen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Plötzlich authentisch.
    ›Brixen Dolomites‹

    Lustig finde ich das jetzt ehrlich gesagt schon ein wenig: Brixen und Umgebung möchten sich touristisch fortan als Brixen Dolomites vermarkten, doch den Tourismusorganisationen von Gherdëina, Badia und Seiser Alm stößt das sauer auf. Gegen die unliebsame Konkurrenz aus dem Eisacktal führen sie unter anderem Argumente wie »Authentizität« und »Markenschwindel« ins Feld.

    Mit gefälschten Ortsbezeichnungen — von den faschistischen Erfindungen über Fantasiebezeichnungen (wie Meraner Land für das Burggrafenamt) bis hin zu »postfaschistischen« Übersetzungen (wie Orto del Toro für Stiergarten) — haben unsere Touristikerinnen seit jeher kein Problem. Im Gegenteil, sie werden teilweise bis zur totalen Unsichtbarmachung der deutschen und insbesondere ladinischen, historisch gewachsenen Namen forciert. Kulturgut als Verfügungsmasse der Vermarkter.

    Genausowenig stört es jemanden, dass Südtirol  — wissenschaftlich falsch — als Ferienregion mit »mediterranem« oder »alpin-mediterranem« Klima und »300 Sonnentagen im Jahr« verkauft wird. Mitunter erheben Touristikerinnen sogar die Forderung, Wetterberichte zu frisieren, um potenzielle Gäste nicht abzuschrecken.

    Wenn sich aber Brixen, dessen Hausberg (die Plose) — ob es gefällt oder nicht, ob man es so wahrnimmt oder nicht — nach gängiger Definition zu den Dolomiten gehört, dazu entschließt, diese Bezeichnung in sein Ortsmarketing zu übernehmen, soll das plötzlich nicht mehr authentisch genug sein.

    Sicher: Das Kerngebiet der Dolomiten liegt in den ladinischen Tälern, doch warum sollte ihnen daraus ein Alleinvertretungsanspruch Alleinverwertungsanspruch erwachsen?

    Die Debatte müsste doch wennschon eine andere, nämlich eine viel grundsätzlichere sein: Brauchen wir noch immer mehr Tourismusmarketing? Müssen wir noch mehr Menschen aus noch ferneren Regionen nach Südtirol holen, wo wir doch schon jetzt unter den immer größer werdenden Menschenmassen ächzen, die von Hotspot zu Hotspot pilgern? Diese Frage würde aber alle Tourismusregionen betreffen, vielleicht sogar vorrangig die, die jetzt die Stimme erheben, um ihre Pfründe zu verteidigen. Weshalb sie es wohl vermeiden werden, dieses Fass aufzumachen.

    Aber ja: Lasst uns gerne endlich auch über Authentizität im Tourismus reden. Dann aber redlich.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07



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  • 10. Februar: LH-Stellvertreter marschiert mit CasaPound.

    Gerade erst hatte die SVP sich selektiv von Rechtsaußen distanziert, da nimmt »ihr« Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo (FdI) — am neofaschistischen und revisionistischen »Erinnerungstag« — fackeltragend an einer martialischen Gedenkveranstaltung des Bozner Rechtsextremismus teil:

    Bilder: Comitato 10 febbraio – Querbalken von mir

    Neben ihm marschiert der ehemalige Gemeinderat von CasaPound (Eigenbezeichnung: »Faschisten des dritten Jahrtausends«), Maurizio Puglisi Ghizzi, diesmal verkleidet als Vorsitzender des nostalgisch-revanchistischen Comitato 10 febbraio, das den Marsch organisiert hat. Der Bozner Erinnerungsort erweist sich dabei einmal mehr als Pilgerstätte für Rechtsextreme.

    Hoffnungen, dass die SVP irgendwelche Konsequenzen daraus zieht oder auch nur etwas dazu sagt, mache ich mir längst keine mehr.

    Da geht — wenige Tage nach der Heuchelei am Holocaust-Gedenktag — der letzte Funken demokratischen Anstands dahin.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 05 06 || 01 02 03 04



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  • Baustellen: Gemeinde Bozen marginalisiert die deutsche Sprache.

    Aufgrund zahlreicher Beschwerden aus der Bevölkerung hatte die Gemeinde Bozen Baufirmen im August 2019 auf ihre Verpflichtungen bezüglich zweisprachiger Baustellenbeschilderungen hingewiesen. Gleichzeitig war die Bereitstellung eines entsprechenden Leitfadens beschlossen worden.

    Vor wenigen Tagen — Ende Jänner — veröffentlichte die Landeshauptstadt auf ihrem Internetauftritt eine Pressemitteilung zur Neugestaltung der Promenade an der Grieser Wassermauer, die folgendermaßen bebildert ist:

    Foto: Gemeinde Bozen – rote Markierungen von mir

    Daran sieht man, wie ernst es die Gemeinde mit der Zweisprachigkeit meint. Nicht einmal dort, wo die öffentliche Verwaltung selbst als Auftraggeberin in Erscheinung tritt, ist sie gewillt oder imstande, die einschlägigen Vorschriften zur Einhaltung zu bringen:

    • Offizielles Baustellenschild (gelb): Datum ohne Not123 Gennaio 2025 statt z.B. 23.01.2025 einsprachig italienisch eingetragen
    • Zutrittsverbotsschild: einsprachig italienisch
    • Fußgängerumleitung: einsprachig italienisch
    • Sicherheitshinweise für die Baustelle: einsprachig italienisch
    • Dauer der Arbeiten: einsprachig italienisch eingetragen

    Und zu allem Überfluss ist auch die Werbung der ausführenden Firma einsprachig italienisch.

    Die Gemeinde trägt also selbst aktiv zur Marginalisierung der deutschen Sprache im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt bei, anstatt ihr entgegenzuwirken. Ähnlich wie es unter anderem mit dem öffentlichen Bikesharing geschieht.

    Bezüglich der italienischen Sprache herrscht hingegen höchste Sensibilität: Wenn sie — wie bei den Busdurchsagen — noch nicht einmal fehlt, sondern bloß hinter Deutsch zweitgereiht ist, interveniert der Gemeinderat.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07

    • 1
      23 Gennaio 2025 statt z.B. 23.01.2025


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