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  • Über die Dysfunktionalität der Autonomie in Südtirol.
    Ein persönlicher Erfahrungsbericht


    von Andreas Gufler Oberhollenzer

    Am 30. Dezember 2024 bin ich über den Bahnhof Brenner nach Südtirol eingereist, wie schon öfter in der letzten Zeit. An diesem Tag sollte mir aber in sehr direkter Weise vor Augen geführt werden, wie wenig Minderheitenrechte in Italien Beachtung finden.

    Ich wurde am besagten Tag und Ort von der Bahnpolizei kontrolliert. Als sich die Beamtin ausschließlich in Italienisch an mich gewandt hatte, bat ich sie darum, mit mir auf Deutsch zu sprechen, wie es ja vom DPR 574/1988 vorgesehen wäre. Die Beamtin gab mir dann die Antwort »Ausweis«, gut dachte ich, ich habe es geschafft, meine Rechte wenigstens ein wenig einzufordern. Doch sehr weit gefehlt. Gleich im Anschluss an dieses einzige deutsche Wort, das der Beamtin über die Lippen ging, meinte sie prompt auf Englisch »but here we are in Italy!«. Als ich der Beamtin versuchte, auf Englisch zu erklären, dass es in Südtirol verpflichtend ist, mit Bürger:innen auch Deutsch zu sprechen, verneinte sie dies immer wieder mit dem Wortlaut »we are in Italy!«. Auch erklärte ich ihr, dass ich einer sprachlichen Minderheit angehöre. All dies ließ die Beamtin unbeeindruckt und sie verwies mich dann auf die einsprachigen Plaketten der Polizei:

    Auf ihren Plaketten würde »Polizia« stehen und nicht »Polizei«. Diese Aussage, das muss ich zugeben, hat mir dann wirklich noch den Rest gegeben. Die anderen Kolleg:innen, die mittlerweile auch in meiner Nähe standen, meinten gar nichts dazu.

    Als ich mich dann schlussendlich auswies, auch aus Angst vor Konsequenzen, meinte die Beamtin, dass ich »italiano« sei, wandte sich ab und ging.

    Die gewaltsame Negierung von Minderheitenrechten

    Diese persönliche Erfahrung mit der (Bahn-)Polizei war ganz klar Gewalt gegen mich als Angehöriger einer Minderheit. Mir wurden meine Minderheitenrechte negiert! Dies auf eine nationalistische und gewaltsame Art und Weise, wie ich sie selten erleben musste. Die Beamtin und ihre Kolleg:innen, das kommt erschwerend hinzu, traten hier als Vertreter:innen des Staates auf, nicht als Privatpersonen. Sie tragen Uniformen, Waffen. Zu dieser Machtasymmetrie kommt hinzu, dass ich mich ausweisen muss, auf der anderen Seite, dies betrifft jetzt vor allem die Polizeiarbeit im Allgemeinen, müssen keine Identifikationsbadges o. ä. auf der Uniform getragen werden, was vor allem auch bei Beschwerden jeglicher Art sehr nützlich sein könnte.

    Minderheitenfeindlichkeit, die Diskriminierung von Minderheiten und die Negierung ihrer Rechte ist und bleibt immer Gewalt!

    Beschwerdemöglichkeiten ohne Konsequenzen

    Beschwerde- und Sanktionsmöglichkeiten gegen Missachtung des Rechts auf Muttersprache, wie ich sie hier par excellence erleben musste, sieht das Autonomiestatut bzw. nachfolgende Durchführungsbestimmungen durchaus vor, wobei die effektive Sanktionsmacht beim Regierungskommissariat liegt, also beim Staat selbst. Das Regierungskommissariat hat, wie aus der Landtagsanfrage 105/24-XVII hervorgeht, in den letzten Jahren faktisch keine Sanktionen verhängt, auf der anderen Seite, das Landesamt für Landessprachen und Bürgerrechte, bei dem in den letzten Jahren über hundert Beschwerden bzgl. der Missachtung der (deutschen) Muttersprache bearbeitet wurden. Das passt nicht zusammen.

    Es ist zudem davon auszugehen, dass man als Beschwerdeführer:in aktiv beweisen muss, dass eine Missachtung der eigenen Minderheitenrechte erfolgt ist. Was in Fällen wie in meinem jedoch sehr schwierig ist. Wieso müssen aber nicht die Behörden beweisen, dass sie Minderheitenrechte nicht missachtet haben, im Sinne einer Beweislastumkehr?

    Die dysfunktionale Südtiroler Autonomie

    Die Negierung von Minderheitenrechten der ladinisch- und deutschsprachigen Menschen in Südtirol ist kein Einzelfall, sondern eher strukturell und Anzeichen für eine Autonomie, die in ihrer jetzigen Form nicht funktioniert. Verfassungsrechte, wie es Minderheitenrechte und auch die Südtiroler Autonomie in Italien sind, haben keinen Wert, wenn sie in der Praxis negiert werden und die Autonomie es nicht schafft, ihre zu schützenden Minderheiten davor zu bewahren. Eine Autonomie, die nicht in der Lage ist, Verstöße gegen Minderheitenrechte zu bestrafen bzw. für deren Einhaltung zu sorgen und Minderheiten vor dieser Art von Gewalt und Willkür zu schützen, verliert ihre Legitimation und verfehlt ihr Ziel!

    Was übrigbleibt

    Mein Erlebnis am Bahnhof Brenner ist ein persönliches, aber auch ein politisches. Es bleibt ein mulmiges Gefühl, die Frustration, schon wieder seine Rechte negiert zu bekommen und dabei (fast) hilflos zuschauen zu müssen. Ein guter Freund, der selbst nicht aus Südtirol kommt, meinte betroffen, als ich ihm von dem Erlebnis am Brenner erzählt hatte, ich solle mich unbedingt an eine NGO wenden, die sich für Minderheitenrechte einsetzt — nur dumm, dass es so etwas meines Wissens in Südtirol gar nicht gibt. Es gibt in Südtirol auch wirklich keine öffentlichen Foren (außer vielleicht), in denen man solche Erfahrungen, die wenigstens mir schon auch gefühlsmäßig zusetzen, verarbeiten und aufarbeiten könnte. Missachtungen der Minderheitenrechte in Südtirol finden zwar teilweise politisches Gehör, werden meiner Meinung nach aber vor allem von rechten Parteien aufgegriffen, obwohl es Minderheitenrechte per se gar nicht wären. Das alles gibt sehr zum Bedenken und lässt mich manchmal sprachlos.

    Die Südtiroler Autonomie braucht keine Reform – sie braucht eine Generalsanierung!


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  • Den Bock zum Gärtner machen.


    von Marco Manfrini

    Es mag unfair sein, Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) allein für den desolaten Zustand der Südtirolautonomie verantwortlich zu machen. Gewiss liegt es nicht nur an ihm, dass Rom die Landeszuständigkeiten nach und nach gekürzt und gestrichen hat, bis nur noch eine magere Restautonomie übrig blieb.

    Ebenso mag es stimmen, dass die Ursache dafür, dass die Autonomie teils radikal beschnitten wurde, vor allem in der Verfassungsreform von 2001 liegt und somit lange vor seinem Amtsantritt zu suchen ist.

    Dennoch ist Kompatscher der einflussreichste Südtiroler Politiker der letzten Jahre. Er ist nicht nur Landeshauptmann, sondern auch die unbestrittene Führungspersönlichkeit der SVP und hat diese Rolle auch stets und hartnäckig für sich beansprucht. Als Landeshauptmann hat Kompatscher die Autonomiepolitik seit 2013 maßgeblich geprägt und zwar sowohl in der Landesregierung als auch in der SVP.

    Daher ist es ebenso folgerichtig wie unvermeidbar, dass er für den autonomiepolitischen Kahlschlag während seiner bisherigen Amtszeit Rede und Antwort stehen muss.

    Aber der Reihe nach: In den ersten beiden Landtagswahlkämpfen (2013 und 2018) verlor Kompatscher kein Wort über die Autonomiekürzungen und vermied jede Debatte darüber, obwohl schon damals ein autonomiepolitisches Loch klaffte. Er setze stattdessen auf Wohlfühlpolitik und bediente lieber modische Schlagwörter wie die damals allgegenwärtige Nachhaltigkeit.

    Für Kompatscher waren 2018 andere Themen wichtiger. Die ständigen Angriffe auf die Autonomie wurden nicht thematisiert, weder im Wahlkampf noch in der Regierungsarbeit. Man vermied es penibel, die Südtiroler:innen darüber aufzuklären, dass Rom die Autonomie in weiten Teilen wieder einkassiert hatte.

    Ob dies aus politischer Kurzsichtigkeit und falscher Schwerpunktsetzung geschah oder ob Kompatscher den Konflikt mit dem Zentralstaat scheute, um seine politischen Prioritäten medial besser verkaufen zu können, sei dahingestellt. Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass das Bild des ruhig und souverän agierenden Politikers nicht getrübt werden sollte. Eine harte politische Auseinandersetzung mit Rom hätte die eine oder andere Schramme und Niederlage bedeutet. Das Image des lässigen Landesmanagers wäre schnell verblasst. 

    Wie dem auch sei: Die Autonomiepolitik wurde jahrelang vernachlässigt, obwohl es eine zentrale Aufgabe der Landespolitik gewesen wäre, gegen die zahlreichen Kürzungen aufzubegehren.

    Seit der Verfassungsreform von 2001 hat Italien nämlich grundlegende Zuständigkeiten fortlaufend beschnitten und gleichzeitig den Spielraum für deren Umsetzung so stark eingeschränkt, dass in den meisten Bereichen kein eigenständiges und vom Zentralstaat abweichendes Handeln mehr möglich ist. Im Wesentlichen hat Italien dadurch das Autonomiestatut einseitig aufgekündigt — und somit auch den politischen Kompromiss, den es darstellt.

    Statt in Rom und Wien Protest einzulegen, hat sich Kompatscher in seinen ersten beiden Amtszeiten über die Kürzung der Autonomie ausgeschwiegen und stattdessen bei jeder Gelegenheit sogar ihren angeblichen Vorbildcharakter gepriesen und ihr beste Gesundheit bescheinigt.

    Zudem inszenierte sich Kompatscher immer wieder als erfolgreicher Autonomieverhandler, der die Landeszuständigkeiten ausgebaut und erweitert habe, obwohl er als Landeshauptmann doch wissen musste, dass das genaue Gegenteil der Fall war.

    Während Kompatscher seine vermeintlichen Erfolge feiern ließ, wurde Südtirols Autonomie immer stärker eingeschränkt. Großteils besteht sie heute nur mehr darin, dass der Landtag die in Rom beschlossenen Bestimmungen nachspricht und sie der Südtiroler Bevölkerung als eigene Entscheidung verkauft. Es geht oft nur noch darum, die römischen Vorgaben formell zu übernehmen. Eine echte politische Autonomie, bei der sowohl Inhalte und Zielsetzungen als auch Detailregelungen frei bestimmt werden können, gibt es kaum mehr.

    Im Wahlkampf 2023 kam dann die große Wende: Kompatscher sprach plötzlich davon, dass man die Autonomie widerherstellen müsse. Die Autonomie sei in eine gehörige Schieflage geraten. Es war aber kein Eingeständnis des eigenen Versagens, obwohl allein das Wort wiederherstellen bereits besagt, dass etwas kaputtgegangen ist und repariert werden muss. Vielmehr schlüpfte Kompatscher von einem Tag auf den anderen in die Rolle des prinzipientreuen Autonomiepolitikers, der die verlorenen Zuständigkeiten zurückholen, ja sogar ausbauen und für die nächsten Jahrzehnte festigen würde. Vergessen waren die salbungsvollen Reden über die angebliche Vorzeigeautonomie, um die uns alle beneiden würden. Vergessen waren aber auch Kompatschers bisherige thematische Steckenpferde, die beinahe über Nacht allesamt ausgedient hatten. War Kompatscher im Herbst 2022 ein Symposium zur Nachhaltigkeit noch 2,3 Millionen Euro wert, wurde das Thema nun sang- und klanglos entsorgt. Jetzt war Autonomiepolitik angesagt. Der große Wurf sollte her. Kompatscher würde die Südtirolautonomie wiederherstellen und langfristig sichern, posaunte die Südtiroler Presse. 

    Es klang ganz so, als habe nicht Kompatscher selbst zehn Jahre lang die Geschicke des Landes geleitet und dabei als Landeshauptmann den Autonomieabbau beaufsichtigt und ihm tatenlos zugesehen.

    Um die verlorenen Zuständigkeiten zurückzugewinnen, wurde sogar eine Koalition mit der italienischen Rechten und Giorgia Melonis Postfaschisten (FdI) eingegangen, also mit denjenigen Kräften, denen die Autonomie stets ein Dorn im Auge war und die hinter vorgehaltener Hand weiterhin von der vollständigen Italienisierung Südtirols träumen.

    Wenn man Kompatschers bisherige politische Bilanz im Blick behält ist sein plötzlicher Wandel zum Autonomiepolitiker allerdings weder überzeugend noch glaubhaft. Nun soll aber gerade er Südtirols Autonomie nach jahrelangen Angriffen und der ständigen Demontage durch den Zentralstaat wieder auf die Beine stellen. Es ist mehr als Skepsis angebracht.

    Vor allem sollte hinterfragt werden, weshalb die Landesregierung und die SVP dieser Demontage bisher stillschweigend zugesehen haben. Es braucht eine ehrliche Antwort darauf, wie es soweit kommen konnte, ohne dass man in Südtirol auf die Barrikaden gestiegen ist und den Autonomienotstand ausgerufen hat.

    Die Sorge um Südtirols Autonomie ist nämlich berechtigt, denn auch das, was bisher von den Verhandlungen durchgesickert ist, verheißt nichts Gutes. Die angekündigte Wiederherstellung der Autonomie könnte in einem Fiasko enden, das die erfolgten Kürzungen nicht beseitigt, sondern sogar festschreibt, wobei Südtirol dann auch noch offiziell seinen Segen und seine Zustimmung dazu erteilt hätte.

    Wem die Autonomie am Herzen liegt, ist gut beraten, keine allzu großen Hoffnungen in die derzeitigen Verhandlungen zu stecken. Die Gefahr ist nämlich groß, dass es noch schlimmer wird, als es bereits ist.


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  • La minoranza sudtirolese dà fastidio, il razzismo no.

    Silvia M.C. Senette recentemente ha intervistato il conduttore radiofonico Giuseppe Cruciani per il Corriere della Sera e, tra le altre cose, gli ha chiesto che cosa pensa delle due autonomie speciali del Sudtirolo e del Trentino.

    Siamo in Italia

    La sua risposta è un perfetto esempio di razzismo nei confronti di una minoranza linguistica:

    Non me ne frega nulla, ma il tedesco parlato in Alto Adige mi dà fastidio. Quella è Italia e qualsiasi discriminazione nei confronti della lingua italiana mi fa inc…are. È un posto che gode di autonomia e agevolazioni, quindi tutto dovrebbe funzionare alla perfezione perché ci sono un sacco di soldi: è chiaro che è un posto che ha dei privilegi rispetto alle altre parti d’Italia, questo deriva dalla storia, da alcuni accordi che sono stati presi e nessuno ha il coraggio di modificarli. Intanto, però, le persone di lingua italiana sono considerate di rango inferiore rispetto a quelle di lingua tedesca.

    – Giuseppe Cruciani

    Lo stesso conduttore, nel 2016, aveva attaccato aspramente e pesantemente offeso il senatore Hans Berger (SVP), perché questi si era permesso di rivolgere qualche parola in tedesco ai media dopo le consultazioni con il presidente della repubblica. Cruciani, allora, aveva detto che il tedesco — anzi: «quella minchia di tedesco di merda» – Berger poteva parlarlo a Bolzano, ma non a Roma. Ora evidentemente ha cambiato idea e il tedesco gli dà fastidio anche in Sudtirolo. Intolleranza e odio si fanno strada.

    L’intervistatrice del Corriere, ritenuto un quotidiano serio, non si è fatta irritare dal razzismo di Cruciani ed è tranquillamente passata alla domanda successiva, come se nulla fosse. L’odio nei confronti del diverso in questo Stato ormai è perfettamente normalizzato e viene accettato come un’opinione qualsiasi. E chiaramente non ci sono da aspettarsi prese di distanza o critiche.

    Tra l’altro, pochi giorni dopo l’intervista, Cruciani è stato uno dei tanti ospiti — di ogni colore politico — che hanno partecipato ad Atreju.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 | 10



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  • Ladinia: Minderheit seit 1981 überall zurückgegangen.
    Sprachgruppenzählung

    Dass die ladinische Sprachgruppe zwischen 2011 und 2024 ausgerechnet in ihrem eigenen Siedlungsgebiet (Gherdëina, Val Badia) fast überall geschrumpft ist, hatte ich neulich bereits thematisiert, weil sich der Landesrat für ladinische Schule und Kultur, Daniel Alfreider (SVP), über das Ergebnis der letzten Sprachgruppenzählung »erfreut« gezeigt hatte.

    Wenn man sich jedoch die Daten seit 1981 ansieht, wie ich es bereits für Südtirols Städte gemacht habe, wird klar, dass es sich dabei auch im Fall der ladinischen Minderheit in Südtirol keineswegs um einen Ausreißer handelt, sondern um einen bereits konsolidierten Trend:

    In jeder einzelnen der acht mehrheitlich ladinischen Gemeinden, die zu Südtirol gehören, ist der Anteil der ladinischen Sprachgruppe seit 1981 geschrumpft. Anfang der 1980er Jahre war die erste Zählung nach Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts durchgeführt worden, mit dem die Verheißung verbunden war, dass sich die Minderheiten von der vorangegangenen Assimilierungspolitik erholen könnten.

    Was die Gemeinden von Gherdëina und Val Badia betrifft, wurde diese Hoffnung aber von Anfang an enttäuscht: lediglich in S. Cristina und Sëlva konnte die Minderheit anteilsmäßig bis 1991 leicht zulegen, dann ging es überall bergab. In 2011 gab es zwar in mehreren Gemeinden eine leichte Verbesserung, doch nur in Sëlva wurde damit kurzzeitig der Wert von 1981 überschritten. Mit der letzten Sprachgruppenzählung liegt der Anteil der ladinischen Sprachgruppe in allen mehrheitlich ladinischen Gemeinden der beiden Talschaften unter dem Bezugswert von 1981: Mit einem Absturz um 6,89 Prozentpunkte gab es dabei in Corvara die deutlichste Veränderung im Vergleich zum Bezugswert, während Sëlva (-0,76) den geringsten Rückgang verzeichnen ließ. Dazwischen liegen alle anderen Gemeinden.

    • Die Gemeinde mit dem höchsten Ladinerinnenanteil ist wie schon 1981 La Val (mit heute 96,45 Prozent).
    • Den geringsten Anteil stellt die ladinische Sprachgruppe — auf die mehrheitlich ladinischen Gemeinden bezogen — wie schon 1981 in Urtijëi (mit heute 79,75 Prozent).
    • Nicht zu den mehrheitlich ladinischen Gemeinden gehört Kastelruth/Ciastel, wo es aber mehrheitlich ladinische Fraktionen gibt. Hier ist die Situation in der gesamten Ladinia am stabilsten geblieben (1981: 15,53% → 2024: 15,81%), wobei aber die Verteilung der ladinischen Sprachgruppe auf die Ortschaften unklar ist. So lässt sich die Entwicklung in den ladinischen Fraktionen nicht gesondert beurteilen.

    Mit der ladinischen Minderheit verfügt Südtirol über einen einmaligen — wiewohl dreigeteilten — sprachlich-kulturellen Schatz, den es nicht nur zu bewahren, sondern zu stärken gilt. Was die amtlichen Daten hier zeigen, ist jedoch höchst besorgniserregend, wobei auch in diesem Fall gilt, was ich bereits in vorangegangenen Beiträgen geschrieben hatte: Die Sprachgruppenzählung betrifft nur italienische Staatsbürgerinnen, weshalb die Realität unter Berücksichtigung der Gesamtbevölkerung noch negativer sein dürfte.

    Dass in Südtirol kein gezielter Minderheitenschutz möglich ist, sondern Regelungen grundsätzlich allen Sprachgruppen gleichermaßen zugute kommen müssen — als wäre die Titularnation nicht ohnehin privilegiert —, hinterlässt seine Spuren. Und es würde nun auch das Ergreifen von Gegenmaßnahmen erschweren, um die negative Entwicklung zu stoppen.

    Davon sind wir aber ohnehin weit entfernt, wenn der zuständige Landesrat nicht nur den Ernst der Lage nicht erkannt hat, sondern über die Ergebnisse sogar »erfreut« ist.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Städte: Deutsche Minderheit unter den Wert von 1981 gefallen.
    Sprachgruppenzählung

    Nachdem ich gestern die Entwicklung der deutschen Sprachgruppe in Bozen thematisiert hatte, habe ich mir nun auch die Situation in den anderen Städten des Landes angesehen.

    Dabei musste ich erstaunt feststellen, dass der entsprechende Anteil inzwischen in sechs von sieben Städten unter dem Niveau von 1981 — der ersten Zählung nach Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts — liegt. Es ist also keineswegs so, dass (wie ich ehrlich gesagt erwartet hatte) die deutsche Sprachgruppe in den Städten seit Jahrzehnten gewachsen wäre und es 2024 nur einen leichten Rückgang, quasi eine Art Anpassung, gegeben hätte.

    Wiewohl nach 1981 in den meisten Städten des Landes tatsächlich eine anteilsmäßige Erholung der deutschen Sprachgruppe zu verzeichnen war, ist dieses »Kapital« inzwischen in fast allen Zentren wieder vollständig verspielt. In Leifers ging die Entwicklung seit 1981 immer nur bergab — und auch in Klausen konnte der Wert von damals nie wieder erreicht werden. Doch zeigte die Kurve zunächst immerhin in Bozen, Meran, Brixen und Sterzing, etwas später auch in Bruneck (teils deutlich) nach oben.

    Spätestens nach der Erhebung von 2024 liegt aber die Minderheit fast überall wieder unter dem Anteil, der Anfang der 1980er Jahre erhoben worden war. Die Wirkung des Zweiten Autonomiestatuts war nicht von Dauer.

    Am negativsten war die Entwicklung zwischen 1981 und 2024 in Leifers (-7,43 Prozentpunkte), wo sich bei der letzten Erhebung nur noch 25,16 Prozent der teilnehmenden Bevölkerung zur deutschen Sprachgruppe bekannten. Der Reihe nach folgen Sterzing (-6,06), Bruneck (-2,90), Meran (-1,42), Klausen (-1,05) und Bozen (-1,03). Dabei ist der Anteil in der Landeshauptstadt heute (24,74 Prozent) am geringsten, weil schon der Bezugswert von 1981 niedrig war.

    Lediglich in Brixen (+2,28) ist der Anteil der deutschen Sprachgruppe an der Gesamtbevölkerung heute höher als 1981, doch auch hier befindet sich der Wert seit 2001 im Sinkflug. Womöglich ist die etwas positivere Entwicklung in der Bischofsstadt auch nur darauf zurückzuführen, dass hier die ländlichen Fraktionen einen relativ größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung haben.

    In all diesen Fällen gilt aber, worauf ich bereits im Fall von Bozen hingewiesen hatte: Die amtlichen Daten, um die es hier geht, berücksichtigen nur italienische Staatsbürgerinnen. Da alle Indikatoren darauf hindeuten, dass sich Zugewanderte überdurchschnittlich häufig in die italienische Sprachgruppe integrieren, dürfte die reale Situation wohl sogar noch besorgniserregender sein.

    Obschon Glurns offiziell eine Stadt ist, blieb diese Gemeinde in der vorliegenden Betrachtung aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen unberücksichtigt.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06 07 08 || 01



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  • Deutsche Sprachgruppe in Bozen im Sinkflug.

    Ich möchte hier nochmal auf das Ergebnis der amtlichen Sprachgruppenzählung in der Landeshauptstadt zurückkommen, wo die deutsche Sprachgruppe, die bis zur Annexion und auch noch bis zum Faschismus eine große Mehrheit gestellt hatte, zum wiederholten Mal geschrumpft ist. Nicht einmal mehr ein Viertel der erklärenden Bevölkerung gehört laut jüngsten Daten — erstmals seit Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts 1972 — der deutschen Sprachgruppe an.

    Die Landesautonomie hat es also in der Hauptstadt nicht geschafft, den Assimilierungs- und Majorisierungseffekt, der vom faschistischen Regime mit großer Brutalität in Gang gesetzt und von der italienischen Republik in der Nachkriegszeit fortgeführt wurde, mittelfristig zu stoppen und umzukehren.

    Wie die Daten zeigen, hat es seit der ersten Erhebung, die nach Inkrafttreten der Landesautonomie von 1972 im Jahr 1981 durchgeführt worden war, nur eine kurzfristige Erholung der deutschen Sprachgruppe gegeben, die 1991 ihren Höhepunkt erreicht hat. Seitdem wurde bei jeder einzelnen Zählung ein Rückgang verzeichnet, der die Konsistenz der deutschen Sprachgruppe schon 2011 unter den Wert von 1981 zurück und — wie bereits gesagt — bei der letzten Erhebung sogar unter die Schwelle von einem Viertel der Gesamtbevölkerung geführt hat.

    Eine aktive Sprachpolitik, die diese Entwicklung stoppen könnte, gibt es in Südtirol — anders als in vergleichbaren Minderheitengebieten (01 02 03) — nicht. Bei der Regierungspartei SVP, die einst hauptsächlich für Minderheitenschutz stand, scheint sogar das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass Maßnahmen nötig wären.

    Seit 1991 ist die deutsche Sprachgruppe nicht nur alle zehn Jahre geschrumpft. Vielmehr wurde sogar ein von Erhebung zu Erhebung wachsender Rückgang im Vergleich zur vorhergehenden Zählung verzeichnet (2001: -0,32 / 2011: -0,77 / 2024: -0,78 Prozentpunkte). Dies wird 2024 nur dadurch relativiert, dass sich der Zeitraum zur vorhergehenden Erhebung coronabedingt etwas verlängert hat.

    Wie schon mehrmals geschrieben, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) die Ergebnisse der Sprachgruppenzählung sogar positiv bewertet, weil sie seiner Meinung nach zeigen, dass die Autonomie allen zugute kommt. Das ist eine mögliche, meiner Meinung nach jedoch naive Lesart. Wenn nämlich der Minderheitenschutz der Mehrheitsbevölkerung zugute kommt, heißt das im Umkehrschluss, dass er nicht — oder nicht ausreichend — funktioniert. In der Landeshauptstadt, die nicht irgendeine Gemeinde ist, sondern auch eine wichtige Mittelpunktfunktion wahrnimmt, ist dies noch sichtbarer und gleichzeitig noch besorgniserregender als anderswo.

    Man könnte also auch sagen, dass die koloniale Logik, die mit der Annexion durch Italien in Gang gesetzt wurde und im Faschismus eine drastische Beschleunigung erfuhr, durch die Autonomie nach einer ersten kurzen Trendumkehr nur verlangsamt, aber nicht gestoppt oder gar umgekehrt werden konnte. Gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst wirkt sie bis heute fort und nimmt sogar wieder schleichend an Fahrt auf.

    Dies gilt umso mehr, als die Daten einiges verschleiern, was die reale Situation noch besorgniserregender erscheinen lässt. Zum Beispiel, dass an der Sprachgruppenzählung nur italienische Staatsbürgerinnen teilnehmen dürfen und gerade Zugewanderte vom Staat aktiv in die italienische Sprachgruppe integriert werden. Dass unter denen, die sich der italienischen Sprachgruppe zugehörig erklären, die Kenntnis der deutschen Sprache deutlich weniger verbreitet ist als die Kenntnis der italienischen Sprache unter denen, die sich als deutsch erklären. Oder dass Deutsch als Verständigungssprache über die Grenzen der Sprachgemeinschaften hinweg schwindet.

    All das zeigt sich bereits auf Landesebene, ist aber in Bozen schon seit Jahrzehnten zu beobachten.

    Die von Alessandro Urzì (FdI) geforderte Abschaffung oder drastische Reduzierung der Ansässigkeitsklausel würde ihre Wirkung in der Landeshauptstadt wohl am schnellsten entfalten.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 05 | 06 || 01



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