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  • Selbstbestimmung: EU-Verordnung vorgeschlagen.

    EU-Abgeordnete der Grünen/EFA, der Europäischen Linken und von Renew (Liberale) haben heute im Rahmen des Self-Determination Caucus (SDC) den Entwurf einer Verordnung vorgelegt, die festlegen soll, was geschieht, falls sich ein Gebiet von einem Mitgliedsland loslöst, um einen neuen Staat zu gründen. Der SDC ist eine fraktionsübergreifende Gruppe von Parlamentarierinnen, die sich mit dem Recht auf Selbstbestimmung befassen. Als das Thema bei der Konferenz zur Zukunft Europas (CoFoE) großen Zuspruch erhalten hatte, letztendlich aber trotzdem ausgeklammert wurde, hatten die SDC-Mitglieder letztes Jahr versprochen, ihr Ansinnen konsequent weiter zu verfolgen.

    Dem nun vorgelegten Verordnungsentwurf zufolge soll die EU im Falle einer Sezession, die im Einvernehmen mit dem bisherigen Zugehörigkeitsstaat stattfindet, die Bürgerrechte und Freiheiten in Bezug auf die Bürgerinnen des sich abspaltenden Gebiets, aber auch auf Bürgerinnen anderer EU-Staaten, die sich in dem Gebiet aufhalten, aufrecht erhalten, solange die entsprechende Übergangsphase und etwaige Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft des neuen Mitgliedsstaates andauern und eventuell nötige Vertragsanpassungen abgeschlossen sind.

    Für ein faires Verfahren zur Ausübung der Selbstbestimmung werden die Grundprinzipien Demokratie, Pluralismus und Respekt für Diversität, Souveränität, Einhaltung der Grundrechte (insbesondere Minderheitenrechte), Rechtsstaatlichkeit, Gewaltfreiheit, Kooperationsbereitschaft und Subsidiarität festgelegt. Darüberhinaus sind mehrere Garantien, Bedingungen und sich daraus ergebende Konsequenzen definiert, ebenso wie Mechanismen, die die Einhaltung der europäischen Grundwerte sicherstellen sollen. Die EU soll dabei sowohl als Beobachterin als — falls erforderlich — auch als Mediatorin agieren und auch entsprechend intervenieren dürfen, wenn sich der Mitgliedsstaat oder das abspaltungswillige Gebiet nicht an die Grundprinzipien und Regeln halten.

    Um einen deliberativen Loslösungsprozess zu initiieren, soll nicht von vorn herein eine absolute Mehrheit nötig sein. Partizipative und repräsentative Demokratieformen sollen sich ergänzen, die Fragestellungen eindeutig sein, das Datum einer Abstimmung neutral und mit genügend Vorlauf festgelegt werden. Die involvierten Seiten müssen fair und gleich behandelt, Verhandlungen in guter Absicht geführt werden.

    Sind alle Bedingungen erfüllt, soll es für die europäischen Institutionen und die Mitgliedsstaaten eine Verpflichtung geben, das Ergebnis anzuerkennen, faire Verhandlungen zu führen und die Verträge entsprechend anzupassen, damit das nunmehr Staat gewordene Gebiet weiterhin Mitglied der EU bleiben kann, wenn es möchte und seine Einwohnerinnen sämtliche Rechte und Pflichten als EU-Bürgerinnen beibehalten.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08



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  • Frecce: Alles hat wieder seine (Unter-)Ordnung.

    Vor wenigen Tagen hatte ich aufzuzeigen versucht, dass man sowohl aus entgegengesetztem Nationalismus als auch aus einer antinationalistischen Position heraus gegen einen Auftritt der Frecce Tricolori in Südtirol sein kann. Der rechte SVP-Kandidat Harald Stauder hatte zuvor darauf hingewiesen, dass der für Ende September geplante Überflug in einem ethnisch sensiblen Gebiet wie dem unseren problematisch wäre. Doch inzwischen hat sich die Lage schon wieder grundlegend verändert.

