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  • La negazione del rischio di assimilazione.

    Se ne poteva benissimo fare a meno, ma la discussione — avvelenata — sulla «classe speciale» della Goetheschule nella capitale sudtirolese, tra le altre cose, ha portato alla luce l’assoluta (e colpevole) inconsapevolezza di molti concittadini di lingua italiana di quello che significa la scuola per una minoranza linguistica. Anzi, peggio: addirittura alcune delle persone intervenute nel dibattito, non certo delle sprovvedute, negano espressamente il rischio di assimilazione (cfr. 01 02 03 04).

    Due esempi concreti:

    Oggi non ci sono rischi di assimilazione, la scuola deve dare a tutti le stesse opportunità.

    Nell’Alto Adige /Suedtirol del terzo millennio, in cui non incombe sulla minoranza tedescofona nessun pericolo/minaccia di assimilazione, la domanda è se il sistema scolastico pubblico altoatesino/sudtirolese sia strutturato in modo da formare i futuri cittadini offrendo a tutti le stesse opportunità.

    Vanda Carbone (ex PD) in L’Svp gioca col fuoco, su Salto (30 agosto 2024), enfasi mia

    Quindi chi parla di pericolo di nuova italianizzazione onestamente o non sa cosa dice, oppure è in malafede.

    Luca Fazzi, professore di sociologia presso l’Università di Trento, in La paura dei barbari, sempre su Salto (30 agosto 2024)

    Questo fa comprendere come manchi sostanzialmente un consenso minimo, base imprescindibile per la convivenza, sulla situazione di minorizzazione in cui ci troviamo e sulle tutele necessarie.

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02 03 04



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  • Die ‘Sonderklasse’ der Goetheschule.

    In der Bozner Goetheschule will bzw. wollte Direktorin Christina Holzer eine gesonderte Grundschulklasse bilden, um dem Problem zu begegnen, dass viele Kinder in die Schule eingeschrieben werden, die die deutsche Sprache nicht oder auf einem unzureichenden Niveau beherrschen  — und es somit schwierig wird, Unterricht zu gestalten. Dabei ist mir noch unklar, ob die Aufteilung der Schülerinnen aufgrund der Sprachkenntnisse, aufgrund der Muttersprache oder aufgrund der Staatsbürgerschaft erfolgen sollte. Medienberichte widersprechen sich diesbezüglich — ebenso, wie sie sich darin uneinig zu sein scheinen, ob es eine endgültige oder eine provisorische Maßnahme hätte sein sollen, die nur so lange aufrecht geblieben wäre, bis die betroffenen Schülerinnen ein gewisses Sprachniveau erreicht hätten.

    Ohne wichtige Fakten zu kennen und darüber Einigkeit erlangt zu haben, wurde der Plan von Medien, Politikerinnen und anderen Kommenatorinnen entweder bejubelt oder mit drastischen Tönen kritisiert. Unter anderem war schon von Apartheid, Nazismus, Rassismus, Gettobildung, Arroganz und Diskriminierung die Rede. Andere wiederholen einfach reflexhaft ihre Forderung nach einer mehrsprachigen Schule.

    Jedenfalls findet wieder einmal keine sachliche und faktenbasierte Debatte statt, obwohl gerade die in einer solchen Situation dringendst nötig wäre.

    Dass ich persönlich strikt gegen eine Ablehnung von Einschreibungen anderssprachiger Kinder und gegen ihre Überweisung an Schulen mit italienischer Unterrichtssprache bin, habe ich mehrfach geschrieben und begründet — und dabei bleibe ich auch. Schulintern muss es aber Möglichkeiten geben, mit dem Problem von Klassen umzugehen, in denen zu viele Schülerinnen die Unterrichtssprache nicht auf einem Niveau beherrschen, das Unterricht auf eine sinnvolle Weise ermöglicht. Dabei halte ich Inklusion für ein sehr, sehr hohes Gut, das nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden darf.

    Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass unter Umständen die Verteilung von Schülerinnen innerhalb und zwischen den Schulen sowie ihre (vorübergehende) Trennung nötig sein kann, auch wenn es sich dabei um eine möglichst zu vermeidende Maßnahme handelt. Man muss sie aber meines Erachtens immer konkret sorgfältig gegen andere Möglichkeiten (mehr Personal, zusätzliche Unterrichtsstunden…) abwägen und erst dann eine Entscheidung treffen. Wobei zu sagen ist, dass einer Schulführungskraft möglicherweise nicht viele Alternativen zur Verfügung stehen, wenn die Unterstützung von Verwaltung und Politik fehlt.

    Einfach nur zu sagen, dass Inklusion vorgeschrieben und somit die Bildung gesonderter Klassen verboten sei, ist ein wenig hilfreiches Totschlagargument, das meiner Meinung nach eindeutig zu kurz greift. (Genauso wie übrigens der Verweis auf Artikel 19 des Autonomiestatuts per se kein sinnvolles Argument gegen mehrsprachige Schulen ist.)

    Wenn die Folge — wie kolportiert — die ist, dass Eltern ihre Kinder in die Schulen des Umlandes bringen, findet die Segregation auf Umwegen trotzdem statt, dann aber nicht innerhalb der Schule, sondern schon im Vorfeld. Auch das muss meiner Meinung nach mitgedacht werden.

    In der ganzen Debatte wird aber leider auch wenig bis gar nicht berücksichtigt, dass die deutschen in dieser Hinsicht nicht mit den italienischen Schulen in Südtirol — oder gar mit Schulen auf Staatsebene — gleichgesetzt werden können, da wir es hier mit einer Minderheitensprache zu tun haben, die im direkten Kontakt mit dem Italienischen erwiesenermaßen den Kürzeren zieht (01 02). Dies gilt noch mehr im Kontext von Bozen (und einigen anderen Südtiroler Städten), wo auch außerhalb der Schule kein sprachliches Umfeld vorherrscht (01 02), das die Deutschkenntnisse von Anderssprachigen unterstützen und fördern würde.

    Zwar mag es auch in Wien, Mailand oder München Schulen mit einem hohen Anteil von Migrantinnen geben, doch die gemeinsame Sprache — die man dann auch im Sportclub, im Fernsehen oder im Supermarkt wiederfindet — ist ziemlich unstrittig die jeweilige nationale Amts- und Mehrheitssprache. In Südtirol ist dies bezüglich Deutsch nicht der Fall, es droht also viel eher, dass die Lage sprachlich in Richtung einer Sprache (Italienisch) kippt, die nicht die Schulsprache ist. Dafür gibt es auch genügend Beispiele aus anderen Minderheitengebieten.

    Aufgrund dieses Risikos wiegt umso schwerer, dass Inklusion immer auch eine Frage der Verhältnisse ist. Wenn die Situation zahlenmäßig stark unausgewogen ist, ist die Gefahr des Misserfolgs deutlich größer. Sollen zum Beispiel zwanzig italienischsprachige Schülerinnen in eine Klasse mit drei Deutschsprachigen »inkludiert« werden, so wird dies vermutlich nicht zum erwünschten Ergebnis führen.


    Ich ergänze, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Mit dem obigen Beitrag will ich nicht suggerieren, dass die Bildung der sogenannten Sonderklasse richtig wäre. Vielmehr kritisiere ich, wie die Debatte geführt wird, während wichtige Fakten unbekannt und Argumente unberücksichtigt bleiben. Diese Erklärung halte ich für nötig, weil in der vorherrschenden Schwarz-Weiß-Diskussion eventuell nicht nachvollzogen wird, dass sich jemand in der Sache nicht ultimativ positioniert.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06 || 01 02 03 04 05 06 07



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  • Mehrsprachigkeit von Minderheiten und Sprachverlust.
    Quotation

    Mit einem diglossischen Sprachkontext geht die anfängliche Erweiterung der sprachlichen Repertoires von Minderheiten durch den Erwerb der »Sprache des Eroberers« in ihrem alltäglichen (öffentlichen) Gebrauch einher. Aufgrund der bestehenden Sprachhierarchien und der daraus resultierenden Abwertung/Eingrenzung von Minderheitensprachen kann dies jedoch im Laufe der Zeit selbst in mehrsprachigen Gemeinschaften letztendlich zum Sprachwechsel und zum Verlust von Minderheitensprachen führen. Diese Tendenz zum Sprachersatz wird in moderner Zeit durch den Einfluss des Nationalismus und des Nationalstaatensystems — das, im Gegensatz zu seinen imperialen Vorgängern […] das Streben nach sprachlicher Homogenität als ein zentrales Ziel und Merkmal des Nationenaufbaus bevorzugt —, weiter verstärkt.

