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Gegen die Absicherung der Autonomie.

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Das Onlineportal Salto macht gemeinsam mit Prof. Francesco Palermo erneut gegen eine allfällige Absicherung der Autonomie vor den regelmäßigen Übergriffen des italienischen Verfassungsgerichts (VfG) mobil. Bekanntlich hat das VfG erst kürzlich — wieder — die angeblich »primäre« Gesetzgebungsbefugnis des Landes im Bereich der Raumordnung beschnitten, indem es sich einen nationalen Vorrang aus den Fingern gesaugt hat. Dem traditionell äußerst zentralistisch ausgerichteten Gericht steht es nämlich frei, in beliebigen staatlichen Vorschriften (oder in Teilen davon) ad hoc eine »grundlegende Norm der wirtschaftlich-sozialen Reformen des Staates« zu erkennen, der sich dann jede auch primäre autonome Befugnis sofort, teils sogar »rückwirkend« unterzuordnen hat.

Palermo sagt zu dem konkreten Fall:

Warum müssen Sanktionen für Bausünden bei uns anders — und ganz zufällig weniger streng — sein als im restlichen Italien? Diesbezüglich ist es schwer, dem Verfassungsgericht Unrecht zu geben. Gibt es eine autonomistische Begründung, die irgendeinen Grund dafür liefert, dass sie bei uns einfacher sanierbar sein sollen als andernorts?

– Prof. Francesco Palermo

Übersetzung von mir (Original anzeigen)

Perché le sanzioni per violazioni edilizie da noi devono essere diverse rispetto al resto d’Italia – e guarda caso più morbide? Su questo è difficile non dare ragione alla Corte Costituzionale, c’è una ragione autonomistica che dice che c’è qualche motivo per cui da noi possiamo sanarle più facilmente che altrove?

– Prof. Francesco Palermo

Nun, ich finde diese Frage höchst sonderbar — beziehungsweise aufschlussreich. Wenn wir in einem Sachgebiet autonom sind, muss es doch im Einzelnen keine spezielle autonomistische Begründung geben, warum wir etwas anders regeln als in Italien. Das ist doch eigentlich die Essenz einer primären Befugnis: Wir regeln es so, wie es der Landtag für gut befindet. Das kann dann besser oder schlechter als in Italien oder in anderen Ländern sein, doch eine Rechenschaftspflicht gibt es nicht.

Hätten Staat und Land in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen wirklich die gleiche Würde, könnte man Palermos Frage ja auch umkehren: Warum müssen Sanktionen für Bausünden in Italien denn strenger geregelt werden als in Südtirol? So aber lassen wir es zu, dass der Staat sogar in den Bereichen, in denen Südtirol vollständig autonom sein sollte, einseitig definiert, was »normal« ist — und dass wir dann nur noch in begründeten Ausnahmefällen abweichende Regelungen erlassen dürfen.

Das VfG ist aber sowieso noch einen Schritt weiter gegangen: Es hat nicht gesagt, dass die staatliche Bausündenregelung »besser« sei und Südtirol dann Abweichungen beschließen dürfe, wenn es einen triftigen Grund dafür gebe. Vielmehr hat es die Zuständigkeit als solche dem Land entzogen und im Sinn des nationalen Vorrangs dem Staat übergeben. Es gehe nämlich darum

auf dem gesamten Staatsgebiet die Einheitlichkeit der Voraussetzungen und Bedingungen sicherzustellen, auf deren Grundlage Bauvergehen in Ordnung gebracht werden können.

– VfG-Urteil Nr. 22/2025

Übersetzung von mir (Original anzeigen)

assicurare sull’intero territorio nazionale l’uniformità dei requisiti e delle condizioni in base alle quali possono essere ricondotti a legittimità gli abusi edilizi

– Sentenza Corte cost. n. 22/2025

Würde Rom morgen — rein theoretisch — genau dieselbe Regelung erlassen, wie sie Südtirol nun aberkannt wurde, dürfte es das. Eben weil nicht die Norm an sich als verfassungswidrig eingestuft wurde, sondern lediglich die Tatsache, dass sich Südtirol erdreistet hat, etwas selbständig und abweichend zu normieren.

Das noch Autonomie zu nennen, ist gewagt.

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07



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Comentârs

One response to “Gegen die Absicherung der Autonomie.”

  1. Walter Kircher avatar
    Walter Kircher

    … GLOBAL DENKEN – REGIONAL HANDELN, – wird wohl ein Wunschtraum bleiben!
    Unter ZU-VIELEN und in allen Menschenschichten, – herrscht (neben Profitgier) Profilierungssucht …
    Dies immer wieder aufzuzeigen – DANK bbd – darf nicht aufhören!

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