    Schon wenige Tage später hat Stauder nämlich in einem Interview mit dem A. Adige seine Aussagen zurückgenommen, seine Bewunderung für die italienisch-nationalistische Kunstflugstaffel zum Ausdruck gebracht und nicht mehr ausgeschlossen, dass er sich die Show sogar persönlich ansehen wird. Damit hat alles wieder seine Ordnung — in meiner Grafik hat sich der Lananer Bürgermeister und Landtagskandidat elegant vom unbequemen blauen ins graue Feld zu Marco Galateo (FdI) und all den anderen bewegt. Italienischsprachige Politikerinnen werden ja vom Gedanken, dass eine nationalistische Show in Südtirol — umso mehr während in Rom eine neofaschistische Regierung an der Macht ist — keine so gute Idee sein könnte, offenbar noch nicht einmal gestreift. Und die Parteien, von denen man sich eine antiimperialistische Stellungnahme erhoffen könnte, schweigen höchstens, wie sie es in solchen Fällen eigentlich fast immer tun. Sich gegen den banalen Nationalismus zu stellen, würde etwas Mut, Kohärenz und Durchhaltevermögen erfordern. Da schwenkt man doch lieber gleich die Trikolore mit.

    Ein friedliches Zusammenleben zwischen den Sprachgruppen gibt es also in Südtirol auch weiterhin (und immer mehr) nur unter der Voraussetzung, dass sich alle der Titularnation unterordnen und sich erzwungenermaßen mit ihren Symbolen identifizieren. Das war schon beim Alpini-Aufmarsch 2012 so und hat sich in dem seitdem vergangenen Jahrzehnt nicht gebessert. Wer dagegen etwas einzuwenden hat, ist lediglich ein lästiger Spielverderber.

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02 03 04 05



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  • Köllensperger und die Gastarbeiter.

    Nicht nur Grünen-Chef Felix von Wohlgemuth offenbart mit seinem »verwirkten Gastrecht« ein (für einen Progressiven) fragwürdiges Verständnis vom Umgang mit Menschen. Schon Paul Köllensperger (TK) hatte diesbezüglich im ORF-Sommergespräch von Südtirol heute vorgelegt:

    David Runer: Stichwort Migration, also nicht Asyl: Wie ist die Position Ihrer Partei dazu?

    Paul Köllensperger: Also, zum Ersten einmal, wir brauchen Migration, denn unsere Betriebe hier würden — von der Gastronomie bis zur Industrie — völlig ohne ausländische Gastarbeiter nicht auskommen, ja? Zum Zweiten haben wir in Südtirol, wie jede Gemeinschaft, natürlich das Recht, uns die Frage zu stellen, was die neuen Mitglieder unserer Gemeinschaft — und ich möchte, wenn wir Leute holen, dass die auch Mitglieder der Gemeinschaft werden — was die dazu beitragen. Und Integration gelingt in der Regel über Sprache und über Arbeit. Ich sehe Länder, die absolut demokratisch sind, wie die Schweiz oder wie Kanada, die hier eben diese Frage sich ganz prinzipiell stellen. Südtirol hat hier leider sehr wenig Handhabe, das sind Staatsgesetze, wie das geregelt wird. Da hätten wir jetzt eine Regierung in Rom, die sehr viel versprochen hat in die Richtung, die jetzt beweisen kann, dass sie was macht. Aber ich würde natürlich schon ein System sehen, wo wir gerne ausländische neue Mitglieder der Community aufnehmen, aber dann auch nach sechs [oder] nach zwölf Monaten die Frage stellen: Hast du die Sprache gelernt, hast du einen Arbeitsplatz gefunden, hast du eine Ausbildung gemacht? Dann bist du willkommen. Hast du das alles nicht gemacht, dann wahrscheinlich bist du eben hier fehl am Platz. Ich denke, dass… wenn man auf der Welt herumschaut… es gibt keinen zweiten Fall wie in Europa, wo man eigentlich eine relativ unkontrollierte Einwanderung in die eigenen Sozialsysteme zulässt. Und wenn wir das nicht sinnvoll mit Hausverstand regeln, dann werden wir überall die rechten Schreier — angefangen bei der AfD — irgendwann an der Regierung haben. Und ich möchte eigentlich das verhindern.