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Diglossic language contexts involve the initial expansion of the linguistic repertoires of minorities via the acquisition of “the language of the conqueror” in their everyday (public) use. However, given the linguistic hierarchies at play, and the consequent devaluation/delimitation of minority languages, it also might well lead, over time, to the eventual shift and loss of minority languages, even in multilingual communities. This tendency toward language replacement is further reinforced in the modern era by the influence of nationalism and the nation-state system, which, unlike its imperial antecedents […] privileges the pursuit of linguistic homogeneity as a key imperative in, and characteristic of, nation-building.

    – Stephen May

    Stephen May in »The Oxford Handbook of Language and Society« (2017), Kapitel »Language, Imperialism and the Modern Nation-State System«; Verlinkungen von mir

    Die Mehrsprachigkeit von Minderheiten im Nationalstaat ist also, wenn sie die nationale Mehrheitssprache betrifft und nicht auf Gegenseitigkeit beruht, vorsichtig formuliert nicht notwendigerweise eine gute Sache.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02 03



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  • Zweitsprachkenntnisse nach Sprachgruppe.
    Minorisierung

    Auf den Sprachwechsel bei Outgroup-Kontakten und auf die Dialekt-Intoleranz war ich erst kürzlich eingegangen, nun komme ich ein drittes Mal auf die vom Astat veröffentlichten Daten über Sprachkenntnisse und Sprachgebrauch (Astat-Info 34/2024) in Südtirol zurück.

    Diesmal will ich die Zweitsprachkenntnisse thematisieren, wo es zwischen den Sprachgruppen bedeutende Unterschiede gibt. In allen vier Grundfertigkeiten (Lesen/Schreiben/Sprechen/Hören) ordnen sich anteilsmäßig über doppelt so viele Deutschsprachige wie Italienischsprachige der höchsten Kompetenzstufe zu. Zur Wahl standen jeweils die Antwortmöglichkeiten »alles«, »Zusammenhänge«, »einfache Aussagen« und »einzelne Wörter/kein Wort«.

    Dabei fällt auf, dass der Unterschied bei den passiven Fertigkeiten (lesen und hören) deutlich größer ist als bei den aktiven Fertigkeiten (schreiben und sprechen):

    Der Anteil der Deutschsprachigen in der höchsten Kompetenzstufe (»alles«) ist bei den aktiven Fertigkeiten sogar rund dreimal so hoch wie der Anteil der Italienischsprachigen: Nur 14 Prozent der Südtirolerinnen italienischer Muttersprache haben beim Deutschsprechen keinerlei Schwierigkeiten, bei den Schreibkompetenzen sinkt dieser Wert sogar auf 11 Prozent.

    Sehen wir uns das niedrigste Kompetenzniveau (»einzelne Wörter/kein Wort«) an, ist der Unterschied zwischen den Sprachgruppen noch viel größer:

    So gut wie keine Deutschsprachigen sehen sich — in sämtlichen Grundfertigkeiten — auf der untersten Stufe. Dagegen gibt jede fünfte Italienischsprachige an, beim Lesen eines Textes in deutscher Sprache (fast) nichts zu verstehen, nahezu ein Viertel der Befragten kann auf Deutsch höchstens einzelne Wörter schreiben.

    Wenn in einem mehrheitlich deutschsprachigen Land

    • nur noch vier Prozent der Deutschsprachigen angeben, im Kontakt mit Anderssprachigen vorwiegend Deutsch zu sprechen;
    • die Italienischsprachigen gegenüber dem autochthonen deutschen Dialekt wesentlich intoleranter eingestellt sind als die Deutschsprachigen gegenüber allochthonen italienischen Dialekten;
    • deutlich mehr Deutschsprachige angeben, über nahezu perfekte Italienischkenntnisse zu verfügen als umgekehrt;
    • je nach Fertigkeit zwischen einem guten Zehntel und einem knappen Viertel der Italienischsprachigen angeben, dass ihre Deutschkenntnisse bei null stehen, während praktisch keine Deutschsprachigen so schlechte Italienischkenntnisse angeben;
    • die italienische Sprache von allen Sprachgruppen als die wichtigste für das Zusammenleben betrachtet wird;

    hat dies einen Namen: Minorisierung.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 || 01 02 03



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  • Kritik an Ausschluss von Pädagoginnen.

