Das ist an Arroganz und auch an Widersprüchlichkeit kaum noch zu überbieten: Ausgerechnet der sich häufig als interethnische, autonomie- und minderheitenfreundliche Kraft darstellende PD, der im Wahlkampf die ersatzlose Abschaffung fundamentaler Minderheitenschutzmaßnahmen wie Zweisprachigkeitspflicht und Proporz gefordert hatte, ruft nun die anderen italienischen Parteien im Landtag auf, gemeinsam auf einen zweiten italienischen Landesrat zu bestehen. Sie sollen das gar zur Conditio sine qua non für eine Regierungsbeteiligung machen, obwohl dieser Anspruch vom Autonomiestatut nicht gedeckt ist. Dies berichtet der Corriere in seiner heutigen Südtirolbeilage in Berufung auf den PD-Fraktionssprecher im Bozner Gemeinderat, Alessandro Huber. Der — angeblich abzuschaffende — Proporz soll also jetzt, wo er der nationalen Mehrheit nutzen (und der nationalen Minderheit schaden) würde, sogar dort forciert und mit dem Mittel der Erpressung durchgesetzt werden, wo er in dieser Form gar nicht vorgesehen ist.
Das Gesetz schreibt nämlich vor, dass sich die Zusammensetzung der Landesregierung nach dem Verhältnis der Sprachgruppen im Landtag (und bewusst nicht nach jenem in der Bevölkerung) richten muss. Ausnahmen kann und soll man hier höchstens für Minderheiten — wie die Ladinerinnen — machen. Würde man die Bildung der Landesregierung nach dem allgemeinen Sprachgruppenproporz ausrichten, wie es der PD nun fordert, würde man damit auch transethnisches Wahlverhalten ad absurdum führen: Ob die Italienerinnen deutsche oder die Deutschen italienische Parteien und Kandidatinnen wählen, wäre dann für die Zusammensetzung der Regierung unerheblich. Sie würden stets ein ethnisch starres Kabinett erhalten. Und diese Forderung kommt gerade von einer Partei, die die Überwindung der ethnischen Trennung wie eine Monstranz vor sich her trägt.
Die neofaschistische FdI und die Lega hatten schon kurz nach der Landtagswahl die Losung ausgegeben, dass sie nur im Doppelpack zu haben seien — und hierzu die Abänderung des Autonomiestatuts ins Spiel gebracht. Das ist zwar ebenfalls dreist, aber wenigstens keine Erpressung, da sich die SVP dann auch nach anderen Koalitionspartnern umsehen könnte. Was nun aber der PD fordert, nämlich einen Schulterschluss unter italienischen Kräften, um der Volkspartei möglichst keine andere Wahl zu lassen, ist der Inbegriff von Präpotenz. Der SVP bliebe als Ausweg höchstens noch die Berufung einer italienischen Landesrätin von außen.
Man muss es sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Vertreter der nationalen Mehrheit überlegen allen Ernstes, gemeinsam Druck aufzubauen, um die Minderheit dazu zu zwingen, auf verbriefte Rechte zu verzichten. Der PD fordert dabei sogar ausdrücklich, ideologische Differenzen beiseite zu legen, um der SVP den zweiten Landesrat abzutrotzen. Neofaschisten sind also auch für den PD offenbar längst kein Problem, wenn es darum geht, Minderheitenrechte zu beschneiden und die nationale Mehrheit zu bevorzugen.
Was dabei unterzugehen droht: Minderheitenschutz erfordert manchmal hässliche Regeln, die aber in einem Nationalstaat notwendig sind, um Assimilierung zu verhindern. Akzeptabel sind sie also nur, weil sie dem anvisierten, übergeordneten Ziel dienen. Der PD will aber das genaue Gegenteil: Er fordert grundsätzlich die Abschaffung des Proporzes als Maßnahme des Minderheitenschutzes, besteht aber sogar über Gebühr darauf, wenn es darum geht, die Minderheit zu schwächen. Der gemeinsame Nenner dieser Positionen ist also nicht die Überwindung angeblich überholter Regelungen, sondern einzig nationale Herrenmentalität.
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