    D. R.: Was heißt dann »fehl am Platz«, was soll dann passieren nach zwölf Monaten, wenn jemand vielleicht keinen Arbeitsplatz hat?

    P. K.: Man muss schauen, dass diese Leute dann wieder entweder rückgeführt werden in ihre Herkunftsländer oder dass man ihnen einen Arbeitsplatz beschaffen kann, den müssen sie dann aber auch ausfüllen. Wenn es diesen Arbeitsplatz nicht gibt, dann hat das ganz einfach gar keinen Sinn, dass diese Leute hier bleiben. Man sieht ja, was dann mit diesen passiert, das ist auch ihnen gegenüber keine Lösung.

    Transkription und Hervorhebungen von mir

    Wir halten also fest:

    • Eine völlig utilitaristische, paternalistische (und auch egoistische) Konzeption von Zuwanderung.
    • Neue Mitglieder unserer Gesellschaft — pardon: Gastarbeiter! — müssen nützlich sein, andernfalls sie ausgeschafft werden.
    • Rechte Schreier verhindert man, indem man Forderungen erhebt, die mit den ihren deckungsgleich sind.
    • Bitte keine AfD, doch von einer gleichgesinnten Regierung in Rom erhofft man sich, dass sie ihre faschistoide Zuwanderungspolitik umsetzt.


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  • Die ff empfiehlt der SVP einen Rechtsruck.

    Nicht nur Politikerinnen (wie Grünen-Chef Felix von Wohlgemuth) rennen in Wahlkampfzeiten den Rechten hinterher und bedienen ihre vereinfachenden Narrative, sondern auch vermeintlich progressive Medien wie die ff. In ihrem Leitartikel vom 24. August (Ausgabe Nr. 34/2023) forderte Ex-Chefredakteurin Alexandra Aschbacher die SVP sogar ausdrücklich dazu auf, ihr Profil »rechts von der Mitte« zu »schärfen« — wegen der angeblichen Unsicherheit, die in ganz Südtirol »hochaktuell und real« sei. Herhalten mussten für diesen Aufruf Gewalttaten, die allesamt von Personen ausländischer Herkunft verübt wurden, eine Tatsache, die Aschbacher sogar ausdrücklich unterstreicht. Folgerichtig stellt sie einen direkten (und ausschließlichen) Zusammenhang zwischen innerer Sicherheit, Gewaltdelikten und Einwanderung her. Seit dem Abgang rechter Hardliner wie Franz Pahl und dem Rassisten Roland Atz habe die SVP verlernt, Dinge beim Namen zu nennen, die rechte Flanke sei jetzt offen. Ach so?

    »Ohne sich zu radikalisieren«, so die völlig paradoxe Forderung von Aschbacher, müsse sich die SVP — die ja ohnehin schon mit Rechtsradikalen regiert und keinerlei Berührungsängste mehr mit Faschos hat — noch weiter nach rechts bewegen, wenn sie nicht die Wahlen verlieren wolle. Für die Demokratie wäre das ihrer Meinung nach gut, denn die benötige Parteien, die sich klar unterscheiden. Spätestens hier wird aber die ganze Absurdität und Unausgegorenheit der Stellungnahme offensichtlich, denn Aschbacher hatte wenige Absätze früher selbst darauf verwiesen, dass dieses Spektrum von STF, Freiheitlichen und Jürgen Wirth Anderlan abgedeckt wird. Wo da rechts der Mitte noch Raum für Unterscheidbarkeit sein soll, ist daher absolut schleierhaft; umso mehr wenn wir berücksichtigen, dass sich da zudem noch FdI, Lega, Centro Destra und FI tummeln.1aber auch Teile der angeblichen Linken

    Es scheint doch vielmehr und auf völlig durchsichtige Weise darum zu gehen, Sicherheit als ursprünglich rechtes Thema darzustellen, dem nur mit Härte, Repression und Diskriminierung beizukommen sei. Das ist eins zu eins die Wiedergabe rechter Propaganda, denn in Wahrheit ist Sicherheit genauso ein linkes wie ein rechtes Anliegen. Nur die Rezepte, wie man es erreicht2z.B. Priorität auf Ordnungspolitik/Repression oder auf Sozialpolitik/Prävention und zum Teil vielleicht auch die Definition selbst, was Sicherheit ist, unterscheiden sich.

