Friedensapostel plädieren für intensive diplomatische Bemühungen und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine
Ja, genau, wenn wir nichts tun, sind wir mitschuldig. Beispielsweise an der ukrainischen Niederlage mit allen ihren Folgen. Tausende Butschas eben, Vergewaltigungen, Massaker, Vertreibungen, Raub und Diebstahl, Deportation von Kindern. Und einer gewaltigen Fluchtbewegung Richtung Westen.
Richtig auch, die Vernunft muss siegen. Der russische Kriegspräsident Wladimir Putin sollte endlich einsehen, dass seine Killertruppen in der Ukraine nichts verloren haben. Das wäre vernünftig.
In einem Friedensappell kritisieren der ehemalige Grüne Europaparlamentarier Sepp Kusstatscher, der Ex-Gewerkschafter Arno Teutsch, der Malser Anti-Pestizid-Aktivist Johannes Fragner Unterpertinger und der ehemalige Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes Erwin Demichiel die europäische Aufrüstung. Die vier Persönlichkeiten schaffen es, in ihrem Friedensappell den russischen Krieg in der Ukraine mit keinem Wort zu erwähnen oder gar zu brandmarken. Ein realer Krieg vor unserer Haustür, den Russland mit aller Härte führt.
Wie schon Sahra Wagenknecht — und FPÖ-Chef Herbert Kickl — stellt Kusstatscher EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen als Kriegstreiberin hin. Militärexperten kanzelt das Friedensquartett als »ohne Kompass und ohne Zukunftsvisionen« ab. Damit wird wohl der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala gemeint sein, der vor dem russischen Imperialismus warnt.
Für Orbán, Trump und Putin
Als Alternative zu von der Leyen zitieren Demichiel, Kusstascher, Teutsch und Fragner Unterpertinger den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Der illiberale Nationalist, EU-Gegner und zutiefst korrupte Orbán wird hochgelobt, weil er als EU-Ratspräsident »mit den Machthabern in der Ukraine, in Russland, in China und in den USA geredet« hat. Unglaublich.
Russland, China und Trumps USA richteten Orbán aus, Friede sei machbar, wenn die Ukraine die russischen Bedingungen erfüllt. Anerkennung der Annexion eines Fünftel des Landes samt der Krym, keine NATO-Mitgliedschaft, totale Abrüstung und Russland — neben USA, Großbritannien, China und Frankreich — als Garantiemacht. Der Aggressor als Friedensgarant? Das soll Frieden sein? Die Ukraine als russischer Hinterhof?
Die vier Kriegsgegner (wer ist das nicht) lehnen den russischen Krieg gegen die Ukraine offensichtlich nicht ab, weil sie ihn gar nicht erwähnen und warnen vor einer »pauschalen Verteufelung von Putin«. Das wird jetzt schräg. Wladimir Putin ließ 2014 die ukrainische Krym besetzen und zettelte mit viel Geld von Oligarchen in der Ostukraine einen Bürgerkrieg an. Acht Jahre später fiel die russische Armee über die Ukraine her. Nein, verteufeln muss man Putin nicht, den Kriegsverbrecher, der sich an keine Abmachungen hielt und hält, wie Catherine Belton in ihrem Buch Putins Netz schreibt.
Sogar US-Präsident Donald Trump wird als Friedensaktivist gegen von der Leyen positioniert, der die Bewohner aus Gaza »umsiedeln«, Grönland, Kanada und den Panamakanal annektierten möchte. Trump tönte im Wahlkampf, in 24 Stunden könne er den Krieg in der Ukraine beenden. Trotz laufender Verhandlungen beschießt die russische Armee jedoch ukrainische Dörfer und Städte — und gleichzeitig möchte Trump die Rohstoffe der Ukraine plündern. Friedfertig klingt das doch nicht.
Für europäischen Widerstandswillen
Der russische Imperialismus und die Politik der Trump-Administration zielen auf die Zerstörung der EU ab. Ihre Helfershelfer, die radikalen Rechten und Linken, wirken dabei tatkräftig mit. Armin Turnherr, Herausgeber der Wiener Wochenzeitung Falter, empfiehlt »Widerstandswillen, europäischen Wehrwillen, um die gemäßigten neoliberalen Demokratien Europas zu verteidigen.«
Was die Friedensfreunde gänzlich vermissen lassen, ist ein Sinn für gesamteuropäische Solidarität und Verantwortung. Echter Frieden — nicht Unterwerfung und Friedhofsfrieden — basiert auf einer internationalen Friedensordnung, die Putins Regime ausgehebelt hat. Um diese Friedensordnung herzustellen und zu erhalten, braucht es die Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Sonst gilt das Recht des Stärkeren, das naive Friedensfreunde immer wieder sorglos in Kauf zu nehmen scheinen.
»Mediale Einseitigkeit« und Keil zwischen Russland und Deutschland
Und wie schon in der Corona-Zeit macht Kusstatscher einen »verängstigenden Mainstream in Politik und Medien« aus, beklagt die einseitige Berichterstattung. Ohne irgendwelche Belege anzuführen. Außerdem, diese beklagte »Einseitigkeit« gibt es nicht. Wie soll man über den kaltschnäuzigen Beschuss von Wohnvierteln ukrainischer Städte berichten? Zweiseitig, aus der Sicht der russischen Armee?
Ja und noch der Keil zwischen Deutschland und Russland, der »von Menschen geplant und gewollt« sei, heißt es im »Friedensappell«. Wer werden diese Menschen wohl sein? Es ist der russische Krieg in der Ukraine, der für einen Keil sorgt, geplant und gewollt von Wladimir Putin. So groß ist der Keil nun aber auch wieder nicht. Ostdeutschland wählt »blau« — eigentlich braun — und BSW, beide strikt gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für einen Diktatfrieden. Das vertreten auch Teile der Ost-CDU und die Linke.
Ja, wer ist nicht für Frieden! Euren Frieden muss die Ukraine zahlen. Mit Menschenleben. Nachzulesen im Buch Im täglichen Krieg von Andrej Kurkow.
Thomas Benedikter
Mauro di Vieste
Wolfgang Mayr
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