Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Verhältnismäßigkeit.

    Haftstrafen im spanischen Rechtssystem:

    Gewaltanwendung gegenüber friedlichen Demonstranten und Wählern
    unbekannt

    häusliche Gewalt
    6 Monate bis 5 Jahre

    Vergewaltigung
    6 bis 12 Jahre

    Mord
    15 (first offender) bis 20 Jahre

    Abhaltung einer (von Seiten der Organisatoren) völlig gewaltfreien, demokratischen Volksabstimmung
    bis zu 30 Jahre



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  • Die Tyrannei des »Rechts«.
    Quotation

    Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, welche unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Scheine der Gerechtigkeit ausgeübt wird.

    — Montesquieu

    Siehe auch: 01 02



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  • Flucht zur Justiz.
    Quotation

    Ich muss anmerken, dass ich nicht vor der Justiz geflohen bin, sondern zur Justiz — aber zur echten Justiz. Ich werde nicht türmen, ich bin hier [in Brüssel] und habe meinen Anwälten gesagt, der belgischen Justiz mitzuteilen, dass ich zur vollen Zusammenarbeit bereit bin.

    Sie müssen wissen, dass meine Kollegen [aus der katalanischen Regierung] binnen 24 Stunden nach Madrid vorgeladen wurden. Und der Anwalt hatte ebenfalls nur 24 Stunden Zeit, die Anklage des Generalstaatsanwalts zu studieren. Es gibt also keine Garantien. Heute hat der Anwalt der ehemaligen Regierungsmitglieder über Misshandlungen berichtet, die während des Gefängnistransfers stattgefunden haben. Die Garantien für ein gerechtes, unabhängiges Urteil, das sich dem enormen politischen Druck auf die Justiz entzieht, sind nicht gegeben.

    aus dem gestrigen Exklusiv-Interview des belgischen Fernsehens (RTBF) mit dem katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont (unsere Übersetzung)

    Siehe auch: 01 02 03 || 01



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  • Gegen den Rechtsstaatlichkeitsfetischismus.

    Der UN-Sonderbeauftragte Alfred De Zayas äußert sich in seinem privaten Blog erneut zur Lage in Katalonien und beschäftigt sich mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Dieses stütze Stabilität, Vorhersehbarkeit und demokratisches Ethos — und habe die Menschenwürde und Freiheit zum Zweck. Nachdem das Gesetz aber auch das herrschende Machtgefälle widerspiegle, müsse sichergestellt werden, dass das Ideal des Rechtsstaats nicht instrumentalisiert werde, um den Status Quo zu zementieren, Privilegien aufrechtzuerhalten oder die Ausbeutung einer Gruppe durch eine andere zu ermöglichen. Rechtsstaatlichkeit müsse Flexibilität gewährleisten, ständigen demokratischen Dialog fördern und die für eine sich weiterentwickelnde Gesellschaft nötigen Reformen durchführen, so De Zayas.

    Immer wieder sei es in der Geschichte zu einer Diktatur des Rechts gekommen; die Erfahrung habe gelehrt, dass Gesetz und Gerechtigkeit nicht gleichbedeutend seien. Dietrich Bonhoeffer, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Mohamed Bouozizi hätten mit zivilem Widerstand Reformen angestoßen, aber auch mit dem Fetisch der Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen gehabt.

    Deshalb regt der UN-Sonderbeauftragte an, vom Konzept des rule of law zum Ideal des rule of justice überzugehen.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01



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  • Barcelona verabschiedet starke Resolution.

    Der Gemeinderat von Barcelona — in dem die separatistischen Kräfte keine Mehrheit stellen und der sich gestern bereits ablehnend zur Inhaftierung katalanischer Regierungsmitglieder geäußert hatte — verabschiedete heute eine Resolution, mit der er

    • die repressive Eskalation der letzten Monate verurteilt und die sofortige Freilassung sämtlicher politischer Gefangener fordert, die im Gefängnis sitzen, obschon sie stets friedlich und demokratisch im Einklang mit einem demokratischen Mandat gehandelt haben;
    • der legitimen Regierung der Generalitat, die von Präsident Carles Puigdemont und Vizepräsident Oriol Junqueras geführt wird, seine Unterstützung ausspricht;
    • dem Präsidium des katalanischen Parlaments und dem gesamten Parlament, die aufgrund der entwürdigenden Anwendung von Artikel 155 ihrer Zuständigkeiten beraubt wurden, seine volle Unterstützung versichert;
    • das Ende der Judizialisierung der katalanischen Politik verlangt und die Willkür sowie die Einseitigkeit, mit der die Gesetze angewandt werden, verurteilt, da damit die Gewaltenteilung des Rechtsstaats »pervertiert« wird;
    • die Europäische Union und die übrigen internationalen Institutionen auffordert, eine Mediation einzuleiten, die den Dialog und die Suche nach einer politischen Lösung erleichtern kann;
    • die sofortige Aufhebung von Verfassungsartikel 155 verlangt.

    Siehe auch: 01



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  • Wirtschaft, Solidarität und Legitimation.

    Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass die Motivation für eine angestrebte Unabhängigkeit eines Gebietes unerheblich ist, solange diese Unabhängigkeit auf friedlichem und demokratischem Wege angestrebt wird. Nach meinem Demokratieverständnis gibt es keinen Grund, warum man staatliche Souveränität eines Territoriums nicht akzeptieren sollte, wenn das die Mehrheit eben dieses Territoriums wünscht.

    Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf ein paar Argumente und deren Widersprüchlichkeit eingehen, die im Katalonienkonflikt immer wieder ins Treffen geführt werden.

