→→ Autorinnen →→ Gastbeiträge →→

Grüne für mehr Zentralismus.
Autonomiereform

Autor:a

ai

In einer heute versendeten Stellungnahme kritisieren die (von den italienischen Grünen unabhängigen) Südtiroler Grünen die geplante Autonomiereform. Zu Recht bemängeln sie das undurchsichtige und wenig demokratische Zustandekommen des Entwurfs, wünschen sich aber auch mehr staatlichen Zentralismus, etwa bei ihrem Kernthema Umwelt.

So schreiben sie:

Man darf nicht in den Automatismus verfallen, dass es immer besser sei, nach Unten zu delegieren. Gerade wenn es um Interessenskonflikte geht – und das ist bei Raumordnung und Umwelt gang und gäbe – ist eine übergeordnete Instanz, die die Entscheidungen trifft und die Regeln vorgibt, von Vorteil. Mehr als einmal hat der Staat in Sachen Umwelt das Machtwort gesprochen.

– aus der Pressemitteilung

Machtworte von oben sind also — ausgerechnet in einem Staat, der seit Jahrzehnten hauptsächlich von Recht(sradikal)en regiert wird —, für die Südtiroler Grünen das Gebot der Stunde. Die Neofaschistinnen, die die Zuständigkeiten Südtirol überlassen würden, sind Brigitte Foppa, Zeno Oberkofler und Madeleine Rohrer also offenbar zu autonomistisch.

Die Grünen trauen dem Land die Umweltpolitik nicht zu — auch sich selbst nicht, falls sie irgendwann in Regierungsverantwortung kommen sollten. Besser sind Diktate von oben.

Ganz allgemein bezeichnen sie die Forderung nach mehr Zuständigkeiten despektierlich als »Einkaufsliste« und kritisieren gleichzeitig, dass dem zentralistischen Verfassungsgerichtshof (der die Autonomie seit 2001 massiv zusammengekürzt hatte) engere Grenzen gesetzt werden sollen.

Die Beschneidung des Minderheitenschutzes finden die drei Landtagsabgeordneten aber gut. Sie gehen ihnen bloß noch nicht weit genug: So sind sie etwa der Meinung, dass die Ansässigkeitsklausel nicht auf zwei Jahre hätte gekürzt werden sollen, wie von der rechtsrechten italienischen Regierung geplant, sondern auf nur noch eines.

Die Kannbestimmung zum Bevölkerungsproporz bei der Zusammensetzung der Landesregierung kritisieren sie nicht etwa, weil sie undemokratisch ist, sondern nur, weil sie sich »eine klare und unmissverständliche Lösung gewünscht« hätten, »um nicht zu jedem Legislaturbeginn in einen Gutachterstreit zu verfallen und um die politischen Manöver einzugrenzen.« Hätte man den Landtagsproporz also einfach ganz mit dem undemokratischen Bevölkerungsproporz ersetzt, den Grünen hätte es wohl gefallen.

Cëla enghe: 01 02 03



Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

Comentârs

6 responses to “Grüne für mehr Zentralismus.
Autonomiereform

  1. Kritiker avatar
    Kritiker

    Warum, liebe Grüne, seid ihr nicht katalanisch oder schottisch grün? Warum seid ihr Vorreiter beim Schutz von Minderheiten jeglicher Art, aber nicht wenn es um die deutsch- und ladinischsprachige Minderheit geht? Warum seid ihr dort so nationaldenkend? Warum? Gebt mir eine schlüssige Antwort!

    1. G.P. avatar
      G.P.

      Sehr gute Fragen! Nachdem Frau Foppa hier wahrscheinlich mitliest, erwarte ich mir Antworten.

    2. Felix von Wohlgemuth avatar
      Felix von Wohlgemuth

      Warum unterstellen sie das den Grünen? Können Sie mir eine schlüssige Antwort geben? (auch gerne auf meinen längeren Kommentar unten)

      1. Kritiker avatar
        Kritiker

        Wer auf eine Frage keine Antwort liefern kann, sondern mit einer Gegenfrage kommt, bleibt die Antwort schuldig, weicht aus, es fehlen wohl die Argumente.

