Wie ich bereits vorgestern kurz thematisiert hatte, entblöden sich Lega und Uniti nicht, die ladinische Vertretung in der Landesregierung in Frage zu stellen, weil sie den Sitz stattdessen für sich selbst beanspruchen. Das ist sehr aufschlussreich.
Eigentlich ist die Lage völlig eindeutig: Die Berufung eines ladinischen Regierungsmitglieds in Abweichung vom Proporz ist vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen, die Berufung eines zusätzlichen italienischen Mitglieds nicht. Das ist nicht ein Zufall, sondern im Sinne des Minderheitenschutzes absolut logisch. Der Grund ist schnell erklärt: Alle im gesamten Land (und nicht nur in den ladinischen Gemeinden) verteilt lebenden Ladinerinnen machen gemeinsam nur 4,5% der Gedamtbevölkerung aus. Aus eigener Kraft können sie damit — wenn sie sich einig sind! — eine Vertreterin in den Landtag entsenden. Mit viel Glück schaffen sie zwei. Das entspricht dann 2,86% oder 5,71% aller Sitze. Da die Landesregierung die ethnische Zusammensetzung des Landtags widerspiegeln muss, bedeutet dies, dass die Ladinerinnen in einer Regierung mit elf Mitgliedern (die größte vom Gesetz vorgesehene Regierung) Anspruch auf 0,31 oder 0,63 Landesräte hätten.
Die Möglichkeit, ein ladinisches Regierungsmitglied in Abweichung vom Proporz zu ernennen, sichert also einer kleinen Minderheit die Chance auf eine Vertretung in der Regierung. Anders als die Ladiner- sind die Italienerinnen in Südtirol keine Minderheit: eine nationale und somit schutzbedürftige Minderheit sowieso nicht, aber auch keine zahlenmäßig so kleine, dass sie eine Ausnahme vom Proporz nötig hätten.
Mit 26% an der Gesamtbevölkerung sind sie — wenn sie es denn wollen — in der Lage, aus eigener Kraft gut ein Viertel der Abgeordneten zu bestellen. Diese können, wenn es die italienische Bevölkerung wünscht, samt und sonders der italienischen Sprachgruppe angehören, was zu einem ebenso großen Anteil an den Regierungsmitgliedern berechtigt. Wenn die italienischsprachige Bevölkerung bewusst anders entscheidet, weil sie nicht zur Wahl geht oder lieber Parteien und Kandidatinnen einer anderen Sprachgruppe wählt, kann man sie zu ihrem (zweifelhaften, weil offenbar ungewollten) Glück nicht zwingen.
Als die großmehrheitlich deutschsprachige Gemeinde Toblach 2010 mit Guido Bocher einen italienischsprachigen Bürgermeister erhielt, wurde dies — meiner Meinung nach zu Unrecht — als großartiges Zeichen der sprachgruppenübergreifenden Verständigung gefeiert. Doch als 2015 Salurn und 2020 Pfatten als mehrheitlich italienische Gemeinden nachzogen und deutschsprachige Bürgermeister wählten, hörte man nichts — ich warte noch immer. Anscheinend leben wir in einer verkehrten Welt, wo es stets eine gute Nachricht ist, wenn die nationalen Minderheiten »geschwächt« werden können, während deren Stärkung wennschon als Katastrophe wahrgenommen wird, die möglichst zu beheben ist, bevor die arme Titularnation in Depressionen verfällt.
Geradezu lächerlich ist ja, dass der Leiferer Bürgermeister Christian Bianchi jetzt die Behauptung aufstellt, dass offensichtlich irgendetwas falsch laufe, wenn sich 4% Ladinerinnen und 26% Italienerinnen jeweils von einem Landesrat vertreten lassen müssen. Das zeugt höchstens davon, wie wenig er von Minderheitenschutz versteht oder wie wurscht er ihm ist. Denn nicht die Italienerinnen sind mit einem Landesrat — im Verhältnis zu ihrem Gewicht im Landtag — unterrepräsentiert, sondern die Ladinerinnen aus den oben genannten (guten) Gründen überrepräsentiert. Man nennt das auch positive Diskriminierung und die steht in modernen Staaten Minderheiten zu, nicht nationalen Mehrheiten.
Solange es keine halben Landesräte gibt, kann man den Ladinerinnen nur einen vollen gewähren — es sei denn, man teilt Daniel Alfreider in zwei Stücke.
Wenn Bianchi in der Folge aber vorschlägt, den einzigen Ladiner aus der Landesregierung zu werfen, um ihn mit dem Amt des Landtagspräsidenten abzuspeisen, macht er deutlich, dass es ihm nicht um den Grundsatz der Repräsentanz, sondern um nationalistische Arroganz und Eigennutz geht. Es ist, wie sehr dieser Vergleich auch hinken mag, als würde man Behindertenparkplätze abschaffen wollen, weil man gerade selbst keinen Stellplatz findet. Für die Belange der ladinischen Minderheit ist der Posten des Landtagspräsidenten zudem unerheblich.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer — ohne Ladinerin in der Regierung — das Amt der Landesrätin für ladinische Schule und Kultur übernehmen soll. Vielleicht einer von den Neofaschisten? Jemand, der kein Wort Ladinisch versteht und bei jeder öffentlichen Veranstaltung in dem Amt fehl am Platz wäre?
Was sich da für ein Weltbild offenbart ist tatsächlich zum Plärren.
Cëla enghe: 01
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Team K