    Der italienische Schul- und Kulturlandesrat Marco Galateo von den neofaschistischen Fratelli d’Italia hatte letzte Woche medienwirksam angekündigt, zwei Pädagoginnen von den Schulen entfernen lassen zu wollen, die wegen ihrer Teilnahme an unerlaubten Kundgebungen mehrere Anzeigen kassiert hätten. Unter anderem wird ihnen vorgeworfen, an der antisemitischen Stolperstein-Aktion vom letzten Juni beteiligt gewesen zu sein, doch Urteile von unabhängigen Gerichten gibt es derzeit nicht.

    An Galateos Ansinnen üben nun Grüne, Linke und mehrere zivilgesellschaftliche Bewegungen, einschließlich No Excuses, in einer Medienmitteilung scharfe Kritik. Es handle sich um einen »offensichtlich repressiven Lynchmord«, der in einem demokratischen Staat keinen Platz haben dürfe. Konktret beanstandet werden unter anderem die Missachtung der Privatsphäre sowie die institutionelle Präpotenz, die juristische Ignoranz und das Zusammenwirken von Kategorien, die eigentlich unabhängig und neutral bleiben sollten.

    Damit wird offenkundig auf das Zusammenspiel zwischen Polizeipräsident Paolo Sartori und Landesrat Marco Galateo angespielt.

    All das sei »ein weiteres alarmierendes Zeichen« für »die dramatische Zeit, in der wir leben«, weshalb die Unterzeichnenden den Schulpädagoginnen ihre volle Solidarität aussprechen.

    Zu den Verfasserinnen der Stellungnahme gehören Die Linke, Bozen Solidale, Scioglilingua, Rifondazione Comunista, Repair Café, No Excuses, Climate Action, Spazio Autogestito 77, Omas gegen Rechts, Ambiente e Salute, die Grünen, Ciclofficina Popolare und Unione Popolare.

    Cëla enghe: 01 02 || 01



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  • Extinction Rebellion gegen Übertourismus.

    Die Gruppierung Extinction Rebellion (XR) hat heute vor dem Gebäude der IDM am Bozner Pfarrplatz gegen den Übertourismus und für die Umsetzung von lange versprochenen Klimaschutzmaßnahmen protestiert. Dazu wurden zwei Transparente mit den Aufschriften »STOP Übertourismus« und »START Klimaschutz« hochgehalten und Flyer mit den entsprechenden Forderungen an das IDM-Schild am Eingang gehängt. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sei der Tourismus für 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, Angaben von Eurac und IDM zufolge sei dieser Anteil in Südtirol noch höher. Die immer größer werdenden Touristenmassen würden zudem in den »bereits angeschlagenen alpinen Ökosystemen« Schäden und Störungen verursachen.

    Dieses Tourismussystem führt zu einem unverhältnismäßigen Anstieg der Lebenshaltungskosten, erhöht das Verkehrsaufkommen und fördert die Verbauung von Naturräumen. Der Tourismus steht oft an erster Stelle, zum Nachteil der Bedürfnisse der Bevölkerung.

    – Pressemitteilung von XR

    Deshalb fordern die Aktivistinnen von XR das Land Südtirol auf, den Massen- und Luxustourismus »zu stoppen«, der das Land und seine Bevölkerung ausplündere. Statt wie bisher mit öffentlichen Geldern Marketingkampagnen zu finanzieren, die die Destination Südtirol weltweit »als Konsumprodukt« vermarkten, sollten Investitionen in den Klimaschutz, öffentliche Mobilität, Gesundheitsdienst, Sozial- und Bildungssystem fließen.

    Foto: Extinction Rebellion Südtirol

    In letzter Zeit wurden auch in Südtirol die Stimmen, die sich gegen den Massentourismus wenden, immer lauter. Öffentlichkeitswirksame Aktionen gab es unter anderem in Gherdëina, wo »Tourists-Go-Home«-Sprüche aufgetaucht sind, daneben in Oberbozen, wo bei der Bergstation der Rittner Seilbahn eine »Vorzugsspur« für Bewohnerinnen auf den Boden gesprüht, wie sie von der dortigen Bevölkerung seit einiger Zeit gefordert wird. Gestern wurde bekannt, dass auch in der Val Badia auf einen Felsen die Botschaft »Stop! No more tourists« gesprüht wurde.

    Zu größeren Kundegebungen, wie auf den Kanaren, den Balearen oder in Barcelona, ist es in Südtirol bislang noch nicht gekommen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Die anachronistische K2-Mission des CAI.

    Der italienische Alpenverein CAI, der in Südtirol auf die lücken- und ausnahmslose Berücksichtigung der kolonial-faschistischen Ortsnamensgebung besteht und nach wie vor Schutzhütten besetzt hält, die im Faschismus enteignet wurden, hat zum siebzigsten Jubiläum der K2-Erstbesteigung eine chauvinistische Expedition organisiert, die das Rad der Alpingeschichte um Jahrzehnte zurückdreht. Damals waren Besteigungen meist Wettrennen zwischen den Staaten respektive den Systemen, die individuellen Leistungen sekundär und der Ruhm der Nation — die ihre vorgebliche Überlegenheit beweisen und wichtige Landmarken (symbolisch) einnehmen konnte — alles. Einer, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den sportlichen Aspekt in den Vordergrund zu stellen und sich hingegen stets geweigert hat, seine Leistungen in den Dienst des Staates zu stellen, war Reinhold Messner.

    Doch im Jahr 2024 hat der CAI eine Besteigung geplant, die wie aus der Zeit gefallen wirkt, während sie gut in das politische Gesamtbild des Landes passt. Als Jubiläumsevent geplant, sollte die als erste rein weibliches Unterfangen dargestellte Mission vor allem daran erinnern, dass es Italiener waren, die den Gipfel des zweithöchsten Bergs der Erde 1954 erstmals erreicht hatten und es sich demnach um einen »italienischen Berg« handle.

    Den italienischen Mitgliedern der Gedenkmission, die von gleich drei Ministerien (Äußeres und Kooperation, Tourismus, Universität und Forschung) unterstützt und wohl auch (ko-)finanziert wurde, hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) am 4. Juni eine Trikolore überreicht, die auf den Gipfel gebracht werden sollte. Auch deshalb wurde das Unterfangen, das von vier italienischen und vier pakistanischen Bergsteigerinnen umgesetzt werden sollte, von Kritikerinnen als »neokolonialistisch« bezeichnet.

    Dazu kommt, dass die Expedition vorab — übrigens von Männern — geplant wurde und man die Teilnehmerinnen erst nachträglich »ausgesucht« hat, was zeigt, dass (wie bei der Erstbesteigung) nicht die Individuen, sondern die Eroberung an sich im Vordergrund stehen sollte. Dass die Wahl dabei auch auf zu unerfahrene Bergsteigerinnen fiel, die teils noch nie auf einem Achttausender waren, brachte dem CAI den Vorwurf ein, ihr Leben fahrlässig aufs Spiel gesetzt zu haben. Gleichzeitig liegt es wohl auch daran, dass die Besteigung letztendlich scheiterte, während andere den Gipfel im selben Zeitraum relativ problemlos erreichen konnten.

    Wohl um die unglaublich anachronistische Aktion etwas zeitgemäßer erscheinen zu lassen, hatte man sich für die rein weibliche Zusammensetzung des achtköpfigen Teams entschieden. Nicht nur der Paternalismus in der Auswahl der Mitglieder (und die eher oberflächliche Einbeziehung von Pakistanerinnen) entlarvte dies als Marketinggag, sondern auch dass die Expedition von einem Mann geleitet und von männlichen Sherpas ermöglicht wurde. Außerdem hätte es sich keineswegs um die erste rein weibliche Besteigung gehandelt, wenn sie denn gelungen wäre.

    Aus Südtiroler Sicht ist das Vorgehen des CAI eher eine Bestätigung denn eine Überraschung. Ein Verein, der sich noch im 21. Jahrhundert für die (Wieder-)Eroberung eines Berges im Namen der Nation hergibt, macht als Ansprechpartner für zukunftsfähige Lösungen in Südtirol jedenfalls wenig Hoffnung.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01



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  • Araber, Linke, Zündler, Zivilisten und der Nahostkonflikt.
    Versuch einer faktischen Annäherung an die Situation in Nahost – Teil 2

    Wie bereits im ersten Teil soll hier eine faktenbasierte Analyse versucht werden. Sollte ich also etwas geschrieben haben, was nicht den Tatsachen entspricht, bin ich froh über Rückmeldungen in den Kommentaren oder über das Fehlerformular.

    Was ist die Rolle der arabischen „Freunde“ der Palästinenser?

    Die Beziehung zwischen den arabischen Staaten und den Palästinensern (Ein Begriff, der als Bezeichnung für die muslimisch-arabischen Bewohner Cisjordaniens im Zuge des Nationbuilding in den 1960er-Jahren entstand. Zuvor wurde diese Bezeichnung für die antike jüdische Bevölkerung in dem Gebiet gebraucht.) ist eine zwiespältige bis widersprüchliche. Zu Beginn des Konflikts ließen Israels Nachbarländer keinen Zweifel daran, dass sie den jungen Staat vernichten wollen. Die Motivation für die Kriege, die begonnen wurden, war also weniger pro-palästinensisch, als vielmehr anti-israelisch bzw. anti-jüdisch. Sie war auch deswegen nicht pro-palästinensisch, weil die arabische Bevölkerung des britischen Mandatsgebietes als Gesamtheit gesehen wurde und es vor dem Ende des Mandats keine Staatsgrenze entlang des Jordans gab. Von 1921 bis 1923 umfasste das Mandat die Gebiete westlich (Cisjordanien bzw. Westpalästina) und östlich (Transjordanien bzw. Ostpalästina) des Jordans als Ganzes. Ab 1923 war Transjordanien ein autonomes Emirat innerhalb des britischen Mandats. Mit Fortdauer des Konfliktes und den dauernden Rückschlägen schwand zumindest die Lust der arabischen Verbündeten an der aktiven Kriegsbeteiligung. Man beschränkte sich auf moralische und diplomatische Unterstützung. Zwar kommt es in der arabischen Welt regelmäßig zu großen Solidaritätsbekundungen – in den Palästen, wie auch auf den Straßen -, wenn der Konflikt wieder einmal hochkocht, jedoch bei konkreten Hilfen sind die arabischen Staaten dann doch wieder zurückhaltend und die Solidarität ist enden wollend. Die humanitäre Hilfe für die Palästinenser wird hauptsächlich von den USA, der EU und generell dem Westen finanziert und nicht von den milliardenschweren Ölstaaten. Noch zurückhaltender ist man bei der Aufnahme neuer palästinensischer Flüchtlinge und deren Ausstattung mit Bürgerrechten. Im Fall von Ägypten hat das einen sehr nachvollziehbaren Grund. Der Gazastreifen grenzt an Ägypten und es wäre ein Leichtes hier Erleichterung für die notleidende Bevölkerung in Gaza zu schaffen bzw. ihnen Schutz zu bieten. Ägypten hat jedoch Angst vor einem Wiedererstarken der Muslimbruderschaft, wenn es Palästinenser ins Land lässt. Bei den ersten freien Wahlen nach dem Arabischen Frühling hatten die Muslimbrüder 2012 triumphiert. Mittels Militärputsch beförderte der jetzige Präsident Abd al-Fattah as-Sisi den demokratisch gewählten Mohammed Mursi von den Muslimbrüdern 2013 aus dem Amt. Die Hamas, mit der viele Palästinenser in Gaza sympathisieren, ist jedoch eine Tochterorganisation der Muslimbruderschaft und für die ägyptische Führung daher ein rotes Tuch.

    Im Laufe der Zeit hat sich also nicht nur Ägypten, sondern auch andere arabische Staaten (Marokko, Jordanien, UAE, Bahrain, Sudan) mit der Existenz Israels angefreundet und die Beziehungen normalisiert. Zwar gilt Katar nach wie vor als einer der wichtigsten Unterstützer der Hamas – nicht zuletzt ist ein Indiz dafür, dass die milliardenschweren Anführer der Terrororganisation (Ismail Haniyya, der bei einem Aufenthalt in Teheran am 31. Juli 2024 durch einen – wahrscheinlich israelischen – Sprengsatz getötet wurde, Mousa Abu Marzouk, Chalid Maschal) in katarischen Luxushotels residier(t)en und von dort aus die Aktivitäten in Gaza steuern, wo die Bevölkerung im Elend versinkt -, jedoch hat sich das Freund-Feind-Schema innerhalb der arabischen Welt in letzter Zeit merklich verschoben. Daraus haben sich neue Allianzen ergeben. War Israel bis vor kurzem noch der alleinige arabische Erzfeind in der Region, so ist an seine Stelle mittlerweile der schiitische Iran getreten, der wiederum der neue, mächtige Unterstützer der sunnitischen Palästinenser ist. Es ist mittlerweile sogar eine leichte Annäherung zwischen Saudi Arabien und Israel in Sicht, die durch die gemeinsame Feindschaft zum Iran genährt wird. Die Unterstützung der palästinensischen Sache durch die schiitischen Huthi-Rebellen in Jemen, die dort gegen die von Saudi Arabien unterstützte Pro-Hadi-Regierung kämpfen, nährt ebenfalls dieses “Der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund”-Schema.

    Widersprüche ohne Ende: Islamismus, Antisemitismus und die Linke/Rechte

    Eine Sache hätte ich nicht für möglich gehalten: Eine faschistoide und radikalislamistische Terrororganisation wie die Hamas verübt – gedeckt von einem nicht kleinen Teil der Bevölkerung Gazas – eines der größten und grausamsten Verbrechen der jüngeren Geschichte, streamt die Gräueltaten live im Internet und paradiert in einem barbarischen, perversen, unmenschlichen Schauspiel misshandelte und geschändete Körper ziviler Opfer und Geiseln unter dem Jubel hunderter Menschen durch die Straßen Gazas. Attentäter prahlen im Telefonat mit ihren Eltern, wie viele Juden sie ermordet hätten und ihnen hallen stolze Allahu-Akbar-Rufe entgegen. Das Entsetzen über die Taten war zwar weltweit groß, aber dass es in der Folge in arabischen Ländern oder im Westen zu massiven Protesten mit tausenden Menschen auf der Straße in Solidarität mit den getöteten, misshandelten, vergewaltigten und entführten Menschen gekommen wäre, war nicht der Fall. Erst als die Angegriffenen begannen, die Mörder zu jagen und die Geiseln zurückzuholen, strömten die Menschen auf die Straße – in Solidarität mit den Palästinensern. Die klerikalfaschistische Hamas und die Ereignisse vom 7. Oktober spielten dabei kaum eine Rolle. Der Hass richtete sich – die Geschichte, wie ich sie in Teil 1 erzählt habe, völlig ausblendend oder bis zur Unkenntlichkeit verzerrend – einzig und allein gegen Israel. Selbst Fotos der entführten Geiseln waren vor diesem Hass nicht sicher und wurden vielerorts heruntergerissen. Es ist eine moralische Verkommenheit und eine geschichtsvergessene Ignoranz, die sprachlos macht.

    Bitte nicht falsch verstehen: Es ist völlig legitim, sich für die Sache der Menschen in Palästina zu engagieren und dafür auf die Straße zu gehen. Die Ungerechtigkeit anzuprangern (wenngleich diese zu einem nicht unerheblichen Teil auch selbstverschuldet ist – siehe Teil 1) und den Staat Israel, seine Regierung und die Siedlungspolitik zu kritisieren, ist absolut gerechtfertigt. Wenn ich dabei allerdings mit den größten Hinderungsgrund für ein friedliches Miteinander in der Region ausblende – und zwar jene, die Israel und alle Juden aus religiösem Fanatismus vernichten und einen mittelalterlichen, totalitären Gottesstaat errichten wollen -, ist der Protest entweder primitiver Antisemitismus (Protest gibt es nur, wenn Israel der “Aggressor” ist), bewusste Heuchelei (wieso ist die Freiheit der Menschen in Jemen, Darfur, Kurdistan, Syrien usw. kein Thema?) oder einfach nur himmelschreiend naiv und dumm.

    Bestes Beispiel dafür sind “Queers for Palestine”, die “From the River to the Sea” skandieren. Laut dem “LGBT Equality Index” liegt Palästina (6 Punkte) auf Platz 192 von 197 Ländern, was die Situation queerer Menschen anbelangt. Es gibt auf der Welt nur fünf Länder, in denen LGBTQIA+-Personen noch schlechter dran sind als in den palästinensischen Autonomiegebieten, wobei die Situation im Westjordanland (Westbank) tendenziell besser ist als in Gaza. Schwulen Menschen, die ihre sexuelle Orientierung öffentlich machen, droht der Tod. Israel hingegen erreicht in dem Ranking 64 Punkte und landet auf Platz 43 weltweit (zum Vergleich: Österreich ist 26., Italien 33.). Ahmad Abu Murkhiyeh beispielsweise war ein schwuler Palästinenser, der in Israel aus diesem Grund im Asyl lebte. Er wurde in der Folge aller Wahrscheinlichkeit nach nach Hebron entführt und von einem 25-jährigen Landsmann enthauptet, der die Tat filmte und auf Social Media verbreitete. Der Falls sorgte für Schlagzeilen und politische Diskussionen. In Israel leben derzeit 90 Palästinenser im Asyl aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. “From the River to the Sea” bedeutet, dass der Staat Israel eliminiert wird und sich die “Freiheit” à la Hamas (anti-demokratisch, anti-feminin, anti-LGBTQ+, anti-Meinungsfreiheit, anti-Pressefreiheit, anti-Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, anti-Religionsfreiheit usw.) über die gesamte Region erstreckt. Der einzige Ort, an dem queere Menschen im Nahen Osten einigermaßen in Sicherheit leben können, ist Israel, ein safe haven inmitten einer Region voller Schwulenhass (in mehreren Ländern der Region steht auf Homosexualität die Todesstrafe). Noch einmal: Ich kann mich auch als queere Person für die palästinensische Sache engagieren, sollte dabei allerdings nicht jede andere benachteiligte Gruppe oder Minderheit und jedes nur erdenkliche demokratische Freiheitsrecht opfern. Denn das wäre ein sehr selektives Verständnis von Freiheit. Paradoxerweise werfen viele linke Pro-Palästina-Aktivisten genau dieses selektive Verständnis anderen Linken vor, die nicht undifferenziert “Free Palestine” und “From the River to the Sea” rufen bzw. BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) skeptisch sehen. Sie nennen sie PEP (progressive except Palestine). Dem könnte man entgegenhalten, dass das Ignorieren von vergewaltigten jüdischen Frauen, Marry-your-rapist-Praktiken in Gaza und dergleichen POP (progressive only for Palestine) ist. P.S.: Die antisemitisch angehauchte Erklärung, dass die Palästinenser aufgrund der Unterdrückung durch Israel keine freie, liberale Gesellschaft formen konnten, zieht nicht. Erstens gibt es diese freie, liberale Gesellschaft auch nicht in jenen Ländern der Region, die nicht von Israel “unterdrückt” werden. Und zweitens ist die Gesellschaft des “Unterdrückers” weitgehend frei und liberal.

    Ein anderer paradoxer Aspekt ist jener der Zuwanderung. Für gewöhnlich stehen Linke einer Niederlassungsfreiheit von Menschen jeglicher Herkunft zumindest nicht negativ oder gänzlich ablehnend gegenüber. Im Falle jüdischer Zuwanderung in besagtes Gebiet scheint das anders zu sein, was wiederum ein Hinweis für antisemitische Ressentiments ist. Rund die Hälfte der Menschen in Gaza sind Nachfahren ägyptischer und anderer arabischer Zuwanderer im 20. Jahrhundert. Und rund die Hälfte der Bevölkerung Israels stammt von Menschen ab, die wiederum aus arabischen Ländern im 20. Jahrhundert vertrieben wurden. Unter pro-palästinensischen Gruppen werden erstere oft als “autochthone Bevölkerung” und zweitere als “Kolonialisten” geframt. Ist also jüdische Zuwanderung in den und aus dem Nahen Osten für diese Gruppierungen generell nicht erwünscht? Liej inant / Weiterlesen / Continua →



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