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  • Trickst Südtirol bei der Kfz-Steuer?

    In der SWZ-Ausgabe vom 15. November thematisierte Chefredakteur Christian Pfeifer einen angeblichen »Trick«, der Südtirol zum »Steuerparadies für Italiens große Autovermieter« mache. Vier Großstädte hätten nun bei der Zentralregierung gegen die »autonome Extrawurst« interveniert.

    Doch worum geht es hier eigentlich? Die Grundlagen der Kfz-Steuer legt der italienische Staat zentral fest, Regionen und die Länder Südtirol und Trient legen sogenannte Koeffizienten fest, mit denen die Leistung der Fahrzeuge multipliziert wird, um die Höhe der Steuer zu ermitteln. Das ist eine milde Form von Steuerautonomie bzw. Steuerföderalismus. Südtirol, Trentino und Aosta haben die niedrigsten Koeffizienten und somit auch die niedrigsten Kfz-Steuern.

    Einige staatsweit agierende Autovermietungen haben deshalb ihren Steuersitz nach Aosta, Südtirol oder ins Trentino verlegt, um Steuern zu sparen. Die drei Länder profitieren davon, weil zusätzliche Kfz-Steuern und Zulassungsgebühren in ihre Kassen fließen.

    Sonderbares Framing

    Ist das ein Trick? Eine »autonome Extrawurst«, für die man ein schlechtes Gewissen haben müsste? Wohl kaum, auch weil sämtliche Regionen bzw. Länder hier genau dieselben Befugnisse haben. Alle könnten es Aosta, Trient und Südtirol gleichtun, wenn sie wollten.

    In einem föderal organisierten System wird eine Steuer immer irgendwo höher und woanders niedriger (also auch irgendwo am niedrigsten) sein. Nur weil wir das nicht gewohnt sind, ist das noch lange weder ein Trick noch eine Extrawurst. Von autonomistischer Gesinnung oder föderalistischem Bewusstsein zeugen unnötige Vorwürfe wie jene der SWZ da jedenfalls nicht.

    Dass nun nach Gegenmaßnahmen gesucht wird, um Autovermietungen dazu anzuhalten, die Steuern dort zu zahlen, wo die Fahrzeuge tatsächlich gefahren bzw. vermietet werden, finde ich hingegen legitim.

    Übrigens: Für bestimmte Fahrzeugarten sehen Regionen und Länder auch Minderungen und Ausnahmen vor. E-Fahrzeuge zahlen auf dem gesamten Staatsgebiet einheitlich die ersten fünf Jahre keine Kfz-Steuer, anschließend bleibt sie in Südtirol und mehreren italienischen Regionen auf 25% reduziert. Ausgerechnet in zwei Regionen mit Normalstatut — Lombardei und Piemont — zahlen E-Autos hingegen auch nach den ersten fünf Jahren nichts. Ist das dann auch ein fieser Trick?

    Hinweis: In diesem Beitrag geht es ausdrücklich nicht darum, ob in Südtirol eine höhere Kfz-Steuer sinnvoll wäre, etwa um den Fahrzeugbesitz weniger attraktiv zu machen. Diese Debatte kann und muss (zum Beispiel im Landtag) geführt werden, hat jedoch mit dem Vorwurf der Trickserei nichts zu tun.



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  • Die Streaming-App der RAS.
    Geoblocking

    Die Südtiroler Rundfunkanstalt RAS hat heute eine neue Smartphone-App vorgestellt, mit der sich in Südtirol ab sofort öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme aus dem deutschen Sprachraum live übers Internet streamen lassen. Damit kann das Geoblocking , das den Abruf vieler Sendungen über das Internet bislang verhindert hatte, erstmals völlig legal umgangen werden.

    Konkret sind in der App folgende Sender verfügbar, die die RAS in Südtirol bereits über ihre terrestrischen Anlagen verbreitet: ORF 1, 2, III und Sport+, ARD, ZDF, ZDFneo, Arte, BR, 3sat und Kika. Nicht dabei sind derzeit noch die Schweizer Programme der SRG, womit die ladinische Sprachgruppe vorerst unberücksichtigt bleibt.

    Die letztendlich erfolgreichen Verhandlungen mit den Sendeanstalten waren laut den Verantwortlichen der RAS schwierig. Aus rechtlichen Gründen nicht möglich war offenbar, auch die zeitversetzte Nutzung sowie die Mediatheken anzubieten. Das bleibt ein großes Manko. Darüber hinaus fehlt der App auch die Teletextfunktion.

    Wie die Zuständigkeit der RAS ist auch die Nutzung der App auf Südtirol beschränkt. Ob sich die Seherinnen tatsächlich im Lande aufhalten, wird über die GPS-Funktion des Smartphones ermittelt. Die Freigabe der eigenen Position ist somit unumgänglich.

    Über das Streaming hinaus bietet die App einen Programmführer, die Live-Bilder aller 81 Wetterwebcams der RAS sowie einen Wetter-Zeitraffer. Sie ist jeweils kostenlos im App-Store (für iPhone und iPad) sowie im Google-Play-Store verfügbar.

    Obwohl nur deutschsprachige Programme angeboten werden, bietet die App auch eine englische und eine italienische Sprachfunktion. Währenddessen gehört Ladinisch nicht zum Umfang, obschon die RAS ihrem Auftrag nach der deutschen und der ladinischen Sprachgruppe dient.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 || 01



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  • Höhere Strafen bringen wenig.
    Quotation

    Wieder einmal erhöht Rom die Verkehrsstrafen, obwohl sie im internationalen Vergleich schon sehr hoch sind. Rai Südtirol hat dazu mit einem Verkehrspsychologen gesprochen, der unter anderem Folgendes sagt:

    In Italien denkt man immer, durch eine bloße [Erhöhung] der Strafen erreiche man eine Verhaltensänderung. Dies ist aber — das weiß man — nicht der Fall. Es bräuchte viel viel mehr Kontrollen im Bereich der Verkehrssicherheit: Geschwindigkeit, Alkohol, Sicherheitsabstand und so weiter.

    Also in Italien ist es sehr schwierig, Geschwindigkeitskontrollen effizient durchzuführen: die müssen angekündigt werden und wo die Kameras aufgestellt werden [dürfen], ist auch sehr komplex.

    Max Dorfer, Verkehrspsychologe, in der heutigen Tagesschau von Rai Südtirol. Transkription von mir.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07



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  • Sartori in die Schranken gewiesen.
    Verwaltungsgericht

    Einem obdachlosen Arbeiter ausländischer Herkunft war im April von Polizeipräsident Paolo Sartori ein Aufenthaltsverbot erteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm nichts weniger, als sich längere Zeit im Kapuziner- und Bahnhofspark aufgehalten, Müll zurückgelassen und den »Anstand« und die »öffentliche Ruhe« verletzt zu haben. Durch sein Herumlungern habe er das Recht anderer Bürgerinnen eingeschränkt, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten und zu bewegen.

    Obwohl der Mann nichts Strafbares gemacht hatte, erkannte Sartori eine »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit« und verfügte die Einschränkung seiner Grundrechte.

    Das mit Hilfe von Bozen Solidale angerufene Südtiroler Verwaltungsgericht hob die polizeiliche Maßnahme nun auf, da die sie viel zu allgemein und »apodiktisch« begründet gewesen sei. Für die angebliche Gefährlichkeit des Mannes hätten keinerlei konkrete Beweise vorgelegen.

    Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der sogenannte Quästor hat Befugnisse, die in einem Rechtsstaat (nicht von ungefähr) quasi einmalig sind. Doch anstatt sie mit Bedacht einzusetzen, schafft er es, die ihm ganz und gar nicht eng gesetzten Grenzen auch noch zu überschreiten.

    Jemanden ohne Verfahren und ohne handfeste Beweise seiner Freiheit zu berauben, ist keine Bagatelle, sondern — anders als »Herumlungern« — eine potenzielle Gefahr für unsere demokratische Grundordnung. Umso mehr, als Einspruchsmöglichkeiten aufwändig und langwierig sind.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09



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  • Wiederherstellung durch Aushöhlung.

    Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) wollte nicht versprochen haben, dass der Entwurf zur Wiederherstellung der Südtirolautonomie im Juni von der italienischen Regierung behandelt wird. Dafür legte er sich anschließend auf den November fest. Jetzt wird klar: Auch dieser Termin ist leiderleider nicht zu halten. Der LH kritisiert nun die, die ihn an seine eigenen Aussagen erinnern, weil es ja schließlich nicht um eine schnelle Umsetzung, sondern um Inhalte gehe.

    Da die parlamentarischen Verfahren in Rom äußerst langwierig sind, umso mehr, wenn es um Verfassungsänderungen geht, muss aber natürlich auch zügig gearbeitet werden. In Italien lauert zudem ständig die Möglichkeit eines vorzeitigen Regierungssturzes.

    Nicht zuletzt haben die italienischen Rechtsradikalen ihre Regierungsposten in Südtirol, die sie sich als unsägliche Gegenleistung für die Wiederherstellung erpresst haben, ja auch schon seit Monaten inne. Sollte man sie vielleicht ruhend stellen oder einiger Zuständigkeiten erleichtern, bis Rom endlich liefert?

    A propos Erpressung: Als Gegenleistung für die Rückgabe von Zuständigkeiten, die Südtirol zustehen und im Grunde — weil im Widerspruch zur Streitbeilegung von 1992 — widerrechtlich beschnitten wurden, verlangen die italienischen Rechten auch noch eine Beschneidung des Minderheitenschutzes. So will Alessandro Urzì (FdI) die Abschaffung der vierjährigen Ansässigkeitsklausel, die Senkung der Schwellen zur Ernennung von Referentinnen italienischer Muttersprache in den Gemeinden und eine stärkere Vertretung der italienischen Sprachgruppe in der Landesregierung. Da für letzteres der Proporz gilt, geht das nur, indem man die beiden anderen Sprachgruppen — also die Minderheiten — diskriminiert.

    Absurd und widersinnig: »Minderheitenschutz« zu Lasten der nationalen Minderheiten und zugunsten der Staatsbevölkerung. Den italienischen Mitbürgerinnen würde man so zudem das demokratische Recht verwehren, sich — wenn sie es wünschen — von Deutschsprachigen vertreten zu lassen.

    Und gibt es denn vielleicht in der römischen Regierung irgendwelche Vertretungsklauseln für sprachliche Minderheiten?

    Gegenleistungen für verbriefte Rechte

    Anstatt den Forderungen von Urzì, die mit der Wiederherstellung von Kompetenzen — eine Bringschuld Roms! — nichts zu tun haben, eine klare Abfuhr zu erteilen, ließ der Landeshauptmann wissen, dass er darüber reden will, sobald die von der römischen Regierung zu bearbeitenden Punkte auf dem Tisch liegen.

    Welches Mandat hat Herr Kompatscher für Verhandlungen zur Schwächung des Minderheitenschutzes?

    Die Gegenleistung für die Autonomie — ein Kompromiss! — war, dass Südtirol nach dem zweiten Weltkrieg nicht Österreich zurückgegeben wurde. Als Gegenleistung, um sie zurückzubekommen, beteiligte die SVP vor einem Jahr die italienischen Rechtsextremen an der Landesregierung. Die verlangen nun jedoch als abermalige Gegenleistung, den Schutz der Minderheiten aufzuweichen und neue Privilegien für die nationale Mehrheit einzuführen.

    So ist es, wenn nicht partnerschaftlich auf Augenhöhe verhandelt wird, sondern eine Seite permanent am längeren Hebel sitzt. Wer hätte schon erwarten können, dass das die Rechten ungeniert ausnutzen?

    Cëla enghe: 01 02 03 04 | 05 | 06 || 01 02



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  • Donald Trump als Spiegel.
    Quotation

    In Italien haben wir sie schon in den Institutionen, die Verschwörer, die mit dem Neonazismus flirten. Hier ist der Kreuzzug gegen die Rechte der Frauen, gegen die Pressefreiheit und die Freiheit der Lehre an der Tagesordnung. Haftstrafen für Protestierende, Zunahme von gewaltsamen Angriffen auf LGBTI-Personen, Zuschüsse für Therapien zur »Heilung von Homosexualität«, die Unmöglichkeit, in weiten Teilen des Landes abzutreiben. Trotzdem scheint Meloni im Ausland nicht mehr zu erschrecken. Die Europäische Volkspartei, eine der schlimmsten Rechten in Europa seit Jahrzehnten, hat sie skrupellos reingewaschen und somit legitimiert, wenn es für sie vorteilhaft war. Die internationale Presse hat ihre Aufmerksamkeit aufgegeben, weil es keine Neuheit mehr ist und viele Journalist:innen haben Meloni [sogar] reingewaschen, indem sie die »menschliche Seite« der postfaschistischen Anführerin hervorgehoben haben.

    Das Gefühl, das man aus vielen europäischen und auch italienischen Medien gewinnt, ist, dass im zivilisierten und ordentlichen Europa jemand mit den Ideen von Trump nicht gewählt worden wäre. Doch das haben wir doch schon getan! Und wir werden es weiterhin tun. Es gehört zu den [besonderen] Fähigkeiten der radikal-reaktionären Rechten, in jeder Umgebung das passende Gewand zu wählen, damit alle glauben, dass die extremen Rechten immer die anderen sind.

    Auszug aus Si Trump ens fa de mirall von Alba Sidera, erschienen in der katalanischen Zeitung El Punt Avui (18. November 2024). Sidera, Journalistin und Expertin für Rechtsextremismus, lebt seit 2007 als Korrespondentin in Rom. Übersetzung von mir.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 05 06 || 01



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  • Kein vorauseilender Gehorsam.
    Quotation

    Der Großteil seiner Macht wird dem Autoritarismus freiwillig gegeben. In Zeiten wie diesen überlegen Individuen im Voraus, was eine repressivere Regierung wollen wird und bieten sich dann an, ohne dazu aufgefordert zu werden. Ein:e Bürger:in, der:die sich auf diese Weise anpasst, lehrt die Macht, was sie tun kann.

    – Lektion Nr. 1

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Do not obey in advance.

    Most of the power of authoritarianism is freely given. In times like these, individuals think ahead about what a more repressive government will want, and then offer themselves without being asked. A citizen who adapts in this way is teaching power what it can do.

    – Timothy Snyder, On Tyranny

    Timothy Snyder, Über Tyrannei – Zwanzig Lektionen für den Widerstand (2017)

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Danger Zones.
    Veranstaltungshinweis

    Am 28. November findet ab 20.00 Uhr an der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann (Bozen) unter dem Titel

    Danger Zones: Eine Untersuchung zu nationalen Minderheiten in Europa

    eine Buchvorstellung mit anschließendem Podiumsgespräch statt:

    1929 erschien bei Hogarth Press in London, dem Verlag des berühmten Schriftstellerehepaars Leonard und Virginia Woolf, ein schmächtiges Buch mit dem Titel „Danger Zones of Europe. A Study of National Minorities“. In diesem Essay analysierte der englische Historiker und Völkerbundmitarbeiter John S. Stephens (1891–1954) die Lage nationaler Minderheiten in Europa nach den Grenzverschiebungen des Ersten Weltkriegs und warnte davor, dass ungelöste Konflikte zu neuen Kriegen führen könnten. Seine Prognose war erschreckend präzise – und bleibt hochaktuell.
    Das vergriffene Werk, von Maria Kampp nun erstmals ins Deutsche übersetzt und kommentiert von Hannes Obermair und Josef Prackwieser, beleuchtet die Rolle von Minderheiten als Brückenbauer zwischen den Nationen und vermittelt die Bedeutung von echtem Minderheitenschutz für den Frieden. Ein hochaktuelles Thema für unsere Gegenwart, die von wiederaufkeimendem Nationalismus und neuen Konflikten geprägt ist.

    Zwei kurzen Impulsvorträgen von Hannes Obermair (Senior Researcher von Eurac Research und Historiker) und Josef Prackwieser (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Autonomy Experience von Eurac Research) schließen sich eine Podiumsdiskussion und Publikumsfragen an. Den Abend moderiert Katharina Crepaz (Senior Researcher am Center for Autonomy Experience).

    Eine gemeinsame Veranstaltung der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann, des Center for Autonomy Experience von Eurac Research und Edizioni Alphabeta Verlag.

    aus der offiziellen Ankündigung



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