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Proporz und Zweisprachigkeit aufgeweicht.
Sechserkommission

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ai

Während sich die Wiederherstellung der Autonomie verzögert, schreitet die Außerkraftsetzung von Minderheitenschutzrechten beständig voran. Jetzt hat die Sechserkommission unter dem Vorsitz von Rechtsaußen Alessandro Urzì (FdI) mit Zustimmung der SVP beschlossen, den Proporz und die Zweisprachigkeitsbestimmungen (vgl. 01) für befristete staatliche Stellen außer Kraft zu setzen, weil angeblich nicht genügend Personal gefunden wird.

So werden zu Lasten der Minderheiten regelmäßig Schutzregelungen geändert oder aufgehoben, ohne dies — wenigstens teilweise — mit anderen Maßnahmen zu kompensieren und ohne im Gegenzug einen echten Autonomieausbau zu forcieren. Strukturelle Änderungen, um die Attraktivität von öffentlichen Stellen gerade auch für Deutsch- und Ladinischsprachige zu erhöhen, scheinen auch nicht ergriffen zu werden, weil es bequemer (und wohl auch genehmer) ist, immer und immer wieder den Minderheitenschutz aufzuweichen.

Auch ohne diese Aufweichung hat der italienische Staat den Minderheitenschutz schon systematisch unterwandert und ad absurdum geführt. Jahrzehnte nach Einführung des Sprachgruppenproporzes sind anteilsmäßig viel zu viele staatliche Stellen von Angehörigen der italienischen Sprachgruppe besetzt, während die Lokalverwaltungen gezeigt haben, dass es möglich ist, das angepeilte Verhältnis ziemlich genau zu erreichen. Das deutet darauf hin, dass der Wille, die Vorgaben einzuhalten, beim Staat nie wirklich bestanden hat.

Dies hat sich stets auch auf die Einhaltung des Rechts auf Gebrauch der Muttersprache ausgewirkt — und zwar einseitig zu Lasten der Bürgerinnen deutscher und ladinischer Sprache.

Um mehr deutsch- und ladinischsprachige Bürgerinnen in den Staatsdienst zu locken, müsste ein explizit minderheitenfreundliches Arbeitsumfeld geschaffen werden, zum Beispiel auch mit der tatsächlichen Möglichkeit, zumindest Deutsch als gleichwertige Arbeitssprache zu etablieren, wie dies vom Gesetz1DPR Nr. 574/1988, Art. 11 eigentlich vorgesehen wäre. Außerdem müssten deutsch- und ladinischsprachige Mitarbeitende entsprechend wertgeschätzt (und nicht diskriminiert) werden.

Jetzt bekommt der Staat stattdessen für die langjährige Benachteiligung der Minderheiten den offiziellen Segen — auch von der SVP. Das Ergebnis dieser gescheiterten Politik lässt sich an den Zahlen (01 02 03) klar ablesen. Und schon stehen die nächsten Schutzmaßnahmen auf der Abschussliste von Urzì.

Siehe auch: 01 02 03 04 05 06

  • 1
    DPR Nr. 574/1988, Art. 11


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Comentârs

8 responses to “Proporz und Zweisprachigkeit aufgeweicht.
Sechserkommission

  1. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Auf salto wird bezüglich Goetheschule Bozen derzeit unter anderem auch über die Rücktrittsforderungen an Schulamtsleiterin Frau Sigrun Falkensteiner debattiert.
    Wär nicht schlecht, doch inzwischen glaube ich, man müsste sehr viel höher ansetzen. Der Scherbenhaufen, den der Herr Landeshauptmann gerade dabei ist, gemeinsam mit seinen politischen Verbündeten in vielen Bereichen anzurichten, wird uns trotzdem noch Jahre verfolgen, wenn wir uns überhaupt je davon erholen.
    Es scheint, wie bei den Firmen zuzugehen, wo es in die Hose geht: die erste Generation baut fast aus dem Nichts auf, die zweite erhält das Niveau, eine trügerische Zunahme an Umsatz kann gleichzeitig aber schon den Keim des Niedergangs beinhalten und die dritte Generation glaubt ohne den Rat der Alten auszukommen und führt den Untergang herbei. Die Namen der südtiroler Politiker kann sich bei diesem Generationenvergleich sicher jeder selber hinzufügen.

    1. Kritischer Beobachter avatar
      Kritischer Beobachter

      Treffender Vergleich. Was hier in der 6er Kommission abgeht, ist der definitive Dammbruch. War es vorher eher ein schleichender Prozess, so sind wir jetzt in eine neue Phase eingetreten. Mithilfe der Südtiroler Politik erfahren wir eine Beschleunigung hin zur Marginalisierung der deutschen und ladinischen Sprache. Urzì und Co. frohlocken. Und am Ende kann man ihnen gar nicht Schuld geben. Die Südtiroler helfen tatkräftig mit, Hauptsache der Rubel rollt.

  2. Cicero avatar
    Cicero

    Gegen solche Attacken hilft am besten pragmatisch vorzugehen. Weil im öffentlichen Dienst also immer mehr Leute ohne Zweisprachigkeitsnachweis beschäftigt werden, so wäre es recht und billig, jene die eine Zweisprachigkeit vorweisen können und eine Zulage beziehen zu kennzeichnen, sodass der Bürger gleich sehen kann an wen es sich in seiner Muttersprache wenden kann.
    Das könnte ein Anstecker oder ein Zeichen neben dem Namen am Anstecker der Kleidung oder des Arztkittels sein ö.ä.
    Eine politische Partei müsste einen solchen Antrag im Landtag einbringen, wie wäre es mit den Grünen? Wohl eher nicht, da würden dann wahrscheinlich wieder alle Ausreden gefunden, warum das nicht möglich sei. Wetten?
    Aber um den Erfolg einer solchen Aktion ginge es vorerst gar nicht, zunächst bloß um`s Farbe bekennen.

    1. G.P. avatar
      G.P.

      Würde bestimmt sogleich das Thema Diskriminierung ins Feld geführt …

      1. Kritischer Beobachter avatar
        Kritischer Beobachter

        Bei uns bestimmt. Anderswo hingegen ist dies total normal. Wie oft habe ich international bereits erlebt, dass Beschäftigte im Kundenservice eine Plakette tragen, aus der ersichtlich war, welche Sprache die Person spricht.
        Selbstverständlichkeiten sind bei uns schon sehr oft undenkbar.

  3. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Nicht jeder, der z.B. aufgrund gütiger Mithilfe der Aufpasser die Zweisprachigeitsprüfung überstanden hat, ist auch bereit oder überhaupt in der Lage, auf Deutsch zu kommunizieren. Bei meiner schriftlichen Zweisprachigkeitsprüfung saß hinter mir ein Italiener, der keine Ahnung hatte, wie er den deutschen Text übersetzen sollte. Der (italienische) Aufpasser wollte ihm helfen, hat ihm aber, da er selbst der deutschen Sprache kaum mächtig war, eine falsche Auskunft gegeben. Ich habe mich eingemischt und dem Aufpasser erklärt, dass er, wenn schon, richtige und nicht falsche Tipps geben solle. Der Prüfling, der von der deutschen Sprache kaum eine Ahnung hatte, ist dann ohne Probleme auch bei der mündlichen Prüfung durchgekommen. Ich glaube nicht, dass er jemals die deutsche Sprache im Umgang mit der Bevölkerung verwendet hat.

  4. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Eigentlich ist es absurd: unser wackerer Landeshauptmann ist ausgezogen, um die verlorengegangenen Kompetenzen der Autonomie zurückzuholen, was er in ein paar Jahren ganz sicher schaffen wird. Inzwischen wird diese Autonomie, die ja eh schon in vielen Bereichen, wo sie noch gilt zu Ungunsten der Südtiroler nicht angewandt wird, mithilfe desselben Landeshauptmannes faktisch Stück für Stück abgebaut. Nächstes Ziel des Herrn Urzí wird die Klausel für die 4 Jahre Ansässigkeit sein, um wählen zu dürfen, die ja gedacht war, kurzfristige vorübergehende Zuwanderung zum Wahlengewinnen zu vermeiden. Vielleicht wird sie nicht ganz abgeschafft, aber unser Landeshauptmann könnte es als Erfolg verkaufen dass sie z.B. nur auf 2 Jahre verkürzt, anstatt ganz abgeschafft würde.
    Ich weiss nicht, wie es anderen Südtirolern geht, aber mir wird angesichts solcher Politik von unseren eigenen Leuten zunehmend unheimlich. Wie eine Franz Kafka Geschichte im wirklichen Leben.

  5. Walter Kircher avatar
    Walter Kircher

    … es sind halt die von UNS GEWÄHLTEN Politikerinnen und Politiker – nach dem Willen von uns Wählerinnen und Wählern!
    Ich wiederhole: … solange der Siegesplatz nicht FRIEDENSPLATZ heißen darf und die Ortsnamen weiterhin – die von Tolomei ins Italienisch übersetzte – die allein-geltenden-amtlichen Ortsnamen sind, werden wir eine unkultivierte italienische Provinz bleiben!

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