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Sieg für Bozen?

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ai

Soeben hat der Bozner Gemeinderat entschieden, Benkos Kaufhaus- und somit wohl auch das damit zusammenhängende Virglprojekt zu versenken. Mit welchen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen ist jedenfalls für mich nicht absehbar.

(Der Einwand, man dürfe sich von Benko nicht erpressen lassen, greift möglicherweise zu kurz. Man hatte sich ja mit dessen Signa-Gruppe auf ein Projektverfahren eingelassen, und wenn daraus Ansprüche entstanden sein sollten, wäre das nichts Sonderbares. Unterzeichne ich mit einem Bauträger einen Vorvertrag, lasse ihn den Entwurf an meine Wünsche anpassen und trete im letzten Moment vom Vertrag zurück, werde ich für entstandene Kosten ebenfalls aufkommen müssen.)

Das Ergebnis der Abstimmung ist jedenfalls symptomatisch für den gesamten Verlauf der öffentlichen und politischen Debatte — sowie für die Entscheidungsfähigkeit der Bozner Stadtpolitik: 22 Ja- und 19 Neinstimmen bei drei Enthaltungen, wobei letztere als Gegenstimmen gewertet werden. Ergibt einen Gleichstand, der wiederum denkbar knapp nicht zur Annahme des Projektes reicht. Hätte es ein klares Ja oder ein klares Nein gegeben, ließe sich die Fiktion aufrecht erhalten, dass der Gemeinderat weiß, was er will.

Wie ich schon im Vorfeld des heutigen Entscheids geschrieben hatte, hielt und halte ich die Auswirkungen des Benko-Projekts vonseiten der Befürworter und Gegner für gänzlich überbewertet. Bozen rettet man mit dem Kaufhausprojekt nicht aus seiner derzeitigen Misere — und man hätte Bozen damit auch nicht zerstört. Trotzdem ging es sowohl vor, als auch nach der Gemeindewahl nur um dieses eine Projekt. Wohl und Wehe der gesamten Stadtregierung wurden dem heutigen Abstimmungsergebnis untergeordnet.

Absurd: Dass die rechtsextremistische CasaPound ins Rathaus eingezogen war, dass die rechtsradikale Lega Nord ein Traumergebnis hinlegte, schien Medien und Politikern vergleichsweise uninteressant zu sein.

Nach dem heutigen Abend steht die Stadt wieder am Nullpunkt — diese ’Umentscheidung’ am Ende eines langen Weges (mit einem Wettbewerb zwischen Signa und »Erlebnishaus«, der Dienststellenkonferenz, den zahlreichen Projektanpassungen, den öffentlichen Diskussionsabenden, der Unterschrift von Spagnolli und dem Landeshauptmann…) belegt, dass Bozen ziellos umherirrt und die Gemeinde keine Vision für die Stadtentwicklung hat, genauso wie es übrigens ganz Südtirol an einer Zukunftsvision mangelt. Das ist das wahre Problem.

Schon vor einigen Jahren wurde das zugegebenermaßen wenig überzeugende Virglprojekt von Thun versenkt. Dann hat Rudi Benedikter mehrere Jahre als Virgl-Beauftragter herumgewurschtelt — und heute ist der Bozner Hügel mehr denn je eine Mülldeponie. Dasselbe wird dem — einigen Benkogegnern plötzlich (und wohl nur vorübergehend) so wichtigen, aber seit Jahrzehnten von allen vernachlässigten — Bahnhofspark vermutlich auch blühen, wenn sich nicht ein paar Guerilla Gardener seiner erbarmen. Zukunftsfähige Ideen als Alternative zum nun versenkten Projekt sehe ich jedenfalls keine.

Bozen, schlaf weiter und träum vom Megaprojekt am Bahnhofsareal.

Cëla enghe: 01 02 03 04



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Comentârs

28 responses to “Sieg für Bozen?”

  1. Waltraud Astner avatar
    Waltraud Astner

    Welcher von den Räten hat da gefehlt? Etwa gar jemand aus Spagnollis Partei? Wenn der ober die mit Spagnolli für das Projekt gestimmt hätte, wie wäre da die Sache ausgegangen? Wahrscheinlich ganz anders. Aber bevor nicht der letzte Unternehmer Südtirol verlassen hat, werden sie es nicht kapieren. Übrigens vermisse ich die überbordende Jubelstimmung der ewigen Verhinderer. Vielleicht ist ihnen doch nicht ganz wohl, was die Folgen anbelangt. Man kann es drehen und wenden wie man will. Es stimmt eindeutig, dass Bozen kein längerfristiges Konzept hat, wie ganz Südtirol auch nicht, weder in wirtschaftlicher noch in politischer Hinsicht.

  2. hunter avatar
    hunter

    interessant ist auch, dass der abstimmungmodus ein “konservativer” und kein “progressiver” ist. passt irgendwie gut zu bozen.

    obwohl es mehr explizite ja stimmen als nein stimmen gegeben hat, erreichen die nein-stimmen mit hilfe der Enthaltungen (die als nein gezählt werden) den ausgleich. und in diesem fall heißt es, dass mehr dafür als dagegen sein müssen. also abgelehnt. wobei eben drei der “gegenstimmen” enthaltungen waren.

    1. pérvasion avatar

      Wenn man nicht darüber abgestimmt hätte, ob man das Projekt genehmigen möchte, sondern darüber, ob man es ablehnen soll, wäre das Vorhaben bei identischem Abstimmungsverhalten durchgegangen. :-D

    2. hunter avatar
      hunter

      interessant ist ja auch, dass mir brigitte foppa auf facebook schreibt, dass sie dem abstimmungsmodus schon etwas abgewinnen kann.

      sind nicht die grünen für das null-quorum? da ist es doch genau das gegenteil. beim null-quorum wird etwas gemacht, wenn die mehrheit nicht dagegen ist und nicht nur dann, wenn eine mehrheit dafür ist. bei der nächsten abstimmung könnten wir dann zudem einfach die, die nicht hingegangen sind, bei den gegenstimmen dazurechnen. würde das den grünen gefallen?

      1. pérvasion avatar

        Ich fand diesen Modus, den ich bislang nur aus dem italienischen Senat kannte (Enthaltung = Gegenstimme; Abwesenheit = Enthaltung), immer schon absurd und undemokratisch. Im Abgeordnetenhaus gilt wieder eine andere — nämlich die meiner Meinung nach einzig logische — Regelung (Enthaltung = Enthaltung).

  3. pérvasion avatar

    Wobei das Abstimmungsverhalten (Ja) der angeblich ach so antikapitalistischen Faschisten schon erstaunlich ist. Die sind ja wirklich sowas von konsequent.

    1. G.P. avatar
      G.P.

      Da sollte man die “Nebengeschichte” kennen. Andrea Bonazza von Casapound ist nebenbei der “Chef” der HC Bozen-Fanszene. Da der Club dringendst Geld braucht, und das gar nicht wenig, ist die Rechnung einfach: Die Gemeinde hätte bei einem JA eine Einnahmequelle mehr, somit könnte auch für den HCB etwas herausspringen. Und zudem könnte man mit Benko als (Groß-)Sponsor – zumindest – liebäugeln.

      1. pérvasion avatar

        Ich dachte ja, die Ähnlichkeit zwischen dem Signa-Logo und dem Signes… Siegesdenkmal hätte Bonazza & Co. verwirrt.

  4. Sigmund Kripp avatar
    Sigmund Kripp

    ich finde, wenn eine Stadtgemeinde wie Bozen soo lange und soo kontrovers über ein so großes Projekt diskutiert und dann obendrein die Abstimmung dazu auch soo knapp ( mit Gleichstand!) endet, ist es besser, dass es nicht stattfindet. Denn in einer politisch derart labilen Lage wird der Stadtrat dann zum Spielball des Kapitals. Bozen hätte sich von Anfang an besser – d.h. demokratischer – auf diese Entscheidung vorbereiten müssen. Soweit ich weiss, wurde die Bevölkerung dazu nie befragt. Insofern war die Abstimmung in dieser Form notwendig und letztlich auch gut. Jede andere hätte Sieger und Besiegt geschaffen. Jetzt könnte man neu anfangen zu Denken: war da nicht z.B. einmal von der Bahnhofsareal-Bebauung die Rede….?

    1. pérvasion avatar

      Naja de facto war es kein Gleichstand, sondern 22 zu 19. Aber du hast recht, man hätte eine Volksabstimmung machen sollen.

      1. hunter avatar
        hunter

        laut foppa durfte man das nicht.

      2. hunter avatar
        hunter

        das reglement sieht angeblich keine volksabstimmung über urbanistische dinge vor.

      3. pérvasion avatar

        Man kann Verfassungen ändern, man kann auch Reglements anpassen.

      4. Sigmund Kripp avatar
        Sigmund Kripp

        wenn die Gemeindewahlordnung das so vorsieht, dann war es Gleichstand. Da bin ich nach 20 Jahren Gemeinderat ganz hart: Jeder kennt die Regeln und kann nach ihnen seine Stimme abgeben. Ansonsten gilt: GEMEINSAM die Regeln ändern!

      5. pérvasion avatar

        Ja, na klar! Das muss man wennschon gemeinsam ändern, ganz deiner Meinung. Bloß: Ich wäre (unabhängig von der geltenden Gesetzeslage) dafür, dass sowas in einer Volksabstimmung entschieden wird.

      6. Tirola Bua avatar
        Tirola Bua

        Solche Entscheidungen dürfen NUR vom Volk, in diesem Fall von den Boznern, getroffen werden.

      7. hunter avatar
        hunter

        Solche Entscheidungen dürfen NUR vom Volk, in diesem Fall von den Boznern, getroffen werden.

        logisch wäre in dem streitfall ein volksentscheid interessant gewesen. aber dass urbanistische entscheidungen NUR vom volk getroffen werden dürfen, ist schon ein bissi übertrieben.

      8. Karl-Heinz avatar
        Karl-Heinz

        Solche Entscheidungen dürfen NUR vom Volk, in diesem Fall von den Boznern, getroffen werden.

        Auch das Volk hat schon öfters in die Kloschüssel gegriffen, muss den Dreck am Ende aber auch auslöffeln, im Gegensatz zu den Experten, die fast immer eine gute Ausrede haben

      9. Tirola Bua avatar
        Tirola Bua

        Also ist es besser, irgendwelche Volksvertreter mit freiem Mandat, die nur ihrem “Gewissen” verpflichtet sind, über so große Projekte entscheiden zu lassen?
        Nein, genau bei solchen großen Projekten darf nur das Volk entscheiden. Die Politiker setzten dann das Ergebnis um.
        Die Mehrheit des Volkes hat immer recht. Wenn sie sich irrt, dann ist es wohl im ihrem Interesse, das schnellstmöglich wieder zu ändern.
        Hätte man von Anfang an ein Konzept erarbeitet und es dann einer Volksabstimmung unterzogen, so wäre es nie zu solch einem “Skandal” gekommen.

      10. G. P. avatar
        G. P.

        Eine Volksabstimmung ist kein Allheilmittel. Vor allem, weil das Volk nicht unvoreingenommen entscheiden kann. Es wird im Vorfeld nicht objektiv (was ist das überhaupt?) über Vor- und Nachteile aufgeklärt, weder von den Parteien, noch – was viel schlimmer ist – von den Medien.
        Ich wage zu behaupten: Schreiben die “Dolomiten” und der “Alto Adige” wochenlang FÜR das Benko-Kaufhaus, würde es ein JA geben, schreiben sie wochenlang GEGEN das Benko-Kaufhaus, würde es ein NEIN geben.

    2. Karl-Heinz avatar
      Karl-Heinz

      Die Mehrheit des Volkes hat immer recht

      Eine gewagte These :-)

  5. pérvasion avatar

    Zum Abstimmungsverhalten ihrer Gemeinderäte meint die SVP: “Unsere sechs Vertreter konnten sich frei für oder gegen den städtebaulichen Umstrukturierungsplan aussprechen. Jeder sollte nach bestem Wissen und Gewissen eine freie Entscheidung treffen”. Denn es gehe um das Wohl der Stadt und nicht um persönliche Ambitionen oder um den Erhalt der politischen Spitzenpositionen.

    Quelle: Stol.

    Wenn es um das Wohl der Landeshauptstadt geht, hat die Partei, die das Land regiert, keine Meinung?

    1. hunter avatar
      hunter

      noch einer, ein guter

      Das Nein bedeute für Bozen eine Denkpause, heißt es von Seiten der SVP Bozen Stadt. Es biete sich die Gelegenheit, neue Überlegungen anzustellen, das Projekt “innerstädtisches Kaufhaus” zu überdenken und ein zweckmäßiges, städteverträgliches Konzept auszuarbeiten.
      “Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen uns weiterentwickeln”, heißt es in der Reaktion auf die Abstimmung. Nun liege es an der Politik, unter Einbindung der Bürger, dieses Areal aufzuwerten, attraktive Räume für alle zu schaffen.

      da fällt mir immer die eav ein:

      https://www.youtube.com/watch?v=CSSeHeyan7A

      1. G. P. avatar
        G. P.

        “Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen uns weiterentwickeln”

        Tja, das heißt es schon seit mindestens zehn Jahren.

        Nun liege es an der Politik … dieses Areal aufzuwerten, attraktive Räume für alle zu schaffen.

        Finde ich immer wieder interessant, wenn die Politik Forderungen an die Politik stellt.

  6. hunter avatar
    hunter

    Schluss mit dem Albtraum Benko, der die Stadt Bozen spaltet und die Politik blockiert, fordert Rudi Benedikter von Projekt Bozen nach seinem Austritt aus der Bozner Mehrheit.

    Quelle: salto.bz

    die politik blockiert sich schon selber. oder was wurde denn in den fünf jahren vor benko im bozner gemeinderat großes beschlossen?

    1. Stefan H. avatar
      Stefan H.

      Gerade Rudi Benedikter, der jetzt den Mund so voll nimmt, sollte sich mal an die eigene Nase fassen: was hat er in den letzten Jahren als “Virgl-Beauftragter” erreicht? Null.
      Dann noch (in Bezug auf andere) groß von “Blockieren” zu sprechen, ist schon dreist.

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