Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Sitze oder Stimmen?
    Quotation

    Wenn am 27. September, wie die Umfragen vorhersagen, Ihre Liste die Mehrheit der Sitze, aber nicht die Mehrheit der Wählerstimmen erhält: Was werden Sie tun?

    Wenn unsere Liste gewinnt und die Gesamtheit der Listen, die das »Ja« zur Unabhängigkeit Kataloniens vertreten, eine absolute Sitzmehrheit im katalanischen Parlament erringen, […] werden wir den Prozess beginnen, um aus Katalonien einen Staat zu machen — mit dem Willen, von Anfang an mit dem spanischen Staat in Verhandlungen zu treten und auch mit der Europäischen Union. […] Das ideale Szenario wäre es, sowohl die Sitz- als auch die Stimmenmehrheit zu haben, aber um Stimmen zu zählen, müsste man ein reines Referendum machen. […] Wenn ich ein Referendum abhalten kann, tue ich es, und ich will Stimmen zählen. Aber beim legalen Instrument, über das wir verfügen, sagen die Regeln, dass wir Abgeordnete zählen müssen. […] Das was am ehesten einem Referendum ähnelt, im Einklang mit den Möglichkeiten die wir haben, ist das, was wir am 27. September machen werden. Doch wir haben von Anfang an zugegeben, dass es kein reines Referendum sein wird. […] Ich tausche sofort — jetzt in diesem Moment — die [plebiszitären] Wahlen gegen ein Referendum ein. Wenn ich Ihnen sage, dass ich sofort tauschen würde, können Sie mir nicht vorwerfen, dass ich Sitze zählen will. Ich will Stimmen zählen. […] Weil ich versucht habe, Urnen aufzustellen, und weil ich sie [am 9. November 2014, Anm.] aufgestellt habe, bin ich zusammen mit weiteren Mitgliedern der damaligen katalanischen Regierung von der Generalstaatsanwaltschaft wegen vier möglicher Delikte verklagt worden, wovon eines eine Gefängnisstrafe und drei weitere einen Ausschluss von öffentlichen Ämtern vorsehen. Dies, weil wir versucht haben, ein Referendum durchzuführen. Sagen Sie mir also bitte nicht, dass wir es nicht versucht haben.

    Artur Mas, katalanischer Präsident, im Interview mit dem spanischen Fernsehsender »La Sexta«.

    Übersetzung:



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  • Welcher Kniefall, Herr Pöder?

    Laut dem Landtagsabgeordneten Andreas Pöder von der BürgerUnion (BU) beabsichtigt die Landesregierung, sich selbst mittels Gesetz dazu zu verpflichten, EU-Verordnungen künftig rasch und ohne den Umweg über Rom umzusetzen. Eine offizielle Bestätigung für diese Behauptung konnte ich auf Anhieb nicht finden.

    — Gemeint dürften EU-Richtlinien und nicht EU-Verordnungen sein, denn letztere bedürfen keiner Umsetzung, sondern sind unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten wirksam. —

    Laut Pöder beabsichtige die Landesregierung mit ihrem Schritt, die Zuständigkeiten unseres Landes wahrzunehmen, eine Interpretation, der er jedoch »entschieden« entgegentritt.

    Der BU-Vertreter behauptet, eine rasche Umsetzung von EU-Recht käme einem »Kniefall vor Brüssel« gleich:

    Das bedeutet, dass man sich in Südtirol künftig selbst die Brüsseler Daumenschrauben anlegt. Dass damit keine zusätzliche Zuständigkeit oder Wichtigkeit oder gar regionale Eigenständigkeit gegenüber Rom und Brüssel verbunden ist, verschweigt die Landesregierung.

    Pöders Aussagen sind jedoch irreführend und wahrscheinlich auf eine gewisse Europhobie Aversion gegen die EU zurückzuführen.

    Selbstverständlich muss das derzeit in der EU herrschende Demokratiedefizit hinterfragt werden und natürlich ist nicht alles gut, was aus Brüssel kommt.

    Die Übernahme von EU-Recht in staatliche Normen gehört inzwischen zu den wichtigsten Aufgaben staatlicher Parlamente. Wenn der Südtiroler Landtag in dieser Funktion weitgehend die Befugnisse des römischen Parlaments übernehmen könnte, wäre dies von äußerst großem Nutzen.

    Denn bei der Umwandlung von EU-Richtlinien in »nationale« Bestimmungen bestehen große gesetzgeberische Spielräume, die Südtirol für sich ausschöpfen könnte. Gerade Italien erweist sich immer wieder als sehr einfallsreich, wenn es darum geht, EU-Normen besonders bürokratisch und realitätsfern umzusetzen. Denken wir nur an die schikanöse Umsetzung der Intrastat-Erklärungspflicht (in Italien ab einem Handelsvolumen mit dem Ausland von über null Euro, in Österreich erst ab einem jährlichen Volumen von 400.000 Euro) oder an das italienische Vergabegesetz, das die öffentlichen Aufträge in Südtirol über Wochen und Monaten praktisch zum Erliegen brachte.

    Dass EU-Recht nicht automatisch Schikane bedeutet, sondern in vielen Fällen erst eine schlechte Umsetzung desselben zu großen Problemen führt, zeigt die nahe Eidgenossenschaft. Obschon gar nicht Teil der EU, setzt die für ihre hohe Kompetitivität und bürokratische Schlankheit bekannte Schweiz EU-Recht in der Regel schneller um, als die meisten EU-Mitgliedsstaaten. Wenn sich Südtirol daran orientiert — und bei der Umsetzung tatsächlich frei agieren kann — könnte das Vorhaben der Landesregierung einer der wichtigsten autonomiepolitischen Schritte der letzten Jahre und eine enorme Aufwertung des Landtags werden.



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  • Neues Referendum in Schottland.

    Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, hat ein neues Referendum zur Unabhängigkeit des Landes in Aussicht gestellt. Im Programm für die Regionalwahlen im nächsten Jahr will die SNP (Scottish National Party) einen Zeitplan für ein neues Referendum vorschlagen. Die Rede ist von einem Termin in den nächsten 5 bis 10 Jahren.

    Trotz des Unabhängigkeitsreferendums im September 2014, bei dem sich eine Mehrheit für einen Verbleib bei Großbritannien aussprach, konnte die SNP bei den britischen Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres 56 von 59 Mandaten gewinnen. Laut einer Meinungsumfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ipsos Mori, in Auftrag gegeben vom schottischen Sender STV, würden bei einer abermaligen Abstimmung zur Unabhängigkeit des Landes derzeit 53% für die Unabhängigkeit stimmen.

    Die Entwicklung in Schottland zeigt abermals, dass die Einschätzung führender SVP Vertreter falsch ist. Noch im September 2014 erklärte z.B. Senator Karl Zeller, dass die schottische Abstimmung der dümmste Weg war, den Schottland einschlagen konnte, da man damit die Möglichkeit auf Unabhängigkeit über Jahrzehnte verwirkt habe und autonomiepolitisch in London nichts mehr herausschlagen würde.
    In diesem Zusammenhang soll ein Vergleich von Günther Heidegger angeführt werden, der vor etlichen Jahren in Vorausgeschickt der Tageszeitung Dolomiten die Selbstbestimmung mit der Jagd verglich. Prinzipiell sei die Selbstbestimmung gut, aber man müsse sicher sein, dass der erste Schuss sitzt, so Heidegger.
    Ein Vergleich, der in bestimmter Weise das Gedankengebäude der SVP veranschaulicht, das sich noch an überholten Strukturen orientiert, während Schotten und Katalanen im dritten Jahrtausend angekommen sind und daran arbeiten, mit demokratischen Mitteln undemokratische Strukturen aus der Entstehungsgeschichte der Nationalstaaten (Unantastbarkeit der nationalstaatlichen Grenzen) zu überwinden. Südtirol hat sich aus dieser zukunftsweisenden Entwicklung leider bisher weitgehend ausgeklinkt.

    Die SVP wartet auf den »heroischen Schuss«, ohne zu verstehen, dass Selbstbestimmung ein demokratischer, gesellschaftlich breit angelegter Prozess ist, der sich nicht auf einen Schuss reduziert.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • 27S: Wirtschaft stützt Selbstbestimmung.

    Katalanische Handelskammern sowie Handels- und Wirtschaftsverbände haben sich jüngst aus der Deckung gewagt und bei einem Treffen im historischen Pedrera-Gebäude (Casa Milà) von Antoni Gaudí­ ein Manifest unterzeichnet, mit dem sie ihre gemeinsame Unterstützung für den Selbstbestimmungsprozess unterstreichen:

    Das Leuchtturm-Manifest

    Die Wirtschaftsgemeinschaft steht hinter dem katalanischen Parlament.

    Wir, die katalanischen Handelskammern, Handels- und Wirtschaftsverbände, zusammengekommen im Leuchtturm vom Sant Sebastià  am 8. Mai 2014 und erneut am 3. September 2015 in La Pedrera,

    beteuern

    1. unsere unbedingte Unterstützung für den Prozess — vom Parlament in Gang gesetzt und von einer breiten Mehrheit seiner Mitglieder getragen — der es unseren MitbürgerInnen gestatten soll, ihren Willen über die Zukunft Kataloniens frei und demokratisch zum Ausdruck zu bringen.
    2. unsere Verpflichtung, die von den KatalanInnen gefällte Entscheidung zu respektieren und zu unterstützen, wie auch immer sie lauten möge.
    3. unseren Willen, sicherzustellen, dass unsere Betriebe dementsprechend agieren, sodass sie auch weiterhin zum Fortschritt und Wohlstand der katalanischen Gesellschaft beitragen.
    • Handelskammer Barcelona
    • Handelskammer Girona
    • Handelskammer Lleida
    • Handelskammer Manresa
    • Handelskammer Palamós
    • Handelskammer Reus
    • Handelskammer Sabadell
    • Handelskammer Sant Felà­u de Guà­xols
    • Handelskammer Tarragona
    • Handelskammer Tàrrega
    • Handelskammer Terrassa
    • Handelskammer Tortosa
    • Handelskammer Valls
    • Verband der katalanischen Handelskammern
    • FOEG Federació d’Organitzacions Empresarials de Girona (Verband der Unternehmerorganisationen Girona)
    • PIMEC Girona (Verband der kleinen und mittleren Unternehmen, Girona)
    • Fòrum Carlemany (Exzellenzforum katalanischer Spitzenunternehmen)
    • AMEC Associació Multisectorial d’Empreses (Spartenübergreifender Unternehmerverband)
    • Cecot (Verband der kleinen, mittleren und selbständigen Unternehmer)
    • FemCAT (Katalanische Unternehmensstiftung)
    • PIMEC Petita i Mitjana Empresa de Catalunya (Verband der kleinen und mittleren Unternehmen Kataloniens)
    • Empresaris de l’Anoia (Unternehmer von Anoia)
    • COELL Confederació d’Organitzacions Empresarials de Lleida (Verband der Unternehmensorganisationen Lleida)
    • FAGEM Federació d’Associacions Empresarials del Maresme (Verband der Unternehmervereine des Maresme)
    • Consell Empresarial d’Osona (Unternehmerrat Osona)
    • Confederació de Comerç de Catalunya (Katalanischer Handelsverband)
    • Sant Cugat Empresarial (Unternehmerisches Sant Cugat)
    • Centre Metal·lúrgic del Vallès Occidental (Metallverarbeitendes Zentrum des Vallès Occidental)
    • ADEPG Associació d’Empresaris del Garraf, l’Alt Penedès i el Baix Penedès (Unternehmerverein des Garraf, Alt Penedès und Baix Penedès)
    • ACEB Associació Comarcal d’Empresaris del Berguedà (Unternehmerverein der Comarca des Berguedà)

    Übersetzung:



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  • Was geht.
    Quotation

    »Geh ins Offene«, hat der Theaterregisseur Michael Schindhelm seiner früheren Wissenschaftskollegin Angela Merkel zum Abschied von der DDR in ein Buch geschrieben. Über diese Widmung hat Merkel vor fast zehn Jahren in einer Rede zum 3. Oktober gesagt: »Sie ist für mich wie die Überschrift über all meine Gefühle, Wünsche und Sehnsüchte aus dieser Zeit. Geh ins Offene! Das war mit das Schönste, was man mir zu dieser Zeit sagen konnte. Und wie ich losmarschiert bin […] Das waren unglaubliche Tage, Wochen und Monate. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Nicht fragen, was nicht geht, sondern fragen, was geht.«

    aus Tina Hildebrandt, »Merkels Moment«, in »Die Zeit« Nr. 37, 10. September 2015

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • EU-Parlamentarier gegen Kriegsdrohung.

    Vor wenigen Tagen hatte der spanische Verteidigungsminister, Pedro Morenés, den Katalaninnen nur sehr indirekt mit Waffengewalt gedroht, falls das Land demnächst die Unabhängigkeit erklärt. In einem Interview mit Radio Nacional de España (RNE) sagte er zwar, eine militärische Intervention in der abtrünnigen Region sei entbehrlich, knüpfte diese Feststellung jedoch an die Bedingung, dass »alle ihren Verpflichtungen nachkommen.«

    Diese Aussage rief nicht nur in Katalonien, sondern in ganz Spanien große Empörung aus. Der Widerstand gegen eine wie auch immer geartete Gewaltandrohung angesichts eines absolut friedlichen und demokratischen Prozesses erreichte nun auch das Europaparlament, wo 31 Abgeordnete von fünf verschiedenen Fraktionen und aus 14 Mitgliedsstaaten einen gemeinsamen Protestbrief an den Verteidigungsminister unterzeichneten. Darunter — erstaunlich — auch Herbert Dorfmann von der SVP. Die Abgeordneten bringen darin ihren Unmut über die Äußerungen des Ministers zum Ausdruck, fordern ihn dazu auf, seine Aussage zurückzuziehen und wünschen sich, dass weder mit Militär- noch mit Polizeigewalt gegen eine friedliche Bewegung vorgegangen wird. Abschließend wird die Annahme des demokratischen Willens der Katalaninnen und Katalanen als »die beste und europäischste Antwort« auf die Selbstbestimmungsbestrebungen bezeichnet.

    Der Wortlaut:

    Dear Mr. Morenés, Spanish Minister of Defense,

    We have seen with great preoccupation your statement regarding the intervention of the army in Catalonia. We know that in the first place you refused that this should be a possibility, but we see as deeply worrying the fact that you conditioned the non-intervention to the fact “that everyone complies with its duty” in a not-very-subtle reference to Catalan politicians.

    We are conscious of the importance of the Catalan election for the future of Spain, but at the same time we believe that democratic challenges should be always answered with more democracy and never with the thinly veiled threat of violence.

    This is why we call you to rectify your statement to make clear to all Europeans that the Spanish government will not make resort to the army or the police to attack a political movement that so far has proved to be civic, peaceful and democratic at all times.

    We would also like to hear from you and your government that whatever the result on the election of the Catalan election on 27th September you’ll respect and will not oppose the democratic will of the Catalan people. That would be the best and most European response.

    Marina Albiol MEP GUE
    Petras Austrevicius MEP ALDE
    Catherine Bearder MEP ALDE
    Izaskun Bilbao MEP ALDE
    Mark Demesmaeker MEP ECR
    Herbert Dorfmann MEP EPP
    Ian Duncan MEP ECR
    Francesc Gambús MEP EPP
    Sven Giegold MEP Greens/EFA
    Ivan Jakovcic MEP ALDE
    Josu Juaristi MEP GUE
    Syed Kamall MEP ECR
    Philippe Lamberts MEP Greens/EFA
    Paloma López MEP GUE
    Ernest Maragall MEP Greens/EFA
    António Marinho e Pinto MEP ALDE
    Morten Messerschmidt MEP ECR
    Ulrike Muller MEP ALDE
    Morten Helveg Petersen MEP ALDE
    Tomasz Poreba MEP ECR
    Jordi Sebastià  MEP Greens/EFA
    Alyn Smith MEP Greens/EFA
    Bart Staes MEP Greens/EFA
    Josep-Maria Terricabras MEP Greens/EFA
    Nils Torvalds MEP ALDE
    Ramon Tremosa i Balcells MEP ALDE
    Ernest Urtasun MEP Greens/EFA
    Ivo Vajgl MEP ALDE
    Bodil Valero MEP Greens/EFA
    Hans Van Baalen MEP ALDE
    Cora Van Nieuwenhuizen MEP ALDE

    Hervorhebung von mir.

    Drei katalanische EU-Abgeordnete haben in dieser Sache außerdem eine Anfrage an die Kommission gerichtet, damit sie ihre Position zu solchen Drohungen darlege.



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  • Vertreter Kataloniens im US-Kongress.

    Die internationale Unterstützung für den katalanischen Unabhängigkeitsprozess wächst. Gestern empfing der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika eine gemischte Delegation der katalanischen Regierung und des Parlaments, um sich aus erster Hand über die Selbstbestimmungsbestrebungen zu informieren. Mit dabei waren Roger Albinyana, Sekretär für äußere Angelegenheiten der katalanischen Regierung, und der Vorsitzende der außenpolitischen Kommission im katalanischen Parlament, Jordi Solé. Die Unterredung fand mit den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des US-Kongresses statt.

    Der Republikaner Dana Tyrone Rohrabacher, der übrigens auch das Selbstbestimmungsrecht von US-Gliedstaaten befürwortet und seines Zeichens Vorsitzender des Unterausschusses für Europa und Eurasien ist, äußerte sich im Anschluss an das Treffen zuversichtlich: »Ich sehe keinen Grund, warum die Menschen in Katalonien nicht darüber befinden sollten, ob sie Teil von Spanien bleiben wollen. Wie alle anderen haben auch die KatalanInnen ein Recht auf Selbstbestimmung«, versicherte der aus Kalifornien stammende Abgeordnete.

    »Wir wünschen den KatalanInnen das Beste, ich glaube, sie verdienen die Selbstbestimmung«, sagte Rohrabacher, der die Anhörung gemeinsam mit der Abgeordneten Ileana Ros-Lehtinen (Florida) organisiert hatte, um sich näher über die Details des katalanischen Unabhängigkeitsprozesses zu erkundigen. Er wies darauf hin, dass sich der von ihm angeführte Unterausschuss regelmäßig mit dem Selbstbestimmungsrecht befasse.

    An die spanische Regierung gewandt sagte Rohrabacher, dass es besser wäre, »den Menschen die Wahl zu lassen, ob sie freiwillig Teil des Staates bleiben wollen, als ihnen das Gefühl von Zwang zu geben. Dies würde nur Ressentiments und negative Gefühle befeuern.«

    Mitglieder des Unterausschusses stützten Rohrabachers Position und empfahlen Spanien, den »schottischen Weg« zu gehen. Der Abgeordnete Mario Diaz-Balart sagte Vertretern der spanischen Presseagentur EFE, dass das demokratische Recht, selbst zu bestimmen und politische Absichten kundzutun stets Vorrang haben müsse.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09



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  • Landeshauptmann, Totschlag, Argumente.

    Einige signifikante Auszüge aus den Wortmeldungen des Landeshauptmanns im Zuge des Diskussionsabends mit Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein und Wolfgang Niederhofer ():

    Es ist aus meiner Sicht gefährlich, so zu tun, als ob man mit Unterschriften Sammeln oder auch einer Volksabstimmung einen Prozess in Gang setzen könnte, der etwas bewegen würde. Ich halte das für gefährlich, diese Karte spielt man nur einmal, aber man muss diese Karte spielen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Man muss daran arbeiten, dass die Voraussetzungen geschaffen werden können. Dieser nationalstaatliche Gedanke […] und die Territorialhoheit des Staates, der Grundlage für solche Verfassungen ist, der ist durchaus überholt, also da schließe ich mich schon an, aber es ist eine Tatsache. Und es ist fahrlässig, wenn man in Südtirol immer so tut, als ob das nicht derzeit die Realität wäre. Die Politik ist dann halt auch die Kunst des Möglichen, man schafft Visionen, Utopien, das ist legitim, man denkt darüber nach, was anders sein könnte.

    [Das Einheitsgebot mag] nicht mehr korrekt sein, nicht gerecht sein, darüber lässt sich zurecht diskutieren, nur haben wir jetzt eine starre Verfassung, die auch genau regelt, wie die Verfassung abzuändern ist. Und darüber hinweg kommt man entweder mit diesen Regeln oder mit Revolution, das heißt Krieg.

    Ich bin jetzt nicht der Verteidiger der Zugehörigkeit Südtirols zu Italien, diese Rolle will ich absolut nicht einnehmen. Deshalb, bevor noch einmal morgen vielleicht irgendwo in einem Internetmedium steht, ich habe gesagt, dass wenn man ein Selbstbestimmungsreferendum macht, dann bricht Krieg aus… also das möchte ich schon noch einmal präzisieren: Nein, ich habe nur gesagt, um den Artikel 5 [der Verfassung] abzuändern, macht man das entweder einvernehmlich, man einigt sich irgendwie, man erzeugt politischen Druck, man überzeugt das Parlament, was auch immer — aber wenn das einvernehmlich nicht geht, dann ist halt die Revolution das andere, ja? Aber nicht, dass ich gesagt habe, dass deshalb ein Krieg ausbricht, bitte das nicht so zu verstehen. […] Es gibt natürlich eine dritte Lösung, der Staat Italien zerfällt.

    Die Katalanen haben eine Situation, wo sie auf dem Papier eine sehr weitreichende Autonomie haben, in vielen Bereichen wesentlich weiter reichend als unsere — Zivilrecht zum Beispiel, da hat Katalonien bedeutende Zuständigkeiten, die wir nicht haben. In der Tat verwehrt Madrid den Katalanen aber ein fundamentales Element einer Autonomie, nämlich das Geld, die »Marie«. Dort siehts wesentlich schlechter aus, und es nützt eine Autonomie auf dem Papier gar nichts, wenn man kein Geld hat, und das ist auch natürlich der Grund, warum die Katalanen völlig zu recht eine Abänderung fordern, auch einen eigenen Staat fordern und viele Möglichkeiten fordern, weil diese Autonomie, die sie haben für sie sicher kein Weg ist. Wir haben eine andere Autonomie, also bei den Finanzen dürfen wir uns nicht beklagen… es ist nie genug Geld da, es wäre auch fein, wenn uns der Staat noch ein Geld schicken würde ist klar, aber wenn wir uns vergleichen mit dem Finanzausgleich anderer fortgeschrittener europäischer Länder, stehen wir gut da, besser, wesentlich besser als der Durchschnitt.

    Hervorhebungen von mir.

    Dazu noch einige Gedanken:

    • Der Landeshauptmann versteht es sehr gut, besser noch als sein Vorgänger, in Zusammenhang mit der Selbstbestimmung von »Gefahr« und »Krieg« zu reden und somit die Bevölkerung einzuschüchtern. Dass er dies dann (halbherzig, denn er besteht ja darauf, dass es ohne Zustimmung Italiens zur Revolution — das heißt zum Krieg — kommen würde) wieder zurückgenommen hat, ist taktisch hervorragend, denn die Begriffe (»Gefahr« und »Krieg«) haben in der Zwischenzeit bereits ihre Wirkung in der Zuhörerschaft entfacht.
    • Warum man die Karte der Selbstbestimmung nur einmal spielen kann, bleibt unklar und ist kaum nachvollziehbar. Québec hat mehr als einmal über die Loslösung von Kanada abgestimmt und auch, dass es in Schottland eine weitere Abstimmung geben wird, wird kaum bezweifelt. Höchstens der Zeitpunkt (nach der kommenden Wahl zum schottischen Parlament oder erst in einer Generation) ist strittig.
    • Wenn der Landeshauptmann sagt, man müsse daran arbeiten, dass die Voraussetzungen für eine Abstimmung geschaffen werden können, dann stellt sich die Frage fast schon von selbst, was denn die SVP während der letzten Jahre und Jahrzehnte dafür getan hat. Der Eindruck ist zumindest, dass sie daran gearbeitet hat, dass die Voraussetzungen ganz sicher nicht geschaffen werden und dass alles so bleibt, wie bisher. Das ist auch die Botschaft, die tagein, tagaus vermittelt wird.
    • Bei der Aufzählung der möglichen Optionen (Verfassungsänderung oder Revolution) scheint Landeshauptmann Kompatscher die wichtigste zu vergessen, nämlich die Demokratie — man könnte auch sagen: die Politik. In einer Demokratie muss es möglich sein, dass Regeln geändert werden, und es darf nicht sein, dass ein starker politischer Wille von nicht zu erfüllenden Auflagen verhindert wird. Dies ist jedoch der Fall, wenn eine Region die mehrheitliche Zustimmung des staatlichen Parlaments benötigt, um ihre Zukunft zu bestimmen. Im konkreten Fall benötigen wir sogar eine Zweidrittelmehrheit. Es wäre unvorstellbar — weil undemokratisch — dass Großbritannien, wollte es aus der EU austreten, eine Zweidrittelmehrheit im Europaparlament zustandebringen müsste. Dabei ist Großbritannien der EU immerhin freiwillig beigetreten, anders als Südtirol der italienischen Republik.
    • Wenn er von der Erzeugung politischen Drucks spricht, scheint der Landeshauptmann für einen Augenblick trotzdem an die Macht der Politik zu glauben. Dann aber ist unverständlich, warum er die Möglichkeiten auf das Einvernehmen (im Sinne einer rechtlich einwandfreien Verfassungsänderung) und auf die Revolution reduziert. Auch in diesem Falle stellt sich jedoch die Frage, was die SVP gemacht hat, um politischen Druck zu erzeugen. Wäre die Einreihung in die demokratischen Selbstbestimmungsbestrebungen, die derzeit in Europa im Gange sind, nicht eine exzellente Möglichkeit, politischen Druck aufzubauen?
    • Dass auch Arno Kompatscher gesteht, dass Katalonien eine sehr weitreichende Autonomie hat, in vielen Bereichen weiterreichend als unsere, ist wohltuend. Dies wurde ja lange Zeit beharrlich geleugnet.
      Mit Zuständigkeiten in der Gestaltung des Zivilrechts oder im kulturellen Bereich kann man auch ohne Geld bzw. mit geringen Geldmitteln sehr viel erreichen, was Katalonien stets eindrücklich bewiesen hat. Und man kann im Umkehrschluss auch mit viel Geld zwar wirtschaftlich stark, aber sprachlich-kulturell schwach aufgestellt sein, wie Südtirol leider viel zu oft zeigt.
    • Ob der finanzielle Unterschied zwischen Südtirol und Katalonien noch immer so groß ist, lässt sich leider sehr schwer ermitteln, weil die Daten hierzu in Italien sehr spärlich fließen — und auch das Land kaum Anstrengungen unternimmt, für mehr Transparenz zu sorgen. Vielmehr werden die genauen Zahlen gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Während der Landeshauptmann im Rahmen des Finanzabkommens gern von einem einmaligen Erfolg spricht, sagt etwa der Trentiner Alt-Landeshauptmann Lorenzo Dellai, dass wir uns inzwischen weit von den einstigen 90% entfernt haben.
    • Dass Landeshauptmann Kompatscher jedoch die Rechtmäßigkeit der Forderung nach einem eigenen Staat großteils auf den finanziellen Aspekt reduziert, ist schließlich enttäuschend: Seiner Auffassung nach ist also für die Selbstbestimmung nicht der politisch-demokratische Wille der Bevölkerung ausschlaggebend, sondern der — wie es in Südtirol genannt wird — »Egoismus«. Wenn die »Marie« knapp wird, dann ist es plötzlich legitim, Druck aufzubauen, wie es die Katalanen machen.

    Siehe auch: 01 02 03



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