Autorinnen und Gastbeiträge →

  • 2.168.400.000.000 €

    Autor:a

    ai

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    58 Comentârs → on 2.168.400.000.000 €

    Diese unglaubliche Zahl gibt die Staatsschuld an, die Italien bis Juni 2014 angehäuft hat. Trotzdem regt sich kaum jemand auf, von Panik keine Spur, die Presse vermeldet einen neuen Rekordstand und der Alltag geht weiter.
    Ich habe den Eindruck, die Bevölkerung kann schon lange nicht mehr verstehen was hier abläuft. Trotz rigider Sparmaßnahmen steigt die Staatsschuld unaufhörlich — wie kann das sein? Es ist an der Zeit, das Phänomen Staatsschulden ein bisschen näher zu beleuchten.

    Staatsschulden sind bis zu einem gewissen Ausmaß nicht schlecht, vielfach waren und sind sie notwendig, um eine Wirtschaft zu stabilisieren oder wieder in Gang zu bringen. Alles ist eine Frage des Ausmaßes, ein Unternehmer hat meist einen Kredit laufen, um beispielsweise Investitionen zu tätigen, die es später einmal ermöglichen, den Kredit zu tilgen. Also alles in Butter? Problematisch wird es, wenn die Schulden stetig steigen und immer neue Schulden aufgenommen werden müssen, um die Zinsen zu zahlen. Genau das ist in vielen Volkswirtschaften der Fall, europaweit haben sich in den Krisenjahren die Schulden vieler Länder massiv erhöht. Deutschland hingegen hat nach vielen Jahrzehnten des Schuldenmachens im letzten Jahr erstmals seit 1950 Staatschulden abgebaut und zwar aufgrund guter konjunktureller Umstände, durchgeführter Reformen und strikter Haushaltspolitik.
    Staatschulden müssen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft eines Landes gesehen werden. Italien steht mit 134% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt an viertletzter Stelle der Welt und hat die zweithöchste Quote nach Griechenland in der EU. Besonders die Schuldendynamik ist besorgniserregend, seit dem Krisenbeginn im Jahr 2007 stieg die Verschuldung von 103% auf 132%. Der Hauptgrund liegt in der wirtschaftliche Krise, die Einnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück, die Ausgaben steigen aber unverhältnismäßig aufgrund sozialer Notwendigkeiten.

    Defizit = Zinssatz x Schuld + öffentliche Ausgaben – öffentliche Einnahmen

    Sind die Einnahmen eines Staates größer als die Ausgaben ohne Zinszahlungen, liegt ein Primärüberschuss vor, dies war in Italien im letzten Jahr der Fall, es mussten allerdings noch die Zinsen auf angehäufte Staatschulden bezahlt werden. Die überstiegen aber die Einnahmen, sodass sich die Gesamtschuld weiter erhöhte. Dieser Prozess beschleunigt sich, je höher die Gesamtverschuldung ausfällt, wie wir in den letzten Jahren sehen konnten.

    Ein Staat kann folglich wirksam seine Schulden nur abbauen, wenn die Einnahmen über die Ausgaben plus Zinszahlungen liegen. In Italien wurden im letzten Jahr öffentliche Einnahmen im Ausmaß von 744,873 Mia. Euro erzielt, die Ausgaben ohne Zinszahlungen betrugen rund 710,177 Mia. Euro, damit wurde ein Primärüberschuss von 34,696 Mia. Euro erreicht. Allerdings betrugen die Zinszahlungen 78,81 Mia. Euro,  womit ein Nettodefizit von 44,11 Mia. Euro zusätzlich angehäuft wurde. Wie die Zinszahlungen das Defizit beeinflussen, sollte anhand einer Zahl belegt werden: Seit dem Jahr 1993 hat Italien allein für für Zinsen 1.650 Mia. Euro ausgegeben, dies entspricht drei Viertel des aktuellen Staatsdefizites!

    Defizit

    Im Jahr 2013 mussten 5,3% des BIP für Zinszahlungen aufgenommen werden, denn obwohl der Haushalt einen primären Einnahmenüberschuss von 2,3% aufwies, reichte dies nicht aus, um die Zinsen zu bedienen. Dieser Teufelskreis von Nettodefiziten und Erhöhung der Staatsschuld kann nicht ewig weitergehen, sondern nur solange, bis das Vertrauen der Kreditgeber anhält. Wann diese magische Grenze erreicht wird, hängt nicht zuletzt von psychologischen Faktoren ab, deshalb ist es auch verständlich, dass seit Jahren immer wieder gebetsmühlenhaft von der Politik die konjunkturelle Wende angekündigt und diese dann immer wieder auf das nächste Jahr verschoben wird, obwohl alle Indikatoren keine nachhaltige Besserung aufzeigen. Viele europäische Länder sind damit in eine Postwachstumsphase eingetreten, Ökonomen streiten sich noch, wie anhaltend diese Stagnation bzw. Nullwachstumsphase sein wird. Klar ist, dass die in den fünfziger und sechziger Jahren erreichten Schübe sich nicht mehr wiederholen werden. Vieles deutet darauf hin, dass es noch schlimmer kommt. Die EZB hat ihre geldpolitischen Maßnahmen (Zinssatz)  ausgeschöpft und steht nun sozusagen ohne Instrumente, außer dem massiven Aufkauf von Staatschuldpapieren, da. Die italienische Politik verkündet ein ums andere Mal den Aufschwung, der aber nie kommt. Einem Staat mit einer derartigen Verschuldung kann auch nicht mehr durch neues Schuldenmachen auf die Beine geholfen werden, vielmehr müssten strukturelle Reformen angegangen werden, die aber konsequenterweise das gesamte Staatsgebilde in Frage stellen. Wie schwierig es mittlerweile ist, wieder eine gesunde Wirtschaft und ein erträgliches Maß an Verschuldung zu erreichen, kann in einer jüngst veröffentlichten Studie nachgelesen werden. Es wurden die Möglichkeiten untersucht, wie Staaten der EU die Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht erreichen können, d.h. ein Defizit von 60% im Verhältnis zum BIP. Die Autoren kommen zum Schluss:

    For the debts of Europe’s problem countries to be sustainable, absent restructuring, foreign aid or an unanticipated burst of inflation, their governments will have to run large primary budget surpluses, in many cases in excess of 5% of GDP, for periods as long as ten years. History suggests that such behaviour, while not entirely unknown, is exceptional. Countries that have run such large surpluses for such extended periods have faced exceptional circumstances.

    On balance, this analysis does not leave us optimistic that Europe’s crisis countries will be able to run primary budget surpluses as large and persistent as officially projected.

    Im Falle Italiens wurde errechnet, dass über eine Periode von 2020 bis 2030 ein anhaltender Primärüberschuss von 6,6% erreicht werden müsste — völlig utopisch.

    Damit ist klar, dass die Höhe der Staatsschuld sehr wohl ein Problem darstellt, obwohl dies politische Kreise immer wieder verneint haben. Staatschulden sind eine Besteuerung zukünftiger Generationen und damit unsolidarisch, sie rauben uns heute den Handlungsspielraum und führen ab einer bestimmten Höhe zusammen mit negativen Wachstumsaussichten unweigerlich in eine tiefe Krise. Hat denn schon jemand die zukünftigen Steuerzahler gefragt, ob sie einverstanden sind, unsere Zeche zu bezahlen? Viel wird von Solidarität gesprochen, genau hier wird sie aber ausgeblendet. Dieses verantwortungslose Treiben der letzten Jahrzehnte, sowohl von linker wie auch von rechter Seite unterstützt, wird der Jugend in Italien bereits heute zum Verhängnis. Zudem können alle Nullwachstumsbefürworter heute anschaulich verfolgen, was passiert, wenn eine Wirtschaft nicht mehr wächst und gleichzeitig Altlasten aus früheren Jahren bestehen: Eine Verarmung vieler Bevölkerungsschichten bei gleichzeitiger massiver Benachteiligung der Jugend.

    Das Staatsdefizit hat in Italien mittlerweile eine Höhe erreicht, die bei nüchterner Betrachtung aller Indikatoren zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit mathematischer Gewissheit in den Staatsbankrott führt. Es ist an der Zeit, dass wir Verantwortung für die nachfolgenden Generationen übernehmen und ein anderes politisches Modell wählen, das uns nicht unweigerlich in eine tiefe Krise führt. Wir sind es unseren Kindern schuldig.



