Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Tourismusrat für Akzeptanz.

    Wie das Land informiert, hat diese Woche erstmals der Tourismusrat unter LR Luis Walcher (SVP) getagt und Maßnahmen für eine »positive Gesinnung der Einheimischen« besprochen. Konkret scheint das zu bedeuten, dass Zuckerlen verteilt und Informationen so unter die Menschen gebracht werden, dass die Akzeptanz für den grassierenden Übertourismus wieder steigt und die wirtschaftliche Ausbeutung unseres Lebensraums möglichst lange ungehindert fortgeführt werden kann. Der Zugang zu weiteren Teilen unseres Landes soll eingeschränkt bzw. kontingentiert und nur gegen eine gebührenpflichtige Vormerkung ermöglicht werden — nicht etwa, um Klima und Natur zu schützen, sondern um die touristische Verwertung weiter zu optimieren.

    Offenbar soll damit verhindert werden, dass der um sich greifende Überdruss zu Protesten und Konfrontationen führt, wie sie kürzlich in anderen europäischen Regionen (vgl. 01) zu sehen waren, ohne aber strukturelle Maßnahmen zur drastischen Senkung von Ankünften und Übernachtungen zu ergreifen. Ob der immer eklatanteren Überlastung, die schon lange ein für Mensch und Umwelt verträgliches Maß überschritten hat, wären solche Schritte aber unumgänglich.

    Kurswechsel nötig

    Wer dagegen noch immer glaubt, es könne darum gehen, — womöglich noch mit öffentlichen Geldern — die Akzeptanz für ein System zu fördern, das völlig aus den Fugen geraten ist, hat wohl den letzten Schuss nicht gehört.

    Es ist vielmehr so, dass die Südtirolerinnen schon heute nicht etwa zu wenig, sondern viel zu viel erdulden, was ihren eigenen Interessen zuwider läuft. Eher als an noch mehr Toleranz für das inzwischen nicht mehr Tolerierbare müssten wir (und müsste eine Politik, die für das Allgemeinwohl arbeitet) also endlich dafür sorgen, dass sich die Menschen im Land der Belastungen und ihrer Folgen bewusst werden, damit sie sich von diesem überhitzten Wirtschaftsmodell endlich abwenden und nach verträglicheren Alternativen suchen.

    Das wäre dann wirklich eine »positive Gesinnung«.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05



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  • Ist der Klimaplan 2040 ernst gemeint?
    Klimaschutz


    Vor knapp einem Jahr ist der Klimaplan Südtirol 2040 offiziell vorgestellt worden. Viele der 157 Maßnahmen sind in Gang gesetzt, aber ob die Treibhausgasemissionen aus Südtirol abgenommen haben, weiß man nicht.

    Zum einen, weil nicht alle 1-2 Jahre eine vollständige aktuelle Treibhausgasbilanz geliefert wird; zum anderen weil zahllose öffentliche Maßnahmen in die Gegenrichtung gehen. Der Klimaschutz scheint noch kein »transversaler Imperativ fürs politische Handeln« im Land geworden zu sein. Doch das anspruchsvolle Ziel, in 15,5 Jahren klimaneutral zu werden, lässt sich nur mit einem konsequenten Programm erreichen.

    Zwei Bereiche bleiben von wirksamen CO2-Reduktionsbemühungen so gut wie ausgeschlossen, nämlich die Landwirtschaft und der Tourismus. In der Landwirtschaft sind die Emissionen vor allem der Vieh- und Milchwirtschaft zuzurechnen. Wenn die Tierhaltung von aktuell rund 120.000 Großvieheinheiten (GVE) und der Einsatz von Düngemitteln nicht reduziert werden, bleibt es im Großen und Ganzen beim heutigen Stand an Methan- und Lachgasemissionen. Das heißt, dass 17% von Südtirols THG-Emissionen unbearbeitet bleiben.

    Der Tourismus ist jener Sektor, wo im Plan am wenigsten echte CO2-Reduktionsmaßnahmen erkennbar sind (Klimaplan S. 58). Zwar gibt es Bemühungen, mehr erneuerbare Energie in Hotellerie und Aufstiegsanlagen einzusetzen und die gute Absicht, den per Bahn anreisenden Gästeanteil zu erhöhen. Doch nirgendwo finden sich verpflichtende Maßnahmen. Zudem werden Energieeinsparungen durch weiter steigende Ankünfte, Nächtigungen und interner Mobilität der Touristen wieder aufgehoben. Rechnet man die mit der Anreise von 8,4 Millionen Touristen (Ankünfte 2023) erzeugten CO2-Emissionen dazu, könnte der Tourismus mindestens ein Fünftel aller Emissionen aus Südtirol verursachen. Wenn die touristische Inwertsetzung Südtirols nicht sinkt, bleibt es dabei. Oder hat irgendjemand bemerkt, dass die IDM weniger Steuermillionen für die Tourismuswerbung erhält?

    Nicht wirklich durchgerechnet ist auch der Entwicklungsverlauf der CO2-Emissionen im Verkehr. Der Mobilitätsplan geht davon aus, das alle zirkulierenden Fahrzeuge bis 2040 dekarbonisiert werden. Völlig unrealistisch, zumal noch bis 2035 Verbrenner sowohl bei den Pkws wie bei Lkws zugelassen werden. Der Mobilitätsplan 2035 geht interessanterweise davon aus, dass der gesamte Transitverkehr auf der A22 bis 2040 um nur 10% abnimmt, aber bis 2037 komplett mit Wasserstoff- und Elektroantrieb erfolgt. Völlig unwahrscheinlich. Wenn man es nicht schafft, das Volumen des Güterverkehrs in Tonnen und Fahrzeugen zu senken, wird nichts aus der Klimaneutralität beim Verkehr bis 2040, der heute alleine 44% der CO2-Emissionen Südtirols verursacht.

    Schließlich der wichtige Block der Heizenergie, die zu 27% zu den Emissionen beiträgt. Der Verbrauch von Öl und Gas fürs Heizen soll bis 2037 um 85% sinken, also jährlich um 6,5%. Ist das zu schaffen, wenn heute noch Gasheizungen eingebaut, Gasleitungen verlegt und jede Menge Gas in Fernheizwerken verheizt wird? Man muss nur 1 und 1 zusammenzählen: die Rechnung geht nicht auf. Große Brocken der hausgemachten Klimabelastung werden vom Plan nicht hinreichend bearbeitet.

    Der geltende Klimaplan 2040 mit seinen 157 Maßnahmen ist Orientierungsrahmen und Leitschiene zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft. Doch wichtige Maßnahmen sind in ihrer Wirkung nicht durchgerechnet, zentrale Sektorenziele scheinen eher Wunschdenken zu entspringen. Seriöse Klimaplanung sieht in anderen Regionen anders aus. Hier ein Beispiel aus der Schweiz. Dort werden die international und national verankerten Reduktionsziele für 2030 und 2050 gesetzlich verankert, oft auch sektoral; werden zeitlich terminierte Maßnahmenprogramme verabschiedet, Wirkungsanalysen vorgelegt, Berichts- und Anpassungspflichten vorgesehen. Das fehlt bei uns: die Klimaziele sind nicht gesetzlich fixiert, der Entwicklungspfad dorthion nicht durchgerechnet, die gelisteten Maßnahmen halbherzig.

    In Südtirol gibt es heute noch zu viele Akteure, die den Klimaplan 2040 und den Klimaschutz an sich nicht wirklich ernst nehmen. Überall gilt noch die Devise: »Do geaht nou a bissl«. Wie könnte man sonst noch erlauben, zusätzliche 600 Betten in Kurzras dazuzubauen? Wie soll es klappen, den motorisierten Verkehr einzudämmen, wenn weiterhin massiv in Straßen investiert wird und die Landesregierung nicht auch aus Klimaschutzgründen darauf beharrt, den Transit-Schwerlastverkehr zu senken? Wenn der Klimaschutz nicht gesetzlich auf Staats- und Landesebene verankert wird, wird er weiterhin zu wenig ernst genommen.


    Autor:innen- und Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder die Position von BBD wider, so wie die jeweiligen Verfasser:innen nicht notwendigerweise die Ziele von BBD unterstützen. · I contributi esterni non necessariamente riflettono le opinioni o la posizione di BBD, come a loro volta le autrici/gli autori non necessariamente condividono gli obiettivi di BBD. — ©


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  • I rischi dell’autonomia differenziata.
    Quotation

    Oggi sull’inserto sudtirolese del Corriere è apparsa un’intervista con Roberto Toniatti, emerito di Diritto costituzionale all’Università di Trento e convinto autonomista, in cui esprime le sue forti perplessità sull’autonomia differenziata in relazione ai suoi possibili effetti sulle autonomie speciali.

    In particolare, si dice «molto critico» sulla possibilità che anche le regioni e province autonome possano chiedere le competenze aggiuntive previste per le regioni ordinarie, con le medesime modalità:

    Le regioni a statuto speciale rinunceranno a mettere nello Statuto queste competenze aggiuntive e, in secondo luogo, a utilizzare le norme di attuazione: fanno un passo in più verso l’omologazione rispetto alle autonomie ordinarie.

    – Roberto Toniatti

    Vedi anche: 01



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  • Nicolas Levrat im makellosen Südtirol.
    Verpasste Chancen

    Der neue UN-Sonderberichterstatter für Minderheiten, Nicolas Levrat, Nachfolger von Fernand de Varennes und Befürworter einer weiten Auslegung des Rechts auf Selbstbestimmung, war am Donnerstag in Bozen bei LH Arno Kompatscher (SVP). Der entsprechenden Mitteilung des Landespresseamtes (LPA) ist zu entnehmen, dass dabei über »[d]as Beispiel Südtirols als Modell für die friedliche Lösung ethnischer Konflikte« und über ein zu errichtendes Dokumentationszentrum in Bozen gesprochen wurde.

    Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, und Italiens Außenminister Antonio Tajani hatten kürzlich über Südtirol als Modell für die Lösung regionaler Konflikte gesprochen.

    – LPA

    Hervorhebungen aus dem Original

    Der Besuch von Levrat sei »eine Ehre und eine Anerkennung dessen«, was in Südtirol erreicht wurde. Über Herausforderungen und Schwierigkeiten wurde der Mitteilung zufolge nur in Zusammenhang mit internationalen Krisenherden wie Palästina und Ukraine gesprochen.

    Kein Schönheitswettbewerb

    Die Aufgabe des Sonderberichterstatters ist es jedoch, sich ein genaues Bild über die Lage sämtlicher Minderheiten in seinem Zuständigkeitsbereich zu machen und sie bei der Verbesserung ihrer Situation zu unterstützen. Während andere Gemeinschaften sehr wohl auch — um nicht zu sagen: hauptsächlich — ihre eigenen Probleme anbringen und so unter anderem dazu beitragen, Druck auf den jeweilgen Zentralstaat aufzubauen, um die Lage zu verbessern, erliegt das offizielle Südtirol stets dem Reflex, unser Land als quasi makellose Modellregion zu präsentieren. Für die politische Führung des Landes ist es vielleicht angenehmer, sich als besonders erfolgreich darzustellen — im Interesse Südtirols und speziell der deutschen und ladinischen Minderheiten ist das jedoch keineswegs. Probleme, die man mit dem Sonderberichterstatter besprechen könnte, wie zum Beispiel 

    gäbe es nämlich auch hierzulande zuhauf. Sie ihm als einem der wenigen Anwälte für die Rechte von Minderheiten (in einem ansonsten von Nationalstaaten für Nationalstaaten gemachten institutionellen Gefüge) zu schildern, ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern völlig normal — und noch dazu von kaum zu überschätzender Bedeutung.

    So ist es hingegen, als würde man einen Arzttermin vor allem dafür nutzen, die eigenen Gesundheitsprobleme aus Eitelkeit zu verschleiern — da es ja Menschen gibt, die unter wesentlich schwereren Erkrankungen leiden.

    Liegt dieses Verhalten vielleicht auch daran, dass wir es aus der Bewerbung des Landes als Tourismusdestination gewohnt sind, Südtirol im Stile eines Hochglanzprospekts als perfekt darzustellen, was es natürlich gar nicht ist?

    Mag natürlich schon sein, dass der Landeshauptmann am Rande der Gespräche auch einige Schwierigkeiten erwähnt und besprochen hat, dann aber wäre es wichtig, das auch in der entsprechenden Pressemitteilung klar zu kommunizieren. Dass stattdessen das »Lob« von Außenminister Antonio Tajani (FI) thematisiert wurde, lässt hingegen den Schluss zu, dass sich Arno Kompatscher in der Rolle des Tokens (und des Vorzeigekolonisierten) pudelwohl fühlt. Einen sinnvollen Beitrag zur Lösung der tatsächlichen Herausforderungen leistet er damit aber weder nach innen noch nach außen — im Gegenteil.

    Siehe auch: 01 02 03 |



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  • Hohe Strafen für Wohnraumverknappung.
    Übertourismus / Balearen

    Auf den Balearen wird die illegale Wohnungsvermietung zu touristischen Zwecken — eine Praxis,  die massiv zur Wohnraumverknappung und zum Anstieg der Mietpreise beiträgt — mit aller Härte geahndet. Wie der öffentlich-rechtliche katalanische Nachrichtensender 324.cat berichtet, wurden die Eigentümerinnen einer Wohnung auf der Insel Eivissa (Pityusen) von der Gemeindeverwaltung Santa Eulàlia des Riu mit einer Strafe von 118.000 Euro belegt, nachdem Gemeindetechniker mithilfe der Ortspolizei herausgefunden hatten, dass das Appartement auf einer Onlineplattform illegal für 500 Euro pro Nacht an Touristinnen angeboten worden war. Dabei sollen auch Dienste wie Wäscherei oder Zimmerservice zubuchbar gewesen sein.

    Kein Kavaliersdelikt

    In solchen Fällen sieht das Raumordnungsgesetz der Balearen eine Strafe in Höhe von 75% des Liegenschaftswertes vor. Aufgrund von Aufschlägen und Zinsen erhöhte sich das zu bezahlende Bußgeld schlussendlich auf 143.650 Euro.

    Laut 324.cat bestätigte die Gemeinde von Santa Eulàlia dem Sender, dass die Rechnung inzwischen beglichen wurde. Um ihre Schulden gegenüber der Verwaltung zu tilgen, hätten sich die Eigentümerinnen entschieden, die Wohnung zu veräußern.

    Die Balearen gehören wie Südtirol zu den touristisch überhitztesten Regionen in Europa.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 | 06 07



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  • Geologische Karte Italiens.

    Wie das Landespresseamt mitteilt, hat Landesrat Christian Bianchi (Uniti/Lega) neulich in Moos einen neuen Teil der Geologischen Karte Italiens vorgestellt, der nach St. Leonhard in Passeier benannt ist.

    Die Karte ist auch im Internet auf den — einsprachig italienischen — Seiten des ISPRA abrufbar, wo die Übersichtskarte für Südtirol und das Trentino folgendermaßen aussieht:

    Website ISPRA – Übersichtskarte

    Hier sind ausschließlich die kolonialen Ortsnamen zu finden, wobei »natürlich« eine Karte, die nach der wohl kolonialsten aller Bezeichnungen, der Vetta, betitelt ist, nicht fehlen durfte. Selbst um die deutsche Fassung der Karten (sowie der Erläuterungen) zu finden, muss man außerdem Italienisch können, da auch die entsprechende Legende einsprachig ist.

    Als Grundlage für das Projekt dient die amtliche Karte Italiens, die bis heute ebenfalls ausschließlich die im Faschismus oktroyierten Ortsnamen berücksichtigt. Daher sind die deutschen und ladinischen Bezeichnungen auch auf der »deutschen« Version der Karte nicht zu finden:

    Kartenausschnitt Moos i. P. (deutsche Fassung)

    Wer also mit der Karte auch in ihrer »deutschen« Fassung arbeiten will, ist (fast) ausschließlich mit den italienisch klingenden Ortsnamenserfindungen konfrontiert. Ganz so, als wäre sie vor hundert Jahren von der faschistischen Diktatur herausgegeben worden.

    Bei den Querschnitten, die unter den einzelnen Kartenblättern angebracht sind, wurden zwar in der »deutschen« Fassung manche Bezeichnungen auf Deutsch angegeben, andere aber wiederum nicht, wie etwa die Ahr auf dem folgenden Ausschnitt zeigt:

    Ausschnitt aus dem Klockerkarkopf-Blatt (deutsche Fassung)

    Und bei den Höhenangaben wurde ausschließlich das italienische »m. s. l. m.« beibehalten.

    Ausschnitte aus dem Klockerkarkopf-Blatt (deutsche Fassung)

    Obwohl die Blätter in der »deutschen« Fassung einen »deutschen« Titel tragen (rechts), bleibt auch auf diesen Blättern die Blattübersicht einnamig »italienisch« (links). Diese »Logik« wird auch am Kartenrand fortgeführt, wo das jeweils anschließende Blatt nur mit der italienischen Bezeichnung und mit der Abkürzung F.o (für Foglio) angeführt ist:

    Ausschnitt aus dem Blatt für Meran (deutsche Fassung)

    Sogar der Blattkopf der »deutschen« Kartenteile bleibt bis auf die Maßstabsangabe einsprachig Italienisch:

    »Deutschsprachiger« Blattkopf

    Auch in der »deutschen« Version ist es also nicht die Geologische Karte Italiens, sondern die Carta Geologica d’Italia.

    Exemplarisch sei noch ein Ausschnitt aus den Erläuterungen zum Blatt des Klockerkarkopfs angeführt:

    Ausschnitt Erläuterungen Klockerkarkopf

    Das Wasserzeichen (Progetto CARG) ist einsprachig italienisch, der unten links auf jeder Seite angeführte Dateiname (note_Vetta_Italia_10-2011_Ted.indd) führt den kolonialen Ortsnamen, die Autonome Provinz Bozen – Südtirol wird einsprachig italienisch (als PAB, also Provincia autonoma di Bolzano) abgekürzt, die Kartenblätter werden mit ihrem italienischen Ortsnamen (und deutscher Bezeichnung nur in Klammern) angeführt. Interessanterweise wird im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts sogar die politisch motivierte Fälschung (bzw. der peinliche Irrtum) Tolomeis verbreitet, dass der Klockerkarkopf der nördlichste Punkt des italienischen Staatsgebiets sei, was jedoch auf das rund hundert Meter weiter nördlich gelegene Westliche Zwillingsköpfl zutrifft.

    Die Geologische Karte Italiens ist also ein weiteres wunderbares Beispiel für Minorisierung und fortgesetzten Kolonialismus. Ziemlich konsequent ist dann auch, dass das neue Blatt ausgerechnet von Landesrat Bianchi vorgestellt wurde, der ja bekanntlich leugnet, dass es sich bei der deutschen Sprachgruppe um eine Minderheit handelt.

    Teile von Südtirol befinden sich übrigens auf den Blättern von Anpezo (Cortina), Marmolata und Bormio, von denen es keine »deutsche« Fassung und auch keine Erläuterungen in deutscher Sprache gibt. Nicht auf Deutsch gibt es auch die Karte von Bozen.

    Wir alle wissen, wie hysterisch die italienische Politik und die italienischen Medien — im Lande und italienweit — auf die AVS-Wegweiser oder auf die Absicht, in einem einzigen Landesgesetz »A. Adige« durch »Sudtirolo« zu ersetzen, reagiert haben. Ähnliches wird hier, obschon es sich um ein amtliches Projekt handelt, wohl eher ausbleiben.

    Siehe auch: 01



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  • Ein JWA-Antrag als Feigenblatt.
    SVP-Ablenkungsmanöver

    Die Grünen Landtagsabgeordneten mussten Kritik aus den eigenen Reihen einstecken, weil sie kürzlich für einen JWA-Antrag zur Veröffentlichung von Corona-Unterlagen gestimmt haben — bei dessen Vorstellung im Landtag Jürgen Wirth Anderlan sogar seinen unerhörten Steinbruch-Sager wiederholte. Einem Bericht der TAZ zufolge warf Felix von Wohlgemuth seinen Parteikolleginen deshalb eine Abkehr von der zuvor gezogenen roten Linie vor.

    Doch auch Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) soll seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht haben,

    dass jene, die bei mir das konsequente Einhalten dieser roten Linie einfordern, im Landtag für – noch dazu absurde – Anträge von JWA stimmen.

    – LH Arno Kompatscher (laut TAZ)

    SVP-Fraktionschef Harald Stauder hat die Parole ausgegeben, dass man grundsätzlich nicht mit den Rechtspopulisten zusammenarbeiten wolle, die mit ihrem rüpelhaften Verhalten an Sitzungen immer wieder zur Ordnung gerufen werden. Das heißt, wenn ein Antrag von JWA gestellt wird, stimmt das Edelweiß dagegen.

    – TAZ

    Die Volkspartei unterscheidet jetzt also fein säuberlich zwischen

    • präsentablen Rechtsextremisten, mit denen man Koalitionen bildet, die man in Regierungsverantwortung bringt und die man mit einer großen Machtfülle ausstattet und
    • Rechtsextremisten, die »immer wieder zur Ordnung gerufen werden« müssen, weshalb man sie ausgrenzt.

    Die Diskriminante ist also nicht die extremistische Gesinnung, denn dann müsste man auch die eigenen Regierungspartner ächten, sondern nur die Art, wie diese Gesinnung zum Ausdruck gebracht wird. Hinterfotzig bis zum Gehtnichtmehr.

    Wenn der Landeshauptmann Oppositionsparteien, die für einen JWA-Antrag stimmen, mit sich selbst auf eine Stufe stellt, ist das reine Heuchelei. Man kann zwar — wie es von Wohlgemuth berechtigterweise macht — kritisieren, dass andere Abgeordnete Wirth Anderlan nicht konsequent ausgrenzen, wie dies in Deutschland großteils mit der AfD oder in Katalonien mit Vox und AC gemacht wird, doch das ist noch lange nicht mit dem Vergleichbar, was die SVP mit ihren recht(sextrem)en Regierungspartnern gemacht hat, indem sie sie an die Macht geholt hat. Dazwischen liegen Welten.

    Der Versuch der SVP, ihr eigenes Versagen ihren eigenen Unwillen bei der Ausgrenzung von Extremistinnen mit dem Verhalten der Opposition im Landtag reinzuwaschen, ist ebenso durchsichtig wie bemitleidenswert.

    Indes macht Andreas Leiter Reber in einem FacebookPosting darauf aufmerksam, wie JWA seinen zweifelhaften Erfolg, dass mithilfe der anderen Oppositionsparteien ein einziger Punkt seines Antrags genehmigt wurde, für gezielte Desinformation missbraucht. In den sozialen Netzwerken legen die JWA-Populisten nahe, sie hätten zur Offenlegung irgendwelcher »Protokolle« beigetragen; dabei geht es in dem einen Punkt jedoch ausgerechnet um Unterlagen, die längst öffentlich waren. So sind sie, die Schwurbler, die der Presse und dem sogenannten Mainstream pauschal Lügen vorwerfen.

    Siehe auch: 01 02 03



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  • Das Haydn-Orchester italianisieren.

    Südtirol hat ein italienisches Kulturressort, ein italienisches Kulturzentrum und einen italienischen Kulturbeirat, was zwar aufgrund der Trennung der Institutionen nach Sprachgruppen verständlich, aber eigentlich absurd ist. Katalonien, Baskenland und Galicien fördern nicht die spanische, Cymru/Wales und Québec nicht die englische, Åland nicht die finnische und Ostbelgien nicht die flämische oder die französische Kultur — sondern nach dem Prinzip der Affirmative action jeweils in erster Linie die der jeweiligen Minderheit.

    Seit wenigen Monaten ist mit Marco Galateo ein Vertreter der neofaschistischen Fratelli d’Italia Landesrat für italienische Kultur in Südtirol. Im April hat er unter anderem die Dirigentin Beatrice Venezi in den italienischen Kulturbeirat des Landes berufen. Seitdem hat die sich in mehreren Zeitungsinterviews dafür ausgesprochen, das musikalische Angebot in Südtirol und insbesondere das Repertoire des Haydn-Orchesters zu italianisieren. Sie habe zwar nichts gegen dessen mitteleuropäische Ausrichtung, will sie aber offenbar trotzdem italienischer gestalten.

    Dabei ist das Haydn-Orchester ein Gemeinschaftsprojekt von Bozen und Trient, Südtirol und Trentino. Das ist ein Gebiet, in dem mehrheitlich Italienisch gesprochen wird und wo von einer »deutschen« Hegemonie nicht die Rede sein kann.

    Meine künstlerische Vergangenheit verbindet mich mit dem Haydn-Orchester, das zweifellos ein Juwel der Region darstellt, mit dem man meiner Meinung nach über Kultur sprechen kann und muss, speziell über italienische Kultur. Ich habe viel mit ihnen gearbeitet und habe heraussragende Profis vorgefunden. Orchesterprofessoren, die nicht nur künstlerisch fähig sind, sondern auch auf ihre Identität und auf den Stolz, einer so wichtigen Institution wie dem Haydn-Orchester anzugehören, achten und mit denen man an der Verbreitung der italienischen Kultur arbeiten kann.

    – Beatrice Venezi, Corriere dell’A.A. (18. Juni 2024)

    Gerade weil ich die Möglichkeit hatte, es mit meinen Augen zu sehen, ist meine Schlussfolgerung, nachdem ich in Südtirol gearbeitet habe, dass die Kultur der gehobenen italienischen Musik — auch wenn es mir nicht gefällt, sie so zu nennen — bislang wenig verfolgt wurde. Dem mitteleuropäischen Symphonismus und der experimentellen zeitgenössischen Oper wurde mehr Platz eingeräumt. Ich bin nicht gegen diese Angebote, doch man könnte daran arbeiten, das große Repertroire der unterschiedlichen Verdi, Puccini und Donizetti wiederzuentdecken. Aber immer mit einem ausmerksamen und offenen Blick für die Gegenwart, jedoch auf der Suche nach einer rein italienischen Kunstsprache.

    – Beatrice Venezi, Corriere dell’A.A. (18. Juni 2024)

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Ho un passato artistico con l’orchestra Haydn che è sicuramente un’eccellenza del territorio con cui si può e si deve parlare di cultura, secondo me, e in modo specifico di cultura italiana. Ho lavorato molto con loro e ho trovato dei professionisti straordinari. Dei professori d’orchestra non solo capaci artisticamente, ma attenti alla loro identità e all’orgoglio di appartenere ad un ente importante come la Haydn e con i quali si può lavorare nella divulgazione della cultura italiana. […] Proprio perché ho avuto modo di testarlo con i miei occhi, l’analisi che ho fatto, dopo aver lavorato in Alto Adige, è che fino a questo momento la cultura della musica italiana colta, anche se non mi piace definirla così, è stata poco frequentata. Si è dato maggior spazio al sinfonismo mitteleuropeo e all’opera sperimentale contemporanea. Non sono contraria a queste proposte, ma si potrebbe fare un lavoro per il recupero del grande repertorio dei vari Verdi, Rossini, Puccini e Donizzetti. Sempre però con un occhio attento ed aperto alla contemporaneità, ricercando però un linguaggio artistico prettamente italiano.

    – Beatrice Venezi

    Venezis Absichten als kulturimperialistisch zu bezeichnen, dürfte angesichts dieser klaren Aussagen und ihrer politischen Gesinnung nicht allzu weit hergeholt sein. Ihr Vater, von dem sie sich nie distanziert hat, war führendes Mitglied der neonazistischen Forza Nuova, für die er im Jahr 2007 auch zum Gemeinderat in ihrer toskanischen Heimatstadt Lucca kandidierte. Sie selbst ließ sich im Jahr 2021 beim Parteifest der neofaschistischen Fratelli d’Italia mit dem Atreju-Preis auszeichnen und wurde später von Giorgia Melonis FdI-Kulturminister, Gennaro Sangiuliano (ehemals MSI), mit dem sie persönlich befreundet ist, als Musikberaterin beauftragt. Wie die italienische Ministerpräsidentin verabscheut sich nicht nur das Gendern, sondern sogar weibliche bezeichnungen, weshalb sie ausschließlich in der männlichen Form (Direktor, Dirigent, Meister) angesprochen werden will.

    Zum 100. Todesjahr von Giacomo Puccini, dessen Werk sie ja auch vom Haydn-Orchester »wiederentdecken« lassen möchte, dirigierte sie bei einem Konzert in Lucca — obschon sie von den Organisatoren ausdrücklich dazu aufgefordert worden war, es zu unterlassen — herausfordernd dessen nationalistische Hymne auf Rom, die nicht nur vom faschistischen Regime vereinnahmt worden, sondern später auch zur Parteihymne des MSI aufgestiegen war.

    Indem die SVP die Recht(sextremist)en in die Landesregierung geholt hat, hat sie dazu beigetragen, Südtirol auch solchen Persönlichkeiten auszuliefern, die ihre Spuren zu hinterlassen wissen werden. Rote Linien, die es — wie wir inzwischen wissen — ohnehin nur als Farce zu geben scheint, wären nicht nur gegenüber den Koalitionspartnern selbst, sondern auch gegenüber einer fast unüberschaubaren Entourage zu überwachen, was faktisch unmöglich ist.



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