    Nicht zuletzt sei daran erinnert, dass die einschlägigen Kompetenzen ohnehin nur am Rande bei Südtirol liegen. Für die innere Sicherheit, insbesondere für die Polizei, die den repressiven Part erledigt, ist auch hierzulande hauptsächlich die neofaschistische römische Regierung zuständig. Wenn also die billigen rechten Lösungen funktionieren würden, wäre die Angelegenheit schon in den »richtigen« Händen. Weiterer Rechtsruck überflüssig.

    • 1
      aber auch Teile der angeblichen Linken
    • 2
      z.B. Priorität auf Ordnungspolitik/Repression oder auf Sozialpolitik/Prävention


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  • Verknappter Debattenraum.

    Die Diskussion zum geplanten Überflug der Frecce Tricolori ist wieder einmal ganz typisch für Südtirol: Harald »das wird man doch wohl noch sagen dürfen« Stauder (SVP), der sich der rechtsextremen Deutschen Burschenschaft anbiedert, fordert die Absage der Flugshow, weil Südtirol ein ethnisch sensibles Land sei. Marco Galateo (FdI) von den neofaschistischen Fratelli gibt sich empört und will den Südtirolerinnen den italienischen Nationalstolz aufzwingen.

    Und schon findet auch diese Debatte fast ausschließlich auf der Achse »deutscher« Nationalismus versus »italienischer« Nationalismus statt. Der Versuch einer grafischen Darstellung, wobei die Farben zufällig gewählt sind:

    Fig. 1

    Grüne und Linke positionieren sich zu dem Thema gar nicht, weil sie befürchten, sich dann irgendwo auf dieser Achse einordnen zu müssen. Ergreifen sie nicht Partei, begeben sie sich aber auf die Seite des Stärkeren — heißt: des banalen Nationalismus, der sich nicht rechtfertigen muss.

    Im konkreten Fall ist erstaunlich, dass etwa die Grünen öffentlich wahrnehmbar nicht einmal das naheliegende Argument des Umwelt- und Klimaschutzes in die Debatte einbringen, weil sie vermutlich Angst haben, dass man selbst dies nur als Vorwand für die Unterstützung des einen zu lasten des anderen Nationalismus aufnehmen könnte. Im verknappten Debattenraum würden man sie dann irgendwo bei Harald Stauder einreihen (vgl. Fig. 3 links).

    Doch der Raum für die Debatte könnte auch viel größer sein, wenn man zum Beispiel neben dem deutschen und dem italienischen Nationalismus auch antinationalistische Positionen berücksichtigt:

    Fig. 2

    Das wird der Realität in Bezug auf die berücksichtigten Achsen nämlich schon deutlich gerechter. In das hier oben skizzierte, vervollständigte Spektrum kann man sich auch alternativ zu den beiden Nationalismen einordnen.

    Das würde es dann gestatten, auf weiteren »Achsen« auch andere Themen wie die schon genannte Ökologie oder auch die unnötige Geldverschwendung1rund zwei Millionen Euro soll ein Auftritt der nationalistischen Kunstflugstaffel kosten zu bearbeiten, ohne deswegen notwendigerweise irgendwo zwischen Galateo und Stauder zu landen (Fig. 3 rechts):

    Fig. 3

    Cëla enghe: 01 || 01 02 03

    • 1
      rund zwei Millionen Euro soll ein Auftritt der nationalistischen Kunstflugstaffel kosten


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