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  • Dann macht mal schön.
    Quotation

    Ja, und hier sag ich ganz klar. Jene Protagonisten, die die Busverbindung wollten, die müssen jetzt ein Konzept ausarbeiten und die Verantwortung dafür auch übernehmen.

    — Bgm. Albert Pürgstaller

    Der Brixner SVP-Bürgermeister Albert Pürgstaller legt im Salto-Interview ein recht eigenwilliges Demokratieverständnis an den Tag. Es ist natürlich begrüßenswert, wenn Bürgerinnen und Bürger an Prozessen wie Konzipierung und Umsetzung beteiligt werden. Aus einer Volksabstimmung jedoch eine Verpflichtung abzuleiten, dass die Befürworter einer Lösung für deren Umsetzung verantwortlich seien, ist hanebüchen. Selbst wenn die Abstimmung durch eine Volksinitiative erwirkt worden wäre, was nicht der Fall war, gäbe es die vom Bürgermeister angesprochene Verpflichtung nicht. Stadtrat und Gemeinderatsmehrheit sind für die Umsetzung des Volksentscheides zuständig und verantwortlich.



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  • Die Wutbürger und der Medienterror.

    Ein paar Beobachtungen rund um die Seilbahn-Volksabstimmung in Brixen.

    Der “Medienterror”

    Terror ist ein hartes Wort, vor allem wenn man bedenkt, in welchem Zusammenhang wir dieser Tage von Terror sprechen. Emotion ist freilich ein wesentlicher Bestandteil der Politik und natürlich auch der direkten Demokratie. Um ein letztes Mal in der doch eher unpassenden Kriegsrhetorik zu bleiben, wäre es nun aber angebracht, die Geschütze herunterzufahren und verbal abzurüsten. Ich würde im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Seilbahnabstimmung lieber von einer massiven Medienkampagne sprechen wollen. Ob die Kampagne fair, geschickt oder vielleicht doch sogar kontraproduktiv war, steht freilich auf einem anderen Blatt.

    Es gibt den schönen Spruch, dass man das Wort “objektiv” aus seinem Wortschatz streichen sollte, es sei denn man arbeitet in einem Fotofachgeschäft. Den interpretativen Journalismus – also jene Art von Journalismus, der Situationen und Ereignisse neutral aus mehreren Blickwinkeln betrachtet – zeichnet aber schon eine gewisse Objektivität aus. Demgegenüber steht der Meinungsjournalismus, bei dem – beispielsweise in Leitartikeln und Kommentaren – klar Stellung bezogen wird. Dass private Medien und Zeitungen Partei ergreifen ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Im anglo-amerikanischen Raum ist das sogar recht gängig. Die angesehene New York Times und andere Qualitätszeitungen haben dutzendfach ziemlich direkte Wahlempfehlungen abgegeben. Und die Kampagnen der österreichischen Kronenzeitung sind ebenso berühmt wie berüchtigt.

    Worin ich sehr wohl ein Problem sehe ist, wenn Meinungsjournalismus unter dem Mäntelchen normaler redaktioneller Berichterstattung daherkommt bzw. wenn die Grundregel der Berichterstattung – nämlich die Betrachtung aus mehreren Blickwinkeln – regelmäßig vorsätzlich verletzt wird und Ein-Quellen-Artikel überhand nehmen. Meinungsjournalismus sollte speziell in Medien mit Qualitätsanspruch immer klar gekennzeichnet sein. Immer häufiger kann man in jüngster Zeit aber auch beobachten, dass sogar bezahlte Einschaltungen als redaktionelle Artikel getarnt werden. Das Layout unterscheidet sich kaum oder gar nicht.

    Dieses Durchsickern von Meinung hat man aber nicht bloß in den Athesia-Medien beobachten können. Auch die Gegenseite – also Medien wie salto.bz, die ich tendenziell eher auf Seiten der Busvariante verortet habe – hielt mit ihrer Meinung nicht immer hinter dem Berg.

    Die unauffälligste und zugleich effektivste Möglichkeit, Berichterstattung zu lenken, besteht jedoch in der Auswahl der Nachrichten. Dass Zeitungen nicht jede Presseaussendung voll abdrucken können, liegt auf der Hand. Und so sind die Fragen “Was lasse ich weg?” oder “Wem gebe ich wieviel Raum?” wahre Gretchenfragen.