    Katalonien würde die Sezession wirtschaftlich nicht überleben
    Ein unabhängiges Katalonien wäre innerhalb der EU mit einem BIP von 214,9 Mrd. Euro hinter Österreich und Dänemark und vor Irland an 12. Stelle von – noch – 28 Mitgliedsländern. Bei einem BIP pro Kopf von 28.900 Euro läge es hinter Frankreich und vor Italien und Spanien ebenfalls an 12. Stelle und über dem EU-Durchschnitt. Der einzige Grund, warum Katalonien durch eine Sezession wirtschaftlichen Schaden nehmen sollte, wäre ein mutwilliges und – wenn man so will – gehässig-revanchistisches “Schneiden” durch andere europäische Länder und die Europäische Union. Würde man die demokratische Entscheidung der Bevölkerung Kataloniens erlauben und im Falle einer Loslösung akzeptieren, gibt es keinen objektiven Grund, warum Katalonien wirtschaftliche Schwierigkeiten haben sollte – es sei denn sie werden absichtlich von außen herbeigeführt.

    Katalonien ist egoistisch und verabschiedet sich aus der Solidargemeinschaft
    Dieses Argument ist in zweierlei Hinsicht paradox. Erstens hält man den Katalanen vor, wenn sie neben vielen anderen auch wirtschaftliche Argumente für ihre Bestrebungen vorbringen, gleichzeitig droht man ihnen für den Fall der Sezession mit wirtschaftlichen Horrorszenarien. Als Argument für die Sezession sind wirtschaftliche Argumente verpönt und egoistisch? Als Argument für die Beibehaltung des Status Quo sind sie legitim? Zweitens bliebe Katalonien sehr wohl Teil der Solidargemeinschaft. Angesichts obiger Zahlen wäre es – anders als Spanien – EU-Nettozahler und würde zum innereuropäischen Finanzausgleich mehr beitragen als es kassiert.

    Der katalanische Prozess hat nicht genügend demokratische Legitimation
    Es ist richtig, dass die Verhältnisse – sowohl im Parlament als auch was die Zu- bzw. Ablehnung der Unabhängigkeit innerhalb der Bevölkerung betrifft – sehr knappe sind. Das kann vorkommen in einer Demokratie.

    Die Pro-Unabhängigkeitsparteien haben bei den vergangenen Wahlen rund 48 Prozent der Stimmen erreicht, verfügen aber aufgrund des Wahlsystems, über eine absolute Mehrheit an Mandaten im katalanischen Parlament. Das ist freilich ein kleiner “Schönheitsfehler”, ändert aber nichts an der demokratischen Legitimation. Solche “Mehrheitsboni” – wie auch “Einstiegshürden” – sind nichts Ungewöhnliches und aus verschiedensten Gründen in vielen Wahlgesetzen auch in anderen Ländern vorgesehen.

    Ein weiterer Kritikpunkt ist die Wahlbeteiligung am Referendum zum 1. Oktober. Es gab zwar eine Zustimmung von rund 90 Prozent für die Unabhängigkeit, die Beteiligung lag jedoch “nur” bei 42 Prozent. Somit hat nicht die Mehrheit der Wahlberechtigten für die Unabhängigkeit gestimmt, sondern “nur” 38 Prozent. Das durch den spanischen Staat erzwungene Chaos bei der Wahl ist für mich jedoch der einzige Grund, die Legitimität der Abstimmung in Zweifel zu ziehen, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht sämtliche demokratischen Standards eingehalten werden konnten. Das ist aber nicht Schuld der Katalanen, die alles versucht haben, ein reguläres Referendum auszurichten. Wobei es für eine Unabhängigkeitserklärung nicht notwendigerweise eine Volksabstimmung braucht. Eine solche kann auch ein Parlament alleine abgeben.

    Lassen wir einmal die – gelinde gesagt – beteiligungsmindernden Faktoren außer Acht, dass tausende bereits ausgefüllte Stimmzettel von der Guardia Civil beschlagnahmt wurden, Wählerinnen und Wähler mit massiver Gewalt an der Stimmabgabe gehindert wurden und viele wohl auch aufgrund der “Illegalität” des Referendums zu Hause geblieben sind, die bei einem von Spanien anerkannten Referendum sehr wohl zur Wahl gegangen wären und stellen wir ein paar Rechenspiele an.

    Hätte die Beteiligung 75 Prozent betragen und wären alle Stimmen, die die Beteiligung von 42 auf 75 Prozent bringen, den Unabhängigkeitsgegnern (!) zugeflossen, hätten die Sezessionisten immer noch einen Sieg errungen. Bei 75 Prozent Beteiligung – ungeachtet dessen, dass es (auch internationalen Empfehlungen folgend) kein Quorum gab – würde wohl niemand von mangelnder Legitimation sprechen.

    Die Regierung von Mariano Rajoy weiß seit den Parlamentswahlen 2016 23 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich (33 Prozent für Partito Popolar bei 70 Prozent Wahlbeteiligung). Dennoch zweifelt niemand – zurecht – die demokratische Legitimation der spanischen Regierung an, die jetzt mit Unterstützung des Parlaments so gravierende Maßnahmen setzt, wie die Autonomie Kataloniens aufzuheben und das Land unter “Sachwalterschaft” zu stellen. In Katalonien erreichte jener PP, der Katalonien nun regiert, bei den katalanischen Wahlen 2015 8,5 Prozent und bei den spanischen Parlamentswahlen 2016 gerade einmal 13 Prozent. Die derzeitige Südtiroler Landtagsmehrheit wurde übrigens von 37,5 Prozent der Wahlberechtigten gewählt.



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