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  • Brutta figura, wie wahr!
    Offener Brief an Christian Pfeifer

    Ich respektiere selbstverständlich, dass Sie der Meinung sind, jeder Maulwurfshügel in Südtirol solle neben der endonymen Bezeichnung auch die tolomeische tragen und ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Ihre und meine Meinung in einen friedlichen Diskurs treten können. Denn ich muss Ihnen sagen, dass mich Ihre Ansicht — wie auch Ihr Vorgehen mit dem offenen Brief — in vielen Aspekten ungemein irritiert haben.

    Mich stört an Ihrem Brief das Postfaktische, das im Moment leider en vogue zu sein scheint (siehe Trump, Erdoğan und Co.). Mich stört, dass Sie mit Ihrer Meinung das gängige Stereotyp verkörpern, dass Südtirol hinterwäldlerisch sei und immer nur Nabelschau betreibe ohne über den Tellerrand zu blicken. Mich stört, dass Sie progressive internationale Tendenzen und Gepflogenheiten in Toponomastikfragen wie auch die diesbezüglichen Richtlinien der Vereinten Nationen respektive der United Nations Group of Experts on Geographical Names (UNGEGN) ausblenden und stattdessen Ihre davon abweichende Meinung, wenn schon nicht zur unumstößlichen Wahrheit, dann doch zur Mehrheitsmeinung, hochstilisieren (Zitat: “[…] perché cerca di spiegare come la pensiamo veramente, noi altoatesini di lingua tedesca”). Und zu guter Letzt stören mich auch der Dilettantismus und die Ethnozentriertheit Ihrer Aussagen.

    Ich erlaube mir jetzt, all diese Vorwürfe argumentativ zu untermauern.

    Ihr Text suggeriert, dass Ihre die — gerade auch unter Deutschsprachigen — vorherrschende Meinung sei. Es gibt jedoch statistische Daten — meines Wissens die einzigen diesbezüglich — die Ihren Anspruch widerlegen und als reines Bauchgefühl fernab von Realität und Fakten entlarven. Laut Sprachbarometer 2014 sind 71,4 Prozent der deutschsprachigen Bürgerinnen und Bürger der Meinung, dass es in Südtirol nicht flächendeckend zwei bzw. drei offizielle Bezeichnungen für Ortschaften und Fluren braucht. Und immerhin mehr als ein Viertel der Italienischsprachigen meint, dass die tolomeischen Namen nicht überall notwendig sind. Erst unlängst haben sich bekannte Vertreter des italienischsprachigen Kosmos in Südtirol (unter ihnen Carlo Bertorelle, Enzo Nicolodi oder auch Alberto Stenico) gegen den Prontuario ausgesprochen, den Sie verteidigen. Insgesamt sind demnach 58,1 Prozent der Südtirolerinnen und Südtiroler aller Sprachgruppen nicht Ihrer Meinung. Zudem lässt das Sprachbarometer eine klare Tendenz erkennen. Die Anzahl derer, die nicht auf den tolomeischen Bezeichnungen beharren, ist innerhalb von zehn Jahren (Sprachbarometer 2004) in allen Sprachgruppen zwischen drei und sieben Prozentpunkte gestiegen.

    Wenn man nun ein wenig über den Tellerrand blickt, erkennt man, dass obige Mehrheitsmeinung kein “rückwärtsgewandtes” Südtiroler Spezifikum ist, sondern vielmehr internationalen Gepflogenheiten und von der UNO bezüglich der Lösung von Toponomastikproblemen publizierten Richtlinien entspricht. Wenn Sie nun für Südtirol einen von der Außenwelt isolierten anachronistischen Sonderweg vorschlagen, ist das Ihr gutes Recht. Sie müssen dann aber auch akzeptieren, dass es Widerstand gegen die, diesem Ansinnen innewohnende, nationalistische Logik gibt. In vielen Ländern weltweit — vor allem natürlich in solchen, wo linke, sozialdemokratische und liberale Regierungen an der Macht sind bzw. waren — ist der Trend zu einer offensiven Aufarbeitung von kolonialistischem und totalitärem Erbe, was nicht nur Orts- und Flurnamen betrifft, zu beobachten. So hat Barack Obama dem über Jahrzehnte als Mt. McKinley bekannten höchsten Berg Nordamerikas wieder offiziell seinen ursprünglichen Namen Denali zuerkannt. Ich denke nicht, dass er durch diesen Schritt den europäischstämmigen Menschen das Recht, sich in Alaska heimisch zu fühlen, verwirkt hat. Der Monolith im Zentrum Australiens heißt ebenfalls nach einer kurzen 150-jährigen Episode wieder Uluru (und nicht mehr Ayers Rock). In Grönland, Südafrika, Spanien, Frankreich, Kanada, ja sogar in China wurde Endonymen der ihnen zustehende Stellenwert zuerkannt und im Gegenzug historisch zweifelhaften Bezeichnungen der offizielle Status aberkannt — was natürlich niemanden daran hindert, diese Bezeichnungen weiter zu verwenden. So wie wir den höchsten Berg der Welt exonym Mt. Everest nennen können, obwohl er in China offiziell die tibetische (!) endonyme Bezeichnung Qomolangma und auf der Südseite das in Nepal gängige Endonym Sagarmatha trägt.

    Nur bei uns ist eine offizielle Vetta d’Italia offenbar sakrosankt. Für die UNO sind die Umstände, unter denen Namen zustandegekommen sind, ein Aspekt, der bei der Erstellung offizieller Namenslisten von Bedeutung ist und der gegen die Beibehaltung der Erfindungen des Protofaschisten Ettore Tolomei spricht. Bedeutender jedoch ist der lokale Gebrauch und ob es sich um endonyme oder exonyme Bezeichnungen handelt. Daher ist es für mich beispielsweise auch nicht nachvollziehbar, wieso exonyme Bezeichnungen wie St. Ulrich bzw. Ortisei oder Stern bzw. La Villa — obschon diese, wenn man so will, “historisch gewachsen” sind — Offizialität genießen sollen. Deutschsprachige werden natürlich weiterhin St. Ulrich sagen, aber offiziell sollte der Ort ausschließlich Urtijëi heißen, und Stern La Ila.

    Die Tatsache, dass bei uns in der Toponomastikdiskussion meist ausnahmslos von deutschen und italienischen Ortsnamen und sehr selten von Endonymen und Exonymen die Rede ist, zeugt von der niveaulosen Ethnozentriertheit der Debatte fernab jeglicher Sachlichkeit und Wissenschaftlichkeit. Kastelbell, Tscherms, Naturns usw. sind nicht “deutsch”. So wie ein Großteil der Namen in Südtirol auf rätische, keltische und romanische Bezeichnungen zurückgeht. Auch wird kaum zwischen Zweisprachigkeit und Zweinamigkeit unterschieden.

    Man kann Namen auch nicht “abschaffen”. Man kann ihnen nur den offiziellen Status aberkennen. Den Gebrauch kann, muss das aber nicht beeinflussen. Andernfalls dürfte es ja auch kein Flazpis (Latzfons) und kein Fochina (Ahornach), kein Mailand (Milano) und kein Monaco (München) geben.

    Und während viele im Lande, auch und gerade italienischsprachige Südtiroler, für eine gemeinsame Südtiroler Identität losgelöst von den Sprachgruppen kämpfen (Stichwort: gemeinsame Schule), sollen wir um jeden Preis das Gebiet, in dem wir leben, in ethnisch getrennten Realitäten wahrnehmen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?

    Dieser Brief (italienische Fassung) ist eine Replik auf einen Artikel Pfeifers, der in der SWZ erschienen ist.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Mayr-Nusser selig.

    Der Südtiroler NS-Widerstandskämpfer und Märtyrer Josef Mayr-Nusser wird heute in der Pfarrkirche Bozen seliggesprochen.

    Er war Dableiber und Mitglied des Andreas-Hofer-Bundes, einer Widerstandsorganisation. Als er 1944 eingezogen und der Waffen-SS zugeteilt wurde, verweigerte er den Eid und wurde dafür zum Tode verurteilt.

    Sein Vorbild ist gerade heute, wo weltweit (und auch hierzulande) menschenverachtende Ideologien und Extremismen wieder auf dem Vormarsch sind, weiterhin von besonderer Aktualität.

    Im Vorfeld der Seligsprechung kursierte auch der schöne Vorschlag, Mayr-Nusser das Bozner Realgymnasium zu widmen, das bis zur Jahrtausendwende den Namen eines Nazis trug.

    Seit 2010 ist er Ehrenbürger der Landeshauptstadt, außerdem ist die Mittelschule von Vintl nach ihm benannt.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Ortsnamen: SWZ für Appeasement.
    Chefredakteur Pfeifer weiß, was »das echte Südtirol« will

    Seite eins der heute erschienenen Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ Nr. 11/2017) füllen zwei Leitartikel, in denen Chefredakteur Christian Pfeifer (auf Italienisch) und sein Vorgänger Robert Weißensteiner (auf Deutsch) für eine Appeasementpolitik in der Ortsnamenfrage plädieren.

    Cristian Kollmann (STF), den Moderator Massimo Giletti kürzlich in seine dümmliche Arena eingeladen hatte, um unter anderem mit Michaela Biancofiore (FI) und Alessandro Urzì (AAnC) über Toponomastik und faschistische Relikte zu diskutieren, stelle nicht die Südtiroler Mehrheitsmeinung dar. Er habe bei der letzten Landtagswahl ja auch nur 897 Vorzugsstimmen erhalten.

    Und überhaupt: In der Ortsnamenfrage sei die Politik »Lichtjahre« von der Meinung der Bürgerinnen entfernt. Statt Provokateure wie Kollmann solle man lieber ihn — Christian Pfeifer — in eine Sendung einladen, biedert sich der Chefredakteur an, denn er könnte den Italienerinnen das »echte Südtirol« erklären.

    Nun weiß ich nicht, was für Herrn Pfeifer das echte Südtirol ist. Aber das, was er in seinem Artikel (Titel: «Brutta figura») beschreibt, ist es ganz sicher nicht. Denn eins steht fest: Zur Haltung in der Ortsnamenfrage gibt es repräsentative Daten des Astat — und die sprechen nicht dafür, dass die Südtirolerinnen mehrheitlich an Tolomei festhalten möchten. Im Gegenteil: Nur 41,9% (und gar nur 28,6% der Deutschsprachigen) waren demnach im Erhebungsjahr 2014 dafür, dass Orts- und Flurnamen in Südtirol eine Übersetzung brauchen.

    Klar ist: Im Namen der Südtirolerinnen sprechen kann niemand, außer sie selbst. Weder Provokateur Cristian Kollmann, noch Chefredakteur Christian Pfeifer.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05



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  • Franquistischer Adler in Lleida verdeckt.
    Und faschistischem Beinhaus in Innichen gehuldigt

    Bild: ACN

    Der sozialistische Bürgermeister der katalanischen Provinzhauptstadt Lleida, Ángel Ros, hat die vorläufige Verdeckung eines franquistischen Adlers auf einem verlassenen Militärgebäude in der Stadt angeordnet. Nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung soll das Bauwerk in ein Hotel umfunktioniert werden, wofür bereits eine öffentliche Ausschreibung vorliegt. Demnach wird der künftige Hotelbetreiber von der Gemeinde dazu verpflichtet, das nunmehr von einer Kunststoffplane abgeschirmte Relikt abzutragen und zu entsorgen.

    Bild: STF

    In Südtirol ist der Umgang mit faschistischen Bauwerken grundlegend anders: Wie ihr Vorgänger Werner Tschurtschenthaler (SVP) beteiligte sich nun auch die neue Bürgermeisterin von Innichen, Rosmarie Burgmann (Bürgerliste), an einer Kranzniederlegung des — um die Huldigung des Totalitarismus nie verlegenen — italienischen Heeres vor dem faschistischen Ossarium in ihrem Gemeindegebiet. Die vielzitierte »Historisierung« ist unter diesen Vorzeichen höchstens ein Feigenblatt.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 || 01 02



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  • Regionalismus im Brennpunkt.

    Am 30. und 31. März 2017 findet im Spiegelsaal des Landhauses I in Bozen unter der Federführung des Forschungszentrums Föderalismus der Universität Innsbruck eine wissenschaftliche Tagung zum Thema »Integration oder Desintegration? Neue Herausforderungen der Regionen in Europa« statt. In zwölf Vorträgen werden philosophisch-historische, rechtliche, ökonomische, gesellschaftliche und politische Aspekte und Dimensionen von Sezessionismus und Regionalismus beleuchtet.

    Tagung Integration oder Desintegration



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  • Militärisch erobern.
    Quotation

    Bei der Wintertagung des Landesbeirates der Eltern zur Mehrsprachigkeit am 18. Februar marschierten auch die Schützen auf. Efrem Oberlechner, Medienreferent der Schützen, war einer der Teilnehmer an der Podiumsdiskussion, die auf die Referate folgte. Wie den Autonomiekonvent versuchten die Schützen auch die Tagung militärisch zu erobern, über den Saal verteilt und mit Spickzetteln, die kursierten. Ihre Argumente gegen die “gemischte Schule” (so der abschätzige Kampfbegriff): Schutz der Muttersprache, Italienisch sei Fremdsprache (die freilich mit modernen  Methoden unterrichtet werden müsse), Wissen werde so nicht angemessen vermittelt, Stellen abgebaut.

    ff 11/2017 Die deutsche Angst zum Thema mehrsprachige Schule

    Jeder urteile selbst, wer hier eigentlich abschätzig spricht. Zudem sollte man mit Begriffen wie “militärisch” sehr vorsichtig umgehen.



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  • Spanien: Justiz statt Politik?
    Rajoy will Unterstützung von der EU

    Nach der erstinstanzlichen Verurteilung dreier katalanischer Spitzenpolitikerinnen wegen Ungehorsams will die spanische Regierung offenbar Rückendeckung aus Europa für ihre Strategie der Judizialisierung. Mehrere spanische und katalanische Medien berichten derzeit übereinstimmend, dass Premierminister Rajoy (PP) Druck auf die europäsichen Partner ausübt, damit eine direkte oder zumindest eine indirekte Legitimierung dieses Wegs Eingang in die geplante »Erklärung von Rom« findet, die die Mitgliedsstaaten im Zuge der 60-Jahr-Feierlichkeiten der Römischen Verträge abgeben wollen. Dabei könnte es sich zum Beispiel um ein gemeinsames Bekenntnis zum Vorrang der (innerstaatlichen) Gesetze vor politischen Forderungen handeln.

    Statt europäischer Scheidungsregeln könnte uns also ein europäischer Scheidungsriegel bevorstehen.

    Inzwischen scheint der Weg der Judizialisierung jedoch innerhalb Spaniens nur noch die regierende PP zu überzeugen. Auch die sozialdemokratische PSOE hat den Ministerpräsidenten zu Verhandlungen mit Katalonien aufgerufen. Und selbst der scheidende Präsident des spanischen Verfassungsgerichts, Francisco Pérez de los Cobos, sagte während seiner Abschiedsrede in Anwesenheit des spanischen Justizministers, dass das Verfassungsgericht das politische Problem mit Katalonien nicht lösen könne und die einschlägigen Urteile kein nützliches Ergebnis gezeitigt hätten. Verhandlungen (zwischen Madrid und Barcelona) seien »eine dringende und unumgängliche Notwendigkeit«.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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