Die langjährige SVP-Politikerin und Historikerin Martha Stocker und der düstere Foibe-Gedenktag in Bozen
Die rechtsrechte Präsenz am 10. Februar am istrisch-dalmatischen Erinnerungstag auf der Bozner Wassermauer war unübersehbar. Neben dem Mussolini-Verehrer Giovanni Benussi war Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo von den Fratelli d’Italia zugegen, der am Abend mit Maurizio Puglisi Ghizzi von der neofaschistischen CasaPound am Fackelmarsch der strammen italienischen Rechten teilnahm.
Nicht nur, auch der mit SVP-Stimmen gewählte Bürgermeister Renzi Caramaschi von Mittelinks und sein Vorgänger Giovanni Salghetti-Drioli (wie Benussi mit istrischen Vorfahren) nahmen an der offiziellen Erinnerungsveranstaltung teil. Solidarisch im Gedenken gibt sich auch der Partisanenverband ANPI.
Während sich die SVP mit Kritik vornehm zurückhielt, forderte No Excuses den Rücktritt von Galateo wegen seiner Teilnahme am Fackelmarsch.
Über das laute Schweigen ihrer Partei wundert sich Martha Stocker im folgenden Gespräch:
Wolfgang Mayr (für ): Italienweit wurde am 10. Februar der Foibe-Opfer gedacht, also an die Ermordung italienischer Istrier zwischen 1943 und 1945, während des Zweiten Weltkrieges. In Bozen unter anderem mit dabei LH-Stv. Marco Galateo und Maurizio Puglisi Ghizzi vom neofaschistischen CasaPound. Eine Gedenkveranstaltung, bei der Sie auch mitgehen würden, Frau Stocker?
Martha Stocker: Nein, auch weil Erinnern an den richtigen Orten und in ausgewogener Weise stattfinden soll.
Ähnlich wie in Deutschland pflegen die italienischen Rechtsradikalen die Erinnerung an die Vertreibung der Italiener aus Istrien und Dalmatien durch die »Jugoslawen«. Es war ja auch der neofaschistische MSI bzw. seine Nachfolgepartei AN, die den 10. Februar 2004 in der Berlusconi-Ära »einführten«. Zu Recht?
Es war ein dunkles Kapitel, ohne Zweifel, aber es gilt, erstens Maß zu halten, dabei auch die Geschichte als Ganzes zu sehen und nicht dort halt zu machen, wo man auch selbst schuldbeladen ist.
Das Gedenken an die Ermordung italienischer Istrier und deren Vertreibung ist eine Sache, nicht aber die Vereinnahmung durch die italienische radikale Rechte. Das ist doch mehr als verstörend?
Es schadet der gerechtfertigten Erinnerung und wäre wohl auch nicht im Sinne aller Opfer.
Noch verstörender ist es, wenn Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo gemeinsam mit CasaPound auftritt, die sich als Faschisten des dritten Jahrtausends beschreiben. Die Aufregung darüber hält sich in Grenzen. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Es wird so vieles, zu vieles heutzutage mit einem Achselzucken abgetan, das macht die Demokratie wohl nicht stärker.
SVP-Obmann Dieter Steger empfahl der Schwesterpartei ÖVP während der Koalitionsverhandlungen, keine Regierung mit der FPÖ zu bilden. Steger distanzierte sich auch von der in Teilen rechtsextremen AfD. Sollte Steger Galateo nicht auch eine rote Linie aufzeigen?
Die Maße, mit denen gemessen wird, sind mir nicht immer nachvollziehbar.
Nachdem die AfD im Bundestag einem Antrag der CDU-CSU für eine Begrenzung der Migration zugestimmt hatte, demonstrierenden hunderttausende Bürgerinnen und Bürger gegen diese Paktelei. In Südtirol scheint man sich abgefunden zu haben, dass die SVP mit den Fratelli, dem nicht weniger nationalistischen Christian Bianchi (Ex-Lega, inwischen Forza Italia) und den Freiheitlichen die Landesregierung bilden. Rechte Normalisierung?
Italien war und ist anscheinend immer anders, lenkt von eigener Schuld gerne durch Schieben auf andere ab und Südtirol ist jetzt halt auch Teil davon.
Kurz vor den Parlamentswahlen vor zwei Jahren durfte Giorgia Meloni auf einer ganzen Seite in der Tageszeitung Dolomiten ihre Positionen ausbreiten. Eine Umfrage ergab, dass eine Mehrheit der Südtiroler:innen Meloni gut finden. Das ist doch auch verstörend?
Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist nachvollziehbar, wenn man sieht, wie gut sie sich verkauft und wie gut sie verkauft wird, reihum. Und sie macht ja vieles auch sehr geschickt. Dass dabei viele nicht sehen bzw. sehen wollen, wie sie unter anderem durch eine Verfassungsreform die Demokratie auf leisen Sohlen entmachtet, so diese durchgeht, liegt mir schwer im Magen.
SVP-Senatorin Julia Unterberger warf Obmann Steger Unterwürfigkeit gegenüber der rechtsrechten Regierung Meloni vor, Ex-Senator Oskar Peterlini kritisierte die Bildung der Landesregierung mit den italienischen Rechten. Diese Koalition ist seit einem Jahr im Amt, ist zur »Normalität« geworden. Schweigt auch deshalb die SVP, wenn Galateo mit CasaPound gemeinsame Sache macht?
Natürlich ist es schwerer, etwas klarer zu sagen, wenn man in einer gemeinsamen Koalition sitzt.
Die SVP ging das Wagnis einer Koalition mit den Fratelli ein, um die »geklaute« Autonomie wieder zurückzuholen. Seit Monaten wird verhandelt, laut Senatorin Unterberger ist von der Meloni-Regierung wenig zu erwarten. Was dann?
Man muss nicht schon das »Dann« diskutieren, wenn es noch nicht ansteht. Dass sich gedanklich einige damit befassen, davon gehe ich aus.
Die ÖVP ist aus den Verhandlungen mit der FPÖ ausgestiegen. Sollte die SVP aus der rechtsrechten Koalition aussteigen, die Schwesterpartei als Vorbild?
Es ist wohl etwas anderes aus laufenden Verhandlungen auszusteigen als eine Regierung aufzukündigen.