  2. Felix von Wohlgemuth avatar
    Felix von Wohlgemuth

    Ich habe mir Deine Stellungnahme durchgelesen, kann sie aber trotzdem nicht teilen. Es geht nicht um “Machtworte von oben” und es ist auch irrelevant, wer an der Regierung ist. Es geht um Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und dies beschränkt auf die Bereiche Umwelt und Raumordnung. Hier gab es keine Eingriffe in die Autonomie, da wir hier keine Kompetenzen hatten. Es ging bei den Entscheidungen um klare und offensichtliche Rechtsbrüche durch Bestimmungen, welche in Nacht- und Nebelaktionen in Landesgesetze geschmuggelt wurden (siehe Fall Twenty), einzig um Partikularinteressen zu schützen.

    Du wirst zugeben müssen, dass hier in Zukunft ein rechtliches korrektiv fehlen wird. Die weiteren Eingriffe des Verfassungsgerichtes gehen auf den ersten Blick sicher in eine zentralistische Richtung. Es wäre aber interessant zu prüfen, wie viele dieser Urteile wirklich im Kern auf eine „nationalistische Gesinnung“ des Gerichtshofes zurückgehen und welche hingegen auf die zwingende innerstaatliche Umsetzung von EU-Rechtsakten zurückgehen, mit welchen Landesgesetzen nicht (mehr) kompatibel waren. Mein Gedankengang ist etwas schwer hier in Worte zu fassen. Ich meine wenn Italien Eu-Recht in nationales Recht überführt und dann ein Landesgesetz diese Eu-Bestimmung verletzt, dass wird es „formal“ Verfassungswidrig sein, weil ein „staatliches“ Gesetz verletzt wird – aber dahinter steht EU Recht, an dass wir uns auch weiterhin halten müssen. Das wäre mal interessant zu erheben, um wirklich ein klares Bild von den Problemen ab 2001 zu erhalten.

    Die Reduzierung der Ansässigkeit für das Wahlrecht, um im Gegenzug die Kompetenz für Natur und Umwelt zu erhalten, ist hier ein verschmerzbarer Tausch. ER wurde für Urzi überhaupt erst möglich, weil eben Kompatscher nicht nur eine Wiederherstellung der Autonomie (Stand 1992) wollte, sondern versucht hat, auch die Umweltagenden zu bekommen – welche ja, wie geschrieben, nie Teil des Autonomiestatutes waren.

    Du schreibst, es würde sich um eine “Beschneidung der Autonomie” handeln, ganz so, als wäre die Ansässigkeit einer der tragenden Pfeiler der Autonomie. Das ist schon doch sehr, sehr weit hergeholt Simon. Ich gehe aber mal davon aus, dass auch längerfristig Italien keine Möglichkeit mehr hat, 10.000de Personen zwangsweise nach Südtirol zu versetzen, um so möglicherweise Wahlen entscheidend zu beeinflussen. Weder gibt es noch Kasernen mit solchen Kapazitäten, noch Staatsbetriebe, wie einst zB Post oder Bahn, die über so viel Personal verfügen würden.
    Diese Bestimmung wurde in den 60gern des letzten Jahrhunderts eingeführt und hat sich doch offensichtlich mehr als überlebt.

    Und ob, zuletzt, die Kann-Bestimmung bei der Besetzung der Landesregierung wirklich undemokratisch wäre, nur weil die Möglichkeit geschaffen wird, die Landesregierung gemäß Bevölkerungsproporz und nicht ausschließlich auf der Grundlage der Vertretung der Sprachgruppen im Landtag zu bilden, wäre eine interessante Diskussion wert ;) Es ist ein – auch demokratiepolitisches – Problem, dass die italienische Sprachgruppe im Landtag strakt unterrepräsentiert ist. Das ist vor allem der zersplitterten Parteienlandschaft geschuldet, aber auch darauf zurückzuführen, dass „Italiener“ nicht mehr zwangsläufig „italienische“ Parteien wählen sondern, siehe zB Leifers, durchaus mal bei der SVP ihr Kreuz machen. Wenn der Proporz mir sogar meinen Arzt vorgibt, dann kann er mir auch gerne einen Landesrat vorgeben….

    1. Simon avatar

      Hallo Felix, danke für deine Einwände. Ich versuche, Punkt für Punkt darauf einzugehen:

      Es geht nicht um “Machtworte von oben” und es ist auch irrelevant, wer an der Regierung ist.

      In der Aussendung eurer Landtagsabgeordneten geht es aber wortwörtlich um »Machtworte« des Staates.

      Es geht um Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und dies beschränkt auf die Bereiche Umwelt und Raumordnung.

      Mit der »übergeordnete[n] Instanz, die die Entscheidungen trifft und die Regeln vorgibt« kann ja nur die Regierung gemeint sein. Das Verfassungsgericht gibt keine Regeln vor, außerdem geht es an der Stelle in der Aussendung ja darum, dass die Zuständigkeit nicht »nach Unten« delegiert werden soll.

      Hier gab es keine Eingriffe in die Autonomie, da wir hier keine Kompetenzen hatten.

      Natürlich hatte Südtirol in den Bereichen Umwelt und Raumordnung Kompetenzen. Die Raumordnung war bereits primäre Zuständigkeit, die Umwelt hat sich das Verfassungsgericht als Querschnittskompetenz des Staates aus den Fingern gesaugt, der dann frühere Landeszuständigkeiten zum Opfer gefallen sind.

      Es ging bei den Entscheidungen um klare und offensichtliche Rechtsbrüche durch Bestimmungen, welche in Nacht- und Nebelaktionen in Landesgesetze geschmuggelt wurden (siehe Fall Twenty), einzig um Partikularinteressen zu schützen.

      Das Verfassungsgericht hat bei den Sanktionen einfach gesagt, das Land sei trotz primärer Raumordnungskompetenz nicht berechtigt, den Bereich anders als der Staat zu regeln. Hätte der Staat genau dieselbe Regelung erlassen wie sie das Land erlassen hat, wäre das somit in Ordnung gewesen. Ich habe das hier genauer ausgeführt.

      Du wirst zugeben müssen, dass hier in Zukunft ein rechtliches korrektiv fehlen wird.

      Warum sollte dies denn der Fall sein? Landesgesetze unterliegen ja weiterhin der Kontrolle des Verfassungsgerichtes.

      Die weiteren Eingriffe des Verfassungsgerichtes gehen auf den ersten Blick sicher in eine zentralistische Richtung. Es wäre aber interessant zu prüfen, wie viele dieser Urteile wirklich im Kern auf eine „nationalistische Gesinnung“ des Gerichtshofes zurückgehen und welche hingegen auf die zwingende innerstaatliche Umsetzung von EU-Rechtsakten zurückgehen, mit welchen Landesgesetzen nicht (mehr) kompatibel waren. Mein Gedankengang ist etwas schwer hier in Worte zu fassen. Ich meine wenn Italien Eu-Recht in nationales Recht überführt und dann ein Landesgesetz diese Eu-Bestimmung verletzt, dass wird es „formal“ Verfassungswidrig sein, weil ein „staatliches“ Gesetz verletzt wird – aber dahinter steht EU Recht, an dass wir uns auch weiterhin halten müssen. Das wäre mal interessant zu erheben, um wirklich ein klares Bild von den Problemen ab 2001 zu erhalten.

      In den Fällen, wo das so gewesen wäre, hätte das Verfassungsgericht sicherlich darauf hingewiesen. Das EU-Recht bleibt außerdem auch nach Übergang der Zuständigkeiten an das Land ein möglicher Grund, warum das Verfassungsgericht eingreifen kann. Lediglich die »grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik« entfallen als Grenze der Landeszuständigkeiten. Sogar das »nationale Interesse« bleibt aufrecht.

      Die Reduzierung der Ansässigkeit für das Wahlrecht, um im Gegenzug die Kompetenz für Natur und Umwelt zu erhalten, ist hier ein verschmerzbarer Tausch. ER wurde für Urzi überhaupt erst möglich, weil eben Kompatscher nicht nur eine Wiederherstellung der Autonomie (Stand 1992) wollte, sondern versucht hat, auch die Umweltagenden zu bekommen – welche ja, wie geschrieben, nie Teil des Autonomiestatutes waren.

      Meines Wissens waren die Umweltagenden stets Teil der Wiederherstellung. Was darüber hinausging war z.B. das »Einvernehmen«.

      Wie dem auch sei: Nur weil die Landesregierung zusätzliche Forderungen erhoben hat, heißt das noch nicht, dass Südtirol dafür Zugeständnisse (im Sinne der Beschneidung von Minderheitenrechten) machen muss. Dies ist bei Autonomieverhandlungen ungewöhnlich.

      Du schreibst, es würde sich um eine “Beschneidung der Autonomie” handeln, ganz so, als wäre die Ansässigkeit einer der tragenden Pfeiler der Autonomie. Das ist schon doch sehr, sehr weit hergeholt Simon.

      Beschneidungen der Autonomie müssen nicht notwendigerweise tragende Pfeiler der Autonomie betreffen. Außerdem schreibe ich nicht, dass es eine Beschneidung der Autonomie wäre, sondern eine Beschneidung des Minderheitenschutzes — das ist wohl unzweifelhaft so. Und das gerade, während die Minderheiten ohnehin bereits schrumpfen.

      Ich gehe aber mal davon aus, dass auch längerfristig Italien keine Möglichkeit mehr hat, 10.000de Personen zwangsweise nach Südtirol zu versetzen, um so möglicherweise Wahlen entscheidend zu beeinflussen. Weder gibt es noch Kasernen mit solchen Kapazitäten, noch Staatsbetriebe, wie einst zB Post oder Bahn, die über so viel Personal verfügen würden.
      Diese Bestimmung wurde in den 60gern des letzten Jahrhunderts eingeführt und hat sich doch offensichtlich mehr als überlebt.

      Italien muss ja nicht notwendigerweise wie in den 1960er Jahren vorgehen — obwohl mir angesichts der geopolitischen Weltlage auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht ausgeschlossen erscheint. Es reicht festzustellen, dass wir eine massive Zuwanderung aus Italien haben. Die Ansässigkeitsklausel bietet derzeit einen Schutz vor verzerrten Wahlergebnissen durch Personen, die hier nur kurzfristig wohnen und mit den Verhältnissen vor Ort nicht vertraut sind.

      Und ob, zuletzt, die Kann-Bestimmung bei der Besetzung der Landesregierung wirklich undemokratisch wäre, nur weil die Möglichkeit geschaffen wird, die Landesregierung gemäß Bevölkerungsproporz und nicht ausschließlich auf der Grundlage der Vertretung der Sprachgruppen im Landtag zu bilden, wäre eine interessante Diskussion wert ;)

      Nun, ich halte es für ganz sicher undemokratisch, die Landesregierung nicht nach dem Wahlergebnis zu besetzen sondern nach der statistisch ermittelten Zusammensetzung der Bevölkerung.

      Es ist ein – auch demokratiepolitisches – Problem, dass die italienische Sprachgruppe im Landtag strakt unterrepräsentiert ist. Das ist vor allem der zersplitterten Parteienlandschaft geschuldet, aber auch darauf zurückzuführen, dass „Italiener“ nicht mehr zwangsläufig „italienische“ Parteien wählen sondern, siehe zB Leifers, durchaus mal bei der SVP ihr Kreuz machen. Wenn der Proporz mir sogar meinen Arzt vorgibt, dann kann er mir auch gerne einen Landesrat vorgeben…

      Du willst also den Italienerinnen quasi »verbieten« ihr Kreuz bei der SVP zu machen bzw. nicht nach ethnischen Trennlinien zu wählen. Weniger krass ausgedrückt: Die Italienerinnen können wählen, was sie wollen — oder auch gar nicht wählen —, doch sie bekommen in jedem Fall italienische Landesrätinnen vorgesetzt. Die demokratische Fähigkeit, sich dagegen zu entscheiden (und sich stattdessen von Deutschsprachigen vertreten zu lassen), willst du ihnen aberkennen. Das ist für eine interethnische Partei allerhand. Und es ist aus meiner Sicht ausgesprochen undemokratisch.

Leave a Reply to Kritiker Cancel reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL