Im Gespräch um die Selbstbestimmung taucht mit Hartnäckigkeit immer wieder diese These auf: Eine Autonomie könne nie der Weg zur Unabhängigkeit sein, denn sie sei ein alternativer Ansatz dazu. Die beiden Lösungen schlössen sich also gegenseitig aus, und bevor man den zweiten Weg beschreiten könne, müsse der erste — die Autonomie — gescheitert oder einseitig beendet worden sein. Daraus könne man auch schließen, dass die Ausweitung der Autonomie nicht eine Annäherung, sondern eine Entfernung von der Unabhängigkeit bewirke.
Zu dieser Diskussion möchte ich mit einem Auszug aus dem Buch Autonomien der Welt* beitragen:
Grönlands Autonomie
[…]
Jüngste Entwicklungen
[…]
Heute bestehen verschiedene Optionen für eine Erweiterung der Autonomie: Siumut tritt für die Beibehaltung der heutigen Autonomie ein, will aber die vollständige Kontrolle über die Ressourcen der Insel […]. Atassut drängt auf die nationale Einheit für den Ausbau der Autonomie als bestmögliche Lösung für Grönlands Entwicklung und betont die Notwendigkeit, mehr Einfluss auf die auswärtigen Angelegenheiten zu gewinnen. […]
Inuit Ataqatigiit hingegen tritt für die völlige Unabhängigkeit von Dänemark ein. […]Der Langzeit-Perspektive Eigenstaatlichkeit stimmen grundsätzlich alle Inuit-Parteien zu, vertreten jedoch unterschiedliche Positionen, wie es erreicht werden soll. So bilden die ILO-Konvention und der Ausbau der Autonomie heute die zentralen mittelfristigen Ziele der grönländischen Mehrheit. Mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit soll den Boden für die volle Unabhängigkeit [zu] einem späteren Zeitpunkt bereiten.«
Unterstreichungen von mir
Nicht nur die grönländischen Parteien, sondern auch der Autor stellt hier einen direkten Zusammenhang zwischen Erweiterung der Autonomie und dem Ziel Eigenstaatlichkeit her. Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen übrigens, dass diese Vorgehensweise erfolgreich ist.
Was dagegen meines Erachtens gesagt werden kann, ist dass uns aus dem Völkerrecht kein Anspruch auf Selbstbestimmung erwächst, soweit eine ausreichende Autonomie vorhanden und der Minderheitenschutz gewährleistet ist. Insofern gilt es zu unterscheiden.
*) Benedikter, Thomas, Autonomien der Welt, Verlagsanstalt Athesia, Bozen 2007
Scrì na resposta