    Die Wutbürger

    Die Situation in Brixen hatte schon etwas von Klassenkampf und Anti-Establishment. Interessant ist dabei vor allem, dass die Dolomiten im Rahmen des so genannten “Rentenskandals” die Wütbürger noch auf ihrer Seite wussten bzw. diese bisweilen sogar “erschuf” und als ihr Sprachrohr fungierte. In Brixen richtete sich der Zorn der Wutbürger dann unter anderem auch gegen die “manipulierende Medienmacht der Athesia”. Wobei die Macht der Athesia wiederum in einem weltweiten Kontext betrachtet so ungewöhnlich nicht ist, wenn man an Rupert Murdoch denkt. Der amerikanische Nachrichtenmarkt wird von nur fünf großen Konzernen dominiert, denen hunderte von Zeitungen, TV-Kanälen und Webseiten gehören. Diese suggerieren also nur Vielfalt. Südtirol hingegen verfügt tatsächlich über eine gewisse Vielfalt, wenngleich der Athesia-Konzern schon eine extrem dominante Position einnimmt. Dennoch wird es irgendwie widersprüchlich, wenn im Aftermath zur Volksabstimmung von Manipulation durch die Medien und gleichzeitig von mündigen Bürgerinnen und Bürgern die Rede ist.

    Direkte Demokratie in den Kinderschuhen
    Südtirol hat diese Form der Demokratie relativ neu für sich entdeckt. Ich stelle fest, dass es daher noch ein wenig an der Umsetzung hapert. Direkte Demokratie bedeutet nämlich nicht, einfach nur eine Abstimmung abzuhalten. Der Prozess davor ist mindestens genauso wichtig. Meiner Meinung nach sogar wichtiger. Die so genannte deliberative Demokratie – also jene Beteiligungsformen bei denen beraten und informiert wird – wurde sträflich vernachlässigt.

    Diesbezüglich darf man sich auch nicht bloß auf die Medien einschießen. Die öffentliche Verwaltung – sprich die Gemeinde – hätte hier die Aufgabe – nach meinem Dafürhalten sogar die Verpflichtung, ausgewogen zu informieren. Oder eine solche Information zumindest zu ermöglichen. In Mals erhielten die Bürgerinnen und Bürger vor der Abstimmung beispielsweise eine Broschüre, in der Befürworter und Gegner ihren Standpunkt darlegen konnten. In Brixen gab es das soweit mir bekannt ist nicht. Auch gab es keine – von “neutraler Seite” organisierte Möglichkeit, in der Gegner und Befürworter gemeinsam sich in einem großen Rahmen den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellten.

    Das Resultat in Brixen war, dass große Verwirrung und Unzufriedenheit herrschte und das Wahlvolk – wie es viele empfanden – zwischen Not und Elend entscheiden durfte. Wenn sich die Stimmbürger von vornherein nicht einmal mit Antwortmöglichkeiten identifizieren können, ist direkte Demokratie zum Scheitern verurteilt. Wir haben jetzt die Situation, dass mitunter ökosozial eingestellte Wählerinnen und Wähler über einen vermehrten COâ‚‚-Ausstoß, mehr Straßenverkehr und eine höhere Lärmbelästigung für die Anwohner jubeln. Dieser Umstand ist der Fragestellung geschuldet, denn ich wage zu behaupten, dass die wenigsten tatsächlich wollen, dass sich dutzende Busse durch Milland schlängeln. Aber es war halt die einzige Möglichkeit, sich effektiv gegen DIESE Seilbahn auszusprechen, ohne als kompletter Verhinderer dazustehen, der den Status Quo will.

    “Direkte Demokratie ist schuld”

    Ich befürchte, dass nun dieses schlechte Beispiel Brixen dazu missbraucht werden könnte, um der direkten Demokratie im Allgemeinen die “Funktionstüchtigkeit” abzusprechen. Erste Tendenzen diesbezüglich hab ich schon gelesen. Dabei war in diesem Fall nicht das Mittel sondern der Modus schuld.

    Diesbezüglich ist vor allem interessant wie im Nachhinein mit den Abstimmungsergebnissen umgegangen wurde. Die Malser Pestizidabstimmung wurde beispielsweise für illegal erklärt. Ein Aspekt einer Volksabstimmung ist natürlich die rechtliche Grundlage. Ein anderer die politische Botschaft. Und die war ziemlich deutlich. Ich halte es für bedenklich, wenn man nur “juridisch” argumentiert. Die Volksabstimmung ist Ausdruck eines politischen Willens. Jedes Gesetz ist aufgrund eines politischen Willens entstanden und kann somit auch mit politischem Willen geändert werden. Ich sage jetzt nicht, dass die Malser die EU-Gesetze umschreiben können. Aber man sollte sich davor hüten, eine starke Willensbekundung als illegal abzutun. Ähnliches beobachten wir ja in Katalonien, wo der Zentralstaat den Katalanen eine Volksabstimmung zur Unabhängigkeit verbieten möchte, da dies verfassungswidrig sei.

    Nach der Brixner Abstimmung sprachen die Dolomiten von einer knappen bzw. hauchdünnen Mehrheit für den Bus. Die Auffassung, was knapp ist, ist subjektiv. Nach meinem Dafürhalten ist knapp etwas anderes. 12 Stimmen oder 1 Prozentpunkt bei der Volksbefragung in Meransen. Das ist hauchdünn. Aber 750 Stimmen in Brixen? 500 Stimmen in Florida haben George W. Bush die amerikanische Präsidentschaft gesichert – und das bei über 100.000.000 abgegebenen Stimmen. Selbst wenn man die Prozentsätze nicht auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen bezieht, sondern auf die Wahlberechtigten, wie das die Dolomiten am Montag gemacht haben, sind immer noch über 4 Prozentpunkte Unterschied zwischen 24,98 und 29,37. Ein Ergebnis auf die Zahl der Wahlberechtigten und nicht auf die Zahl der abgegebenen Stimmen zu beziehen ist sehr sehr ungewöhnlich, aber im Brixner Fall nicht gänzlich unberechtigt, da ja das Zustimmungsquorum ausschlaggebend war. Wobei es beim Erreichen des Zustimmungsquorums von 25 Prozent der Wahlberechtigten nur um die Gültigkeit der Abstimmung geht. Das Ergebnis der Abstimmung wird richtigerweise dennoch in Bezug auf die abgegebenen Stimmen berechnet. Dabei hat der Bus sogar eine absolute Mehrheit (50,06 %) erzielt und liegt 7 Prozentpunkte vor der Seilbahn. Nimmt man die Status-Quo-Stimmen dazu, haben sich 56,29 Prozent nicht für die Seilbahn ausgesprochen. Ich wage zu behaupten, dass im umgekehrten Fall nicht von einem knappen oder hauchdünnen Vorsprung die Rede gewesen wäre.

    Siehe auch: 01 02



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  • Brixen gegen die Arroganz.

    Die Brixnerinnen haben gestern entschieden — schlecht entschieden. Nein: Ich stelle damit nicht einen direktdemokratischen Entscheid in Frage, wie es in Südtirol leider gang und gäbe ist. Vielmehr war bei der gewählten Fragestellung gar keine gute Entscheidungsfindung möglich. Sie war Ausdruck von Verwirrung, stiftete ihrerseits noch mehr Verwirrung und fußte auf Arroganz. Zudem hätten die drei Antwortmöglichkeiten die Seilbahngegnerinnen spalten und schwächen können, vielleicht sogar sollen. Man war sich so wohl ziemlich sicher, einen Sieg einfahren zu können — ohne Kompromisse und ohne wirklich auf die Zweifel vieler Menschen einzugehen.

    Ich habe für die Seilbahnverbindung gestimmt, aber mit sehr großen Bauchschmerzen. Nicht sosehr wegen des Überflugs, wiewohl ich einen Vorschlag unterbreitet hatte, der dieses Problem zumindest entschärft hätte, sondern vor allem, weil ich mich damit auf die Seite einer arroganten und selbstgefälligen Kampagne schlagen musste, die die Bürgerinnen für dumm verkaufen wollte. Und das peinliche Großaufgebot der Athesia-Medienmacht war wohl nicht illegal, aber mit Sicherheit unerträglich. Aus all diesen Gründen ist es erfrischend und gut, dass sich die Mehrheit der Brixnerinnen nicht hat manipulieren lassen. Wobei ich freilich eine Intensivierung der Busverbindungen (und des CO2-Ausstoßes) nicht begrüße.

    Die direkte Demokratie wird nun wohl allmählich auch die »Mächtigen« in Südtirol lehren, dass man den Bürgerinnen mit Bescheidenheit und auf Augenhöhe begegnen muss, wenn man sich keine blutige Nase holen will. Zumindest insofern ist das Abstimmungsergebnis eine Wohltat.



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  • Wohltuende Argumente — für alle?

    Die Malser Bevölkerung hat sich kürzlich in einer Abstimmung für das Verbot gefährlicher Pestizide auf dem Gemeindegebiet ausgesprochen. Und nun versuchen die Gegner, anstatt sich ihre Niederlage einzugestehen, das eindeutige Ergebnis mit mehr oder minder unlauteren Methoden hinfällig zu machen. Da werden Studien zitiert, die die Harmlosigkeit der Pestizide belegen sollen, als befände man sich noch im Abstimmungskampf; und da werden juristische Spitzfindigkeiten vorgeschoben, um die angebliche Unwirksamkeit der politischen Willensbekundung zu belegen.

    In dieser Situation melden sich nun aber auch Menschen zu Wort, die diese Strategien als das entlarven, was sie sind: unfair und undemokratisch, mindestens. Aufschlussreich ist dies jedoch auch deshalb, weil denselben Kommentatoren diese Einsicht urplötzlich abhanden kommt, wenn es um andere Themen — allen voran die Selbstbestimmung — geht, was nahelegt, dass nicht nach demokratischen Grundsätzen, sondern nach ideologischen Vorlieben argumentiert wird. Und leider ist auch dies unfair und undemokratisch.

    So fallen etwa im dieswöchigen ff-Leitartikel von Georg Mair bezüglich Malser Volksabstimmung sehr erstaunliche Sätze wie jener, dass es eine Missachtung des Wählerwillens wäre, die Debatte »mit formaljuristischen Argumenten vom Tisch zu wischen«. Bei der Selbstbestimmung wird jedoch immer wieder auch dies gemacht.

    Im ständigen Verweis auf Gesetze schwingt auch die Angst mit, dass die Volksabstimmung ihre Gültigkeit behält oder die Malser einen geschickten Weg finden, die Absicht der Bürgerinnen und Bürger so umzusetzen, dass man der Umsetzung nicht leicht beikommen kann.

    Es wird betont, dass die Bürgerinnen der Vinschger Gemeinde sich nicht um die Meinung anerkannter Autoritäten (in diesem Fall der Bauernbund) geschert haben, sondern »so frech [waren], eine eigene zu haben«.

    Am liebsten hätte man, so scheint es, wenn die EU-Kommission in Brüssel, die Regierung in Rom und die Regierungskommissarin in Bozen die Volksabstimmung von Mals mit einem Federstrich annullieren würden.

    Mair plädiert dafür, den Willen der Bürgerinnen über rechtliche und Zuständigkeitsfragen zu stellen und die Gelegenheit zu nutzen, um im Sinne des Bevölkerungswillens eine Bioregion zu etablieren. Es werde nicht gelingen, so Mair, die Diskussion zu entschärfen, »wenn man gegen das Volk vor Gericht zieht«. Ganz richtig!

    Jetzt wäre aber schön, dass solch wohltuende Argumente nicht nur dann vorgebracht werden, wenn man mit der Abstimmung inhaltlich einverstanden ist — sondern grundsätzlich und prinzipiell. Schließlich lebt Demokratie davon, dass alle politischen Ansichten ernst- und zur Kenntnis genommen und dann respektiert werden. Nicht nur in Mals. Nicht nur die, die einem selbst gefallen. Und auch über formaljuristische Erwägungen hinaus.

    Siehe auch: 01 02 || 01



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  • Zeller, Schottland und politische Strategie.

    Nach der Selbstbestimmung in Schottland hat in Südtirol die Stunde der rhetorischen Akrobaten geschlagen — und da durfte natürlich ein Karl Zeller, dem kein Widerspruch zu groß ist, nicht fehlen. Im gestrigen RaiSüdtirol-Mittagsmagazin sagte er sinngemäß, die Schottinnen hätten sich mit der Abhaltung der Abstimmung einen Bärendienst erwiesen, weil ihnen nun das größte Druckmittel gegen London (nämlich die Drohung mit der Abspaltung) abhanden gekommen und nun jegliche Verhandlung viel schwieriger geworden sei. Man müsse sich nun darauf verlassen, dass London sich an die Versprechungen aus dem Abstimmungskampf erinnere, während Südtirol sich das Druckmittel der Selbstbestimmung erhalten habe. Diejenigen, die heute hierzulande über Schottland jubeln, hätten nicht verstanden, dass die Situation Schottlands nun sogar schlechter sei, als jene Südtirols.

    Ein paar Hinweise an den Senator:

    • Politik ist nicht immer nur drittklassige Taktik und Drohung: Ist es für Zeller so unvorstellbar, dass die Schottinnen abgestimmt haben, um die Frage der Loslösung zu klären und nicht, um direkt oder indirekt etwas anderes zu erreichen?
    • Die SVP behauptet seit Jahr(zehnt)en gebetsmühlenartig, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern — und wenn man ein Selbstbestimmungsreferendum verlöre, würde einem auch noch die Autonomie weggenommen. Hierzu hat sich Senator Zeller nun nicht mehr geäußert. Wenn Schottland laut Zeller trotz negativen Votums jetzt nur ein wenig schlechter dasteht, als Südtirol, war seine eigene Panikmache wohl falsch.
    • Doch in Schottland durfte die Bevölkerung demokratisch und völlig transparent darüber befinden, ob sie den Versprechungen aus London glaubt oder nicht. Offenbar hat sich die Mehrheit dafür entschieden, was wohl bedeutet, dass man Westminster trotz allem als Verhandlungspartner ernstnimmt.
      Die SVP beweist uns mit ihren Verhandlungsergebnissen jedoch regelmäßig, dass auf Rom kein Verlass ist. Die Bevölkerung wird natürlich nicht befragt.
    • Zwar ist die Selbstbestimmung in Schottland, wie neben Zeller auch David Cameron bestätigte, nun wohl für (nur) eine Generation (rund 25 Jahre) vom Tisch, doch sollte sich London tatsächlich nicht an die eigenen Verheißungen halten, bleibt sie als Druckmittel sehr wohl aufrecht — dann nämlich wäre der Vertrag wohl hinfällig, den Schottinnen und Rest-UK nun mit der Abstimmung eingegangen sind.
    • Die Selbstbestimmungsbefürworterinnen, die heute in Südtirol über Schottland jubeln, tun dies — anders als Zeller nahelegt — wohl kaum wegen des Ergebnisses, sondern wegen des Prozesses: Die Schottinnen durften ohne großes Drama abstimmen, Südtirol darf dies (auch dank Karl Zeller, der sich nie dazu veranlasst sah, dies zu fordern) nicht.
    • Selbst wenn man, wie die SVP, die Selbstbestimmung nicht als direktdemokratisches Instrument, sondern als reines taktisch-politisches Druckmittel versteht, dürfte es doch strategisch ein Schuss ins eigene Knie sein, sie per Landtagsbeschluss grundsätzlich auszuschließen. Was ist das für ein Druckmittel, wenn wir offen und amtlich festhalten, dass wir es gar nicht anerkennen?
    • Die Schottinnen legen ein Tempo vor, von dem Südtirol und die SVP (trotz angeblichen Druckmittels) nur träumen können: Von der Devolution 1997 bis zur diesjährigen Abstimmung sind gerade einmal 17 Jahre vergangen. Und nun wird im Vereinigten Königreich über eine Föderalisierung diskutiert. Hierzulande haben wir ein hoffnungslos veraltetes Autonomiestatut von 1972, gibt es seit Jahren Stillstand und spätestens seit Mario Monti ist die Autonomie gar einer Involution ausgesetzt.

    Detail am Rande: Hätte die ältere Generation in Schottland nicht mitgestimmt, hätte das Ja gewonnen. Wenn die Machthaber in London also nicht möchten, dass eine Abstimmung in 25 Jahren anders ausfällt, als heute, werden sie gut daran tun, sich als vertrauenswürdiger Verhandlungspartner zu erweisen.



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  • Catalogna, gettate le basi legali.

    Nel corso di una seduta straordinaria, seguita in diretta da centinaia di corrispondenti internazionali, ieri il parlamento catalano ha approvato a stragrande maggioranza l’unico punto all’ordine del giorno; si tratta della cosiddetta «legge sulle consultazioni non referendarie» che dovrebbe consentire al paese di convocare la consultazione sull’indipendenza dalla Spagna programmata per il 9 novembre. Il testo è stato approvato con ben 106 voti favorevoli e 28 contrari, in quanto ai partiti favorevoli all’autodeterminazione, CiU, ERC, Verdi (ICV) e CUP in quest’occasione si è associato anche il Partito Socialista Catalano (PSC), lasciando da soli all’opposizione PP e Ciutadans.

    L’impugnazione della legge davanti al Tribunale Costituzionale da parte del governo centrale di Madrid è quasi certa, mentre il presidente catalano Artur Mas ha annunciato di voler firmare la convocazione alle urne non appena il provvedimento sarà  stato pubblicato sul bollettino ufficiale della Catalogna. Diversamente dalla Scozia, la cui popolazione due giorni fa si è potuta esprimere liberamente sul proprio futuro, la Catalogna conta con l’opposizione senza sconti del governo centrale.

    Vedi anche: 01



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  • Gehts noch dümmer?

    Mit Blick auf die Abstimmung in Schottland geben Südtirols Politikerinnen und Medien einmal mehr ihr Allerbestes — man tut sich schwer, auf internationaler Ebene dümmlichere Kommentare zu finden, als die der heimischen Selbstbestimmungsgegner.

    Noch am Vortag der schottischen Abstimmung hatte ich zu erklären versucht, warum Schottland in jedem Fall gewinnen würde, ganz egal ob sich das Ja oder das Nein durchsetzt: Zum Beispiel, weil die Schotten frei und demokratisch entscheiden durften und weil die Zentralisten gezwungen waren, das Nein in Devomax (maximale Autonomie) umzuwandeln. Darüberhinaus hatte ich diesen halb ironischen Kommentar getwittert, dessen Wahrheitsgehalt sich nun jedoch beweist:

    Denn während die Tageszeitung vor der Abstimmung mit Anton Pelinka getitelt hatte, Südtirol sei mit Schottland nicht vergleichbar

    TAZ: Süd-Tirol ist nicht Schottland.

    behauptet sie heute völlig ungeniert, die Niederlage der schottischen Sezessionisten sei »eine Watsche« für die Südtiroler Unabhängigkeitsbefürworter:

    TAZ: Die schottische Lektion.

    Zudem sehe sich die SVP in ihrer Position gegenüber Rom bestärkt. Das sind zwei Widersprüche, wie sie größer kaum sein könnten:

    1. Wenn Südtirol nicht (mit) Schottland (vergleichbar) ist, warum sollte dann das schottische Nein eine Watsche für hiesige Unabhängigkeitsbefürworter sein? Frei nach obigem Tweet sucht sich die TAZ einfach aus, was für die eigene Position gerade bequemer ist — ganz egal, wie sehr sie sich argumentativ verrenken muss.
    2. Wenn es stets hieß, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern, nun jedoch die Schotten das genaue Gegenteil bewiesen haben, warum fühlt sich dann die SVP in ihrer Position bestätigt?

    Doch noch viel wichtiger als diese Widersprüche, die sich das unionistische Establishment ganz nonchalant zu übersehen leisten kann, scheint mir folgende Frage:

    Was am Begriff »Selbstbestimmung« hat die Tageszeitung nicht verstanden?

    Selbstbestimmung ist nicht nur ein Erfolg, wenn die Bevölkerung sich für eine Abspaltung ausspricht, denn Selbstbestimmung ist die Möglichkeit, ergebnisoffen frei und demokratisch über die eigene Zukunft und über den eigenen institutionellen Rahmen zu befinden. Insofern ist die Abstimmung in Schottland — und darüber sind sich fast alle internationalen Beobachter einig — ein großes demokratisches Vorbild. Wenn man von »selbst bestimmen« spricht, sollte es gleichzeitig eine elementare Erkenntnis sein, dass Schottland (nur) für Schottland entschieden hat und nicht auch für Katalonien, Baskenland, Südtirol und andere mit. Oder hätte ein schottisches Ja automatisch auch zur Unabhängigkeit unseres Landes geführt?

    Doch offenbar ist soviel Einsicht für die Tageszeitung, die bei diesem Thema gern die Drecksarbeit übernimmt, schon zu hoch.

    Siehe